DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: SUSANNE SCHRÖTER-CROSSAN

"M&A ist kein Bestandteil der Strategie"

LEG-Finanzchefin: Expertise liegt in Bewirtschaftung von attraktiv bepreistem Segment - Zinstief befeuert Immobilienbewertung

"M&A ist kein Bestandteil der Strategie"

Frau Schröter-Crossan, welche Auswirkungen spürt die LEG im Gefolge der Coronakrise?Wir sind bislang sehr gut durch die Krise gekommen, weil das Geschäftsmodell relativ krisenresistent ist. Mit unserem Zehn-Punkte-Programm haben wir im Frühjahr sehr schnell reagiert, noch bevor die Regierung tätig wurde. Von dem Angebot zur Mietstundung haben weniger als 1 % der Mieter Gebrauch gemacht. Diese Maßnahme ist bei uns Ende September ausgelaufen, aber wir beobachten natürlich die Lage. Wäre es nicht gerade jetzt besonders wichtig, das Angebot aufrechtzuerhalten, weil sich vermutlich erst im Zeitablauf die Folgen von Kurzarbeit und Arbeitsplatzverlust im Portemonnaie der Mieter zeigen?Wir sind in der Vergangenheit aktiv auf unsere Mieter zugegangen und haben sie zum Beispiel beim Beantragen von staatlichen Leistungen unterstützt. Das setzen wir fort. 25 % unseres Bestands sind ohnehin staatlich gefördert und auch unsere Durchschnittsmiete bewegt sich mit 5,90 Euro je Quadratmeter und 380 Euro pro 65-Quadratmeter-Wohnung in einem Segment, in dem Menschen auch in Kurzarbeit die Miete zahlen können. Hier stehen wir im Wettbewerbsvergleich gut da, weil sich unser Angebot eher an mittlere und niedrige Einkommen richtet. Überlegen Sie, das Thema der Mietstundung wiederaufleben zu lassen? Aktuell nicht, weil wir keine erhöhte Nachfrage sehen. Gleichwohl ist uns der verantwortungsvolle Umgang mit unseren Mietern wichtig. Wenn wir Bedarf sähen, würden wir sicher neu überlegen. Wir sind uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung absolut bewusst. Gibt es weitere Auswirkungen der Krise? Die LEG hat beispielsweise Modernisierungsprojekte auf Eis gelegt.Wir haben die Modernisierungsprojekte inzwischen wieder angestoßen. Natürlich kam es zu zeitlichen Verschiebungen, die sich in diesem Jahr nicht mehr vollständig aufholen lassen. Ist das der Grund für das vergleichsweise moderate Mietwachstum von 2,3 %, das Sie für 2020 prognostizieren?Wir haben zwei Effekte. Zum einen die Verschiebung der Modernisierungsprojekte, das macht etwa 30 Basispunkte aus. Zum anderen haben wir die Mieterhöhungen gemäß Mietspiegel für drei Monate ausgesetzt. Das macht weitere 20 Basispunkte aus in diesem Jahr. Damit wären Sie ohne Corona-Effekte bei knapp 3 % Mietwachstum auf vergleichbarer Fläche. Das dürfte bei den Investoren nicht gerade für Luftsprünge sorgen.Man muss das im Kontext sehen. Wir bewerten immer aus der Perspektive des Total Shareholder Return. Durch die Aufwertung des Portfolios in Kombination mit den Dividenden haben unsere Investoren gutes Geld verdient. Mietwachstum zu erzielen, ist uns wichtig, aber es muss für die Mieter auch verkraftbar bleiben. Wir haben uns darauf spezialisiert, guten Wohnraum zu fairen Preisen anzubieten. Im Umkehrschluss gehen wir mit Mieterhöhungen umsichtig um. Denn wir haben auch nichts davon, wenn Mieter ausziehen, weil die Miete nicht mehr bezahlbar ist. Auch mit Blick auf die politische Diskussion in Deutschland empfiehlt sich Augenmaß. Wir müssen eine Balance finden zwischen den Vorstellungen unserer Kunden und unserer Investoren. Fürchten Sie, dass aus dem Berliner Mietendeckel ein gesamtdeutsches Thema wird?Wir sehen das nicht, zumal der Mietendeckel nicht denen zugutekommt, denen er zugutekommen