Lindt & Sprüngli kauft Forrest-Gump-Pralinen

Schweizer übernehmen Russell Stover und werden Nummer 3 in Amerika - Transaktionswert bei 1,4 Mrd. Dollar vermutet

Lindt & Sprüngli kauft Forrest-Gump-Pralinen

dz Zürich – “Das Leben ist wie eine Pralinenschachtel. Man weiß nie, was man bekommt.” Forrest Gump, gespielt von Tom Hanks, sitzt in dem gleichnamigen Film auf einer Parkbank, sinniert über sein eigenartiges Leben und verschlingt dabei gedankenverloren eine Schachtel Pralinen. Der Streifen verhalf dem Schokoladenhersteller Russell Stover 1994 zu weltweiter Berühmtheit. 20 Jahre später geht das 1923 gegründete Familienunternehmen in den Besitz des Konkurrenten Lindt & Sprüngli über. Und die Schweizer scheinen sehr wohl zu wissen, was sich hinter dieser Gesellschaft verbirgt.Nach unbestätigten Schätzungen aus Finanzkreisen lassen sie sich den Zukauf stolze 1,4 Mrd. Dollar kosten. Das wären immerhin fast drei Jahresumsätze von Russell Stover. Nach offiziellen Angaben setzt die Firma mit 2 700 Mitarbeitern in vier Werken 500 Mill. Dollar um. Zum Ergebnis macht Russell Stover keine Angaben. Finanzanalysten gehen davon aus, dass die Firma ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisationen (Ebitda) von 60 Mill. Dollar erzielt. Mit dieser geschätzten Ebitda-Marge von 12 % wären die Amerikaner zwar nicht ganz so profitabel wie die Eidgenossen (17 %), doch bei Lindt & Sprüngli freut man sich dennoch bereits auf einen “soliden, positiven Beitrag zum Gewinn pro Aktie” von der neuen Tochtergesellschaft.Ausschlaggebend für den Zukauf dürfte die Gelegenheit gewesen sein. Das Unternehmen gehört seit 1969 der Familie Ward, die es unter Führung von Louis Ward zu nationaler Bekanntheit entwickelte. Nach dem Tod von Louis Ward im Jahr 1996 ging das Unternehmen auf dessen drei Kinder über, wobei sich die beiden Söhne anfänglich gemeinsam die Leitung teilten. Inzwischen sind auch die Nachkommen von Louis Ward nahe am Pensionsalter oder bereits darüber, und auf der Suche nach einer Nachfolgeregelung hat sich die Variante Verkauf nun offensichtlich durchgesetzt.Die Schweizer erreichen über die Akquisition eine deutliche Verstärkung ihrer Position in Nordamerika. Vom weltweiten Schokoladenumsatz von knapp 82 Mrd. Dollar (zu Endverkaufspreisen) entfallen rund 20 % auf den US-Markt. Mit Russell Stover dürfte der US-Umsatzanteil bei Lindt & Sprüngli von derzeit 30 % gegen 40 % steigen. Damit avanciert der Konzern mit einem geschätzten Marktanteil von um die 9 % zum drittgrößten Schokoladenhersteller in den USA und überholt Nestlé.Russell Stover ist der größte Zukauf in der Geschichte von Lindt & Sprüngli und die erste Akquisition seit der Übernahme von Ghirardelli im Jahr 1998 – ebenfalls in den USA. Mit dem Erwerb dürfte sich die Verhandlungsposition der Schweizer gegenüber den mächtigen US-Einzelhandelsriesen wie Wal-Mart oder Safeway deutlich verbessern.Die Akquisition soll mit vorhandenen Barmitteln und Bankschulden finanziert werden. Die Bilanz bietet dafür ausreichend Spielraum. Das Zürcher Traditionsunternehmen verfügte per Ende 2013 über eine Nettofinanzposition von 720 Mill. sfr. Das Eigenkapital erreichte fast 68 % der Bilanzsumme. Der Start ins neue Geschäftsjahr verlief für Lindt & Sprüngli erneut erfolgreich. Der Umsatz stieg um 6 % auf 1,2 Mrd. sfr, wobei das organische Wachstum in Lokalwährungen sogar 9,2 % erreichte. Für das Gesamtjahr erwartet das Unternehmen ein organisches Wachstum von 6 % bis 8 % sowie eine weitere Steigerung der Betriebsgewinnmarge.—– Wertberichtigt Seite 6