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Kuka wird chinesisch und soll doch deutsch bleiben

Von Joachim Herr, München Börsen-Zeitung, 9.8.2016 Nun steht es endgültig fest: Dem lukrativen Angebot von Midea widerstanden nur wenige Kuka-Aktionäre. In der Nachfrist bis zum 3. August wurden dem chinesischen Hausgerätekonzern weitere 8,9 % der...

Kuka wird chinesisch und soll doch deutsch bleiben

Von Joachim Herr, MünchenNun steht es endgültig fest: Dem lukrativen Angebot von Midea widerstanden nur wenige Kuka-Aktionäre. In der Nachfrist bis zum 3. August wurden dem chinesischen Hausgerätekonzern weitere 8,9 % der Anteile des Augsburger Herstellers von Industrierobotern angedient. Mit den 72,2 % in der regulären Frist und dem eigenen Anteil sichert sich Midea so 94,6 %. Da der Streubesitz unter 10 % gesunken ist, muss der MDax-Wert Kuka in den nächsten zwei Tagen alle Indizes verlassen. Der ZeitplanWie geht es mit der Übernahme weiter? Im März 2017 soll die Transaktion abgeschlossen sein. “Das könnte auch früher möglich sein”, sagt Till Reuter, der Vorstandsvorsitzende von Kuka. Midea braucht Genehmigungen von Behörden, vor allem in der EU, den USA und Deutschland wegen der Kartellgesetze. “Es gibt erste Gespräche”, berichtet Reuter. “Wir erwarten, dass alle Themen beherrschbar sind.”Da zu Kuka Unternehmen in den USA gehören, ist die Übernahme auch ein Fall für das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS). Dieser Regierungsausschuss untersucht ausländische Investitionen auf Folgen für die nationale Sicherheit. Kuka betont, militärische Produkte seien nicht im Angebot. Verteidigungsnahes Geschäft mache nur 1 % des Konzernumsatzes aus: Kuka stellt Montagevorrichtungen für Fertigungsstraßen des Kampfflugzeugs F-35 her. Falls ein Verzicht darauf gefordert würde, wäre das kein Beinbruch. Die PolitikWelchen Einfluss können deutsche Politiker noch nehmen? Von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist in Sachen Kuka nichts mehr zu hören. Der Markt und die Aktionäre haben Tatsachen geschaffen. Zudem muss sich Gabriel mit seiner gestoppten Ministererlaubnis im Fall Edeka-Tengelmann herumschlagen. Aus seinem undurchsichtig gebliebenen Bemühen um ein europäisches Gegenangebot für Kuka ist jedenfalls nichts geworden.”In China herrscht Verwunderung, dass sich die deutsche Politik eingemischt hat”, berichtet Thilo Ketterer, der Leiter des China-Geschäfts vom Unternehmensberater Rödl & Partner, kurz nach einer Peking-Reise. “Mit einem Augenzwinkern wird gefragt, ob Deutschland überhaupt noch die Kriterien einer Marktwirtschaft erfülle.”Die Bundesregierung könnte mit einer Prüfung nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) die Übernahme vermutlich nur in die Länge ziehen, aber nicht verhindern. “Der vermeintliche Ausverkauf des deutschen Maschinenbaus wäre wohl kein übergeordnetes Staatsinteresse, das nach dem AWG schützenswert wäre”, meint Boris Schilmar, Fachmann für deutsch-chinesische M & A-Transaktionen in der Anwaltskanzlei Simmons & Simmons. Die Chancen und GarantienWas ändert sich für Kuka mit dem chinesischen Großaktionär? Der Vorstand in Augsburg erhofft sich einen Schub im wachsenden Heimatmarkt von Midea, in dem auch einheimische Anbieter wichtiger werden (siehe Grafik). Rödl-Partner Ketterer erkennt ebenfalls bessere Chancen, den Absatz zu steigern: “Mit einer chinesischen Mutter könnte das viel leichter und schneller gehen.” Gerade in die Fläche des riesigen Landes fernab der Zentren an der Ostküste könne Kuka so einfacher vordringen. Hinzu kämen weiche Faktoren: Genehmigungen vom Staat seien schneller zu erhalten, Kooperationen in der Forschung würden erleichtert, und an öffentliche Ausschreibungen sei einfacher heranzukommen.Die rund 5 000 Kuka-Mitarbeiter in Deutschland konnte Midea mit einer Investorenvereinbarung beruhigen: Bis Ende 2023 sind Standorte und Arbeitsplätze garantiert. Das Topmanagement soll deutsch bleiben. Nach Ansicht von Mathias Müller ist das Bekenntnis glaubwürdig. Er berät als Partner von Rödl deutsche Mittelständler, die nach Asien expandieren. “Chinesen investieren in Deutschland strategisch, wollen die Unternehmen nicht zerschlagen und nur minimal ins operative Geschäft eingreifen”, sagt Müller. Als Beispiele nennt er den Betonpumpenhersteller Putzmeister und die Werkzeugmaschinenfabrik Waldrich Coburg.Tatsächlich dürfte es die Absicht von Midea sein, dass Kuka weiterhin als Unternehmen mit deutschem Wissen, deutscher Forschung und Technik wahrgenommen wird. So ließe sich künftig unter chinesischer Flagge mit dem Qualitätssiegel “Made in Germany” werben. Die InvestorenIst Midea am Einstieg größerer Aktionäre interessiert? Die Chinesen beteuerten zum Start des Angebots, Kuka nicht von der Börse zu nehmen und eine gefächerte Anteilseignerstruktur anzustreben. Am Montag sagte eine Sprecherin: “Midea ist offen für weitere Aktionäre, wenn sie einen Mehrwert fürs Unternehmen bringen.” Kuka-Chef Reuter weist auf die Möglichkeit einer Beteiligung per Kapitalerhöhung hin. Damit könnte das Unternehmen zum Beispiel seine Forschung und Investitionskraft stärken. Trotz der Dominanz von Midea gibt es nach Reuters Worten nach wie vor aus dem In- und Ausland Interessenten für einen Einstieg. Nach dem Abschluss der Übernahme soll es dazu intensive Gespräche mit Midea geben.