sollte. Der Mietendeckel sorgt keineswegs für mehr Gerechtigkeit. Am meisten profitieren davon Mieter, die bisher schon in teureren Lagen oder Objekten wohnen. Es handelt sich um ein überwiegend politisches Thema und die Landesregierung in Düsseldorf hat schon deutlich gemacht, dass sie das nicht befürwortet. Für die LEG ist das eher ein nachgeordnetes Thema, weil unsere Durchschnittsmieten unter dem Durchschnittsniveau des Landes liegen und daher vergleichbar weniger betroffen wären. Aus Investorensicht zählten in der Vergangenheit vor allem Akquisitionen und Bestandswachstum. Sind die Investoren tatsächlich mit risikoarmem, aber stabilen Wachstum von 2 bis 3 % jährlich zufrieden?Gerade im Zuge der Coronakrise hat unser Geschäftsmodell sehr viel Zuspruch von internationalen Investoren erfahren. Es ist vorhersehbar und risikoavers, weil wir auch auf der Finanzierungsseite sehr konservativ unterwegs sind. Da spielt uns die aktuelle gesamtwirtschaftliche Situation sicher in die Hände. Zu berücksichtigen ist auch, dass wir uns nach wie vor und mutmaßlich noch für lange Zeit im absoluten Niedrigzinsumfeld bewegen. Das berücksichtigen die Investoren in ihren Anlageentscheidungen. Heißt das, die Investoren bewerten nicht stand-alone, sondern berücksichtigen bei der Entscheidung auch Anlagealternativen?Genau. Wir haben uns ganz explizit als Pure Play positioniert. Das heißt, wir fokussieren uns nur auf Deutschland und die Asset-Klasse bezahlbarer Wohnimmobilien und damit auf ein Produkt, nach dem es eine anhaltende strukturelle Nachfrage gibt. Entwicklungsgeschäft oder andere Anlageklassen kommen für uns nicht infrage. Der Pure-Play-Gedanke ist von unseren Investoren sehr positiv aufgenommen worden. Das bedeutet aber zugleich, dass wir stärker für Bewährtes stehen als unsere Wettbewerber. Wir wollen natürlich weiter wachsen, aber mit Augenmaß. Stichwort: Pure Play. Die LEG hat sich von Anfang an auf das Geschäftsgebiet Nordrhein-Westfalen (NRW) konzentriert. Mit den Akquisitionen im Sommer haben Sie Ihrem Heimatmarkt ganz bewusst den Rücken gekehrt. Wie finden Ihre Investoren das – im Hinterkopf habend, dass die Deutsche Wohnen mit ihrem Übernahmeversuch für die LEG vor Jahren scheiterte, weil die Investoren darin eine Verwässerung des auf Berlin fokussierten Geschäftsmodells sahen.In der Tat gibt es zu der weiter entwickelten Strategie viele Fragen, denn die Investoren verbinden die LEG mit NRW. Was gut verstanden wird, ist der Ansatz, mit den Akquisitionen sozusagen einen Gürtel um NRW zu legen. Unser Ziel ist es, an jedem neuen Standort mindestens 1 000 Einheiten zu haben, die wir auf der Managementebene aus den Niederlassungen in Nordrhein-Westfalen bewirtschaften. Tatsächlich haben wir die Standorte so gewählt, dass das beispielsweise mit Blick auf die Fahrzeiten für unsere Mitarbeiter aus den Niederlassungen in NRW darstellbar ist. Die Investoren haben verstanden, dass wir bei den Ankäufen außerhalb Nordrhein-Westfalens große Kostendisziplin walten lassen und nicht einfach überall in Deutschland akquirieren. Ist der Markt Nordrhein-Westfalen akquisitorisch ausgeschöpft?Nein, es gibt nach wie vor auch in NRW Akquisitionsmöglichkeiten, wir sind hier weiterhin sehr aktiv. Als Eigentümer von Wohnungen im attraktiv bepreisten Segment und der Expertise in der Bewirtschaftung von gefördertem Bestand, das ist ein Alleinstellungsmerkmal, bekommen wir viele Angebote. Wir werden in diesem Segment als der natürliche Käufer gesehen. Von daher gibt es für uns viele Möglichkeiten, das Wachstum auch außerhalb