Kritik an Thyssen-Chefkontrolleurin
Martina Merz muss auf der Hauptversammlung von Thyssenkrupp mit Kritik der Großinvestoren rechnen. Die designierte neue Aufsichtsratschefin des Industriekonzerns hat neun Mandate in den Kontrollgremien von sieben Unternehmen – regelkonform wären fünf. Das moniert der Stimmrechtsberater Ivox.cru Düsseldorf – Wenn an diesem Freitag im Bochumer RuhrCongress die Thyssenkrupp-Hauptversammlung startet, dann wird nicht nur die von Vorstandschef Guido Kerkhoff geplante Aufspaltung des Industriekonzerns heiß debattiert. Auch die designierte neue Aufsichtsratschefin Martina Merz, die den Bochumer BWL-Professor Bernhard Pellens an der Spitze des Kontrollgremiums ablösen soll, muss sich auf Kritik einstellen. Es geht dabei um die zahlreichen weiteren Aufsichtsratsmandate, die die ehemalige Bosch-Managerin hält. Das geht aus einer Analyse des Stimmrechtsberaters Ivox Glass Lewis für Großinvestoren hervor, die der Börsen-Zeitung vorliegt.”Es ergeben sich keine Anhaltspunkte, welche Zweifel an der Qualifikation von Martina Merz begründen könnten”, heißt es in dem Papier. “Allerdings bestehen Bedenken hinsichtlich der Zahl der Mandate.”Gemäß den Analyserichtlinien solle ein Aufsichtsratsmitglied nicht mehr als insgesamt fünf Mandate innehaben, wobei Aufsichtsratsvorsitze doppelt zählen. Martina Merz käme nach dieser Zählweise auf neun Mandate, was gegen die Richtlinien vieler Großinvestoren verstieße und deshalb beim Aktionärstreffen kritisch vermerkt werden dürfte.Neben dem künftigen Mandat als neue Thyssenkrupp-Aufsichtsratschefin ist Merz noch Chairwoman bei SAF-Holland und sitzt in den Kontrollgremien von Lufthansa, Volvo, NV Bekaert und Imerys. “Auch wenn es erfreulich ist, dass der Aufsichtsrat sich auf die Nominierung dieser Kandidatin einigen konnte, ist es insbesondere in diesem schwierigen Umfeld wichtig, dass für diese anspruchsvolle Aufgabe genug Zeit aufgewendet werden kann. Daher stimmen wir gegen diese Wahl”, schreiben die Stimmrechtsberater von Ivox Glass Lewis. Kerkhoff im RampenlichtBei der Hauptversammlung muss Guido Kerkhoff, zuvor langjähriger Finanzvorstand, zum ersten Mal als Vorstandschef vor die Aktionäre treten. Der 51-Jährige hatte im Juli 2018 die Nachfolge von Heinrich Hiesinger angetreten, der im Streit mit dem schwedischen Finanzinvestor und Großaktionär Cevian ausgeschieden war. Kerkhoffs Pläne für die Aufspaltung von Thyssenkrupp, die aber erst auf der Hauptversammlung 2020 zur Abstimmung stehen, dürften in der Debatte auf Gegenwind stoßen – zumal die Neuordnung zunächst fast 1 Mrd. Euro kosten wird und an den erheblichen operativen Schwächen in fünf der sechs Sparten des Konzerns kaum etwas ändert. Um Cevian entgegenzukommen, will Kerkhoff zwar die Rendite nach oben treiben, weist aber Forderungen nach einem Verkauf der lukrativen Aufzugssparte zurück.Kartellermittlungen in der Stahlsparte, Qualitätsmängel bei den Automobilkomponenten und Performance-Probleme im Kernanlagenbau: Mit zwei Gewinnwarnungen im Jahr 2018 brüskierte Kerkhoff die Investoren. Der Kurs der Thyssenkrupp-Aktie sank am Dienstag zeitweise um 0,1 % auf 15,52 Euro. Der Börsenwert des Konzerns hat sich damit seit Anfang 2018 um mehr als 40 % reduziert auf 9,7 Mrd. Euro.Am Ende des Geschäftsjahres 2017/18 stand ein Überschuss nach Anteilen Dritter von gerade mal 8 Mill. Euro in den Büchern. Die Dividende bleibt unverändert bei 15 Cent je Aktie. “Auf die Dividende hätte man angesichts der schwachen Geschäftszahlen verzichten können”, sagt der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Thomas Hechtfischer: “Insgesamt sehe ich noch nicht, wie Thyssenkrupp auf einen grünen Zweig kommen soll.” Es sei weiter unklar, wie die operativen Geschäfte verbessert werden könnten. Kein genehmigtes KapitalAngesichts der Konjunktureintrübung könnte es sich auch noch als Problem herausstellen, dass Thyssenkrupp bei Bedarf kein einfacher Weg zu einer Kapitalerhöhung mehr offensteht. Denn das genehmigte Kapital läuft aus, und für die Hauptversammlung steht kein neuer Vorratsbeschluss auf der Tagesordnung. Das bedeutet, dass eine Kapitalerhöhung künftig nur über eine außerordentliche Hauptversammlung möglich wäre.Offen ist auch noch, welche Organisationsstruktur die beiden neuen Unternehmen Thyssenkrupp Materials und Thyssenkrupp Industrials nach der Aufspaltung erhalten: entweder als Finanzholding mit operativ vollständig eigenständigen Töchtern – oder als zwei integrierte Konzerne mit Verwaltungszentrale, die einige Aufgaben für die Töchter übernimmt. Mehr Neuigkeiten zum Management und der Konzernstruktur will Thyssenkrupp erst zur Quartalsbilanz am 12. Februar verraten.