Kritiker werden vor Volkswagen-HV wieder lauter

Governance-Experte Strenger: Vorstand und Aufsichtsrat Entlastung verweigern - Mehr Vorzugsdividende

Kritiker werden vor Volkswagen-HV wieder lauter

scd Frankfurt – Der Volkswagen-Konzern hat zwar trotz des Diesel-Skandals im vergangenen Jahr wieder Absatz-, Umsatz- und Ergebnisrekorde eingefahren. Die Kritik am Unternehmen und im Speziellen am Gebaren der Führungsriege des Konzerns kommt gut fünf Wochen vor der Hauptversammlung allerdings mit Wucht zurück. Der anerkannte Corporate-Governance-Experte Christian Strenger seziert die Tagesordnung der Wolfsburger in seinem sechsseitigen Gegenantrag. Bei vier von sechs Punkten hat Strenger schwerwiegende Einwände. So sei die Gewinnverwendung nicht mehr zeitgemäß. Angesichts der vorgeschlagenen Dividendenhöhe von 3,90 bzw. 3,96 Euro sei die Differenz zwischen Stämmen und Vorzügen “kein angemessener Ausgleich” für das verwehrte Stimmrecht, befindet Strenger. Er schlägt eine Vorzugsdividende von 4,29 Euro je Aktie vor. Der beantragte Aufschlag von 10 % entspreche internationalen Usancen. In der VW-Satzung sind indes 6 Cent Differenz festgeschrieben. Daher sei die Satzung im Zweifel zu ändern, so Strenger.Zudem empfiehlt er, dem Vorstand um CEO Matthias Müller die Entlastung zu verweigern und führt dafür eine ganze Reihe von Gründen an. So habe der Diesel-Skandal VW zwar bislang schon 25,8 Mrd. Euro gekostet. Allerdings stünden weitere Milliardenrisiken noch im Raum – darunter die auf rund 9 Mrd. Euro lautenden Anlegerklagen, bei denen Strenger mit der Verbraucherzentrale für Kapitalanleger allerdings auch selbst als Kläger beteiligt ist. Hinzu kämen nicht bezifferte Verbraucherklagen. Für beides seien noch keine Rückstellungen gebildet worden, so dass VW offenbar jeweils mit eher erfolgreichen Verfahrensausgängen rechne. Eine Einschätzung, die Strenger ebenso anzweifelt wie den selbst erklärten Willen von VW, “lückenlos” und transparent aufzuklären. Auch die abgestrittene Beteiligung des VW-Vorstands an den Abgastests an Affen sei angesichts der Millionenkosten entweder von einem Vorstand genehmigt worden oder aber die Nichtgenehmigung eines solchen Auftrags sei als Compliance-Verstoß als Organisationsverschulden zu werten.Auch von der Entlastung des Aufsichtsrats rät Strenger ab. Die Diesel-Affäre sei nicht umfassend und transparent aufgeklärt worden. Haftungsansprüche gegen frühere und heutige Vorstandsmitglieder zu verfolgen, sei zudem eine Pflicht gewesen, der der Aufsichtsrat offenbar nicht habe nachkommen wollen. Zudem seien Vergütungen für den Vorstand in “unvertretbarer” Höhe gewährt worden. Beispielhaft wurden die achtstelligen Euro-Zahlungen angeführt, die Christine Hohmann-Dennhardt für nur 13 Monate im VW-Vorstand erhielt. Auch die variablen Vergütungen hätten bis zur Klärung der Verschuldensfrage für den Diesel-Skandal ausgesetzt werden sollen. Zudem verstoße VW entgegen eigenen Angaben gegen Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Index (DCGI) hinsichtlich der angemessenen Zahl unabhängiger AR-Mitglieder. So seien die Vertreter des katarischen Großaktionärs ebenso wenig als unabhängig anzusehen wie Louise Kiesling, eine Nichte des VW-Patriarchen Ferdinand Piëch.Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch sei durch seine langjährige Tätigkeit als Finanzvorstand des Konzerns und der Einbeziehung in staatsanwaltliche Ermittlungen in einem dauerhaften Interessenkonflikt, was die Beendigung seines Mandats zur Folge haben müsste. Die Hauptversammlung ist für den 3. Mai angesetzt worden. Bereits im vergangenen Jahr hatten Strenger und andere Investoren die VW-Spitze schwer kritisiert. Erfolglos bis auf das Vergütungssystem (80,96 %) erhielt jeder Tagesordnungspunkt mindestens 99 % Zustimmung.