Nordrhein-Westfalens fortzusetzen. Gerade in der Wohnwirtschaft gibt es viele Standardprozesse, so dass wir Skaleneffekte realisieren können. Wodurch unterscheidet sich die LEG damit künftig von Wettbewerbern wie einer TAG oder anderen Wohnungsunternehmen, die keinen regionalen Schwerpunkt haben?Wir fokussieren uns in regionaler Hinsicht auf die B- und C-Lagen. Unsere Bestände liegen eben nicht überwiegend in der Düsseldorfer Altstadt, sondern in Städten wie Dortmund, Duisburg oder Krefeld. Wir konzentrieren uns ganz bewusst auf diese Lagen. Anders als die TAG sind wir aber nicht in Ostdeutschland mit seinen speziellen Baustrukturen vertreten. Wo sehen Sie in Zukunft noch Potenzial, nachdem Ihre großen Wettbewerber, Vonovia und Deutsche Wohnen, ihre Bestände mit Portfolioverkäufen an die LEG bereinigt haben?Wir haben ja nicht nur Portfolios von Vonovia und Deutsche Wohnen gekauft, sondern auch von Covivio, Vivawest und anderen strategischen Investoren. An dieser Stelle kommt uns die Expertise bei gefördertem sowie bezahlbaren frei finanzierten Wohnungen zugute. Wir werden von den Strategen und anderen Veräußerern angesprochen. In der Bewirtschaftung sind andere Kompetenzen gefragt, weil man mit einer anderen Klientel zu tun hat und auch mit einer anderen Nachfrage. Wir haben eben auch Wohnungen in Städten, wo man nicht unter Dutzenden von Mietern wählen kann, hier kommt der Kompetenz in der Auswahl der richtigen Mieter eine besondere Bedeutung zu. Wir haben einen anderen Fokus und damit auch andere Möglichkeiten, Werte in diesen Beständen zu heben. Warum hat die LEG diese Kompetenz?Die kommt aus der Historie der LEG als Landesentwicklungsgesellschaft und mit der bewussten Entscheidung, auf der geförderten Bestandsebene und in den Higher-Yielding-Märkten, wie wir sie nennen, zu bleiben und auch weiter zuzukaufen. Da wir das seit Jahren machen, liegt hier auch unser Wettbewerbsvorteil. Die LEG hatte im Mai eine Fusion mit der TAG ins Auge gefasst, das Vorhaben scheiterte. Warum schließen Sie nun Fusionen kategorisch aus?M&A ist bei uns kein Bestandteil der Strategie. Die Diskussion mit der TAG war ganz opportunistisch getrieben. Nach den Kursverwerfungen im Frühjahr war unser Aktienkurs deutlich schneller zurückgekommen als der der TAG. Daraufhin sind wir in Gespräche eingetreten, sind mit unseren Preisvorstellungen allerdings nicht ans Ziel gelangt. Das ist klar. Aber warum hat die LEG anschließend das Thema Fusionen kategorisch ausgeschlossen?Unsere Kernstrategie ist ganz klar Wachstum über Portfoliokäufe. Das schließt aber nicht aus, dass wir uns auch M&A-Opportunitäten ansehen. Es ist aber nicht Teil der Strategie. Eine M&A-Transaktion wäre für uns sicher ein größerer Schritt als für manche Wettbewerber, die als wesentlicher Teil ihrer Strategie regelmäßig große Akquisitionen tätigen. Neben dem Kauf von Beständen kann man natürlich auch über Neubau wachsen. Hier sagen Sie jedoch, wir wollen kein Entwicklungsgeschäft.Das ist richtig. Wir wollen kein Projektentwicklungsgeschäft kaufen. Wir sehen in diesem Geschäft höhere Risiken, außerdem braucht man dazu ganz andere Kompetenzen. Gleichwohl haben wir intern eine Projektentwicklungsgesellschaft, die sich um Nachverdichtung, aber auch den Ankauf von Grundstücken und Projekten kümmert. Das machen wir sehr aktiv, auch weil wir uns in der Verantwortung sehen, uns an der Beseitigung des Problems knapper Wohnraum zu beteiligen. Von 2023 an wollen wir jedes Jahr 500 Einheiten entweder durch Neubau oder Zukauf schlüsselfertiger Projekte neu schaffen. Die gestiegenen Immobilienpreise waren zuletzt der Knackpunkt bei Portfoliokäufen. Wie schätzen Sie die Lage ein? Beendet die Coronakrise die Preissteigerungsspirale?Das sehen wir nicht. Im Gegenteil: Gerade durch die Coronakrise sehen wir eine erhöhte Investorennachfrage nach deutschen Wohnimmobilien, teils von internationalen Investoren, teils von Versicherern und Pensionskassen innerhalb Deutschlands. Das spricht eher für einen harten Wettbewerb und weiter steigende Preise. Hinzu kommt das Zinstief, das die Immobilienbewertung befeuert. Bislang haben wir auf dem Markt auch noch keine Distressed Seller gesehen. Dennoch gibt es erste Stimmen, die vor einer Blase zumindest in einigen Großstädten warnen.Die Studie, die Sie ansprechen, betraf aber ein völlig anderes Marktsegment. Meine Aussage bezog sich auf das Marktsegment, auf das ich einen direkten Blick habe. Hier sehen wir derzeit keine Überhitzung. Wird die Situation nach vorn geblickt nicht schwieriger, wenn Sie wie im ersten Halbjahr den Bestand um 600 Mill. Euro aufwerten?Solange wir dieses extrem niedrige Zinsumfeld in Kombination mit der bereits erwähnten strukturell starken Nachfrage nach unserem Produkt sehen und es auch weiterhin, wie von uns erwartet, aufgrund der hohen Neubaupreise so gut wie kein zusätzliches Angebot gibt, sehe ich keine Bewertungsrisiken auf uns zukommen. Angesichts der niedrigen Zinsen stellt man sich natürlich auch die Frage, warum Sie zur Finanzierung der jüngsten Käufe das Kapital erhöht und nicht auf Fremdkapital zurückgegriffen haben.Das niedrige Zinsumfeld haben wir ganz aktiv für Fremdkapitalfinanzierungen genutzt. Die Portfoliokäufe haben wir mit Eigenkapital und einer Wandelanleihe, das ist ja auch Fremdkapital, finanziert. Mit einem Kupon von 0,4 % haben wir hier ganz klar von dem niedrigen Zinsumfeld profitiert. Dennoch haben wir auch das Kapital erhöht, weil uns ein konservatives Finanzierungsprofil wichtig ist. Wir müssen ja nicht nur auf eine günstige Finanzierung achten, sondern auch auf die Finanzierungsstruktur. Unser Loan-to-Value (LTV) soll sich in einem Korridor zwischen 40 und 43 % bewegen. Beim LTV bewegen Sie sich doch am unteren Rand.Das ist richtig. Das gibt uns aber auch Spielraum für weitere Zukäufe und weiteres Wachstum, das sich kurzfristig mit Fremdkapital finanzieren lässt. Wo liegt mit Blick auf den LTV bei den Investoren die Schmerzgrenze?Das ist ein vielschichtiges Thema. Ein Korridor zwischen 40 und 45 % ist ein gesundes Maß, auch wenn Aktieninvestoren womöglich eine höhere Verschuldung gutheißen würden. Für uns ist nämlich auch das Rating wichtig. Unsere “Baa1”-Einstufung wollen wir erhalten. Daher schauen wir uns neben dem LTV auch das Verhältnis der Nettoverschuldung zum operativen Ergebnis vor Abschreibungen an. Hier ist unsere derzeitige Zielgröße 10- bis 13-fach. Das behalten wir bei der Aussteuerung der Relation Fremd- zu Eigenkapital stets im Blick. Denn durch die Bestandsaufwertungen geht der LTV immer weiter nach unten, auf die Relation der Nettoverschuldung zum Ebitda hat die Aufwertung dagegen keine Auswirkung. Deswegen sind uns beide Kenngrößen wichtig. Warum sind Wandelanleihen bei Wohnimmobilienunternehmen ein so beliebtes Finanzierungsinstrument?Das liegt daran, dass die Wohnwirtschaft nach den Funds from Operations (FFO) steuert. Die niedrigen Zinszahlungen sind in dieser Hinsicht sehr vorteilhaft, im Vergleich zu normalen Anleihen erzielen wir mit Wandelanleihen erhebliche Zinsersparnisse. Nur zur Veranschaulichung: Bei der jüngsten Wandelanleihe hätten wir auf dem Bondmarkt einen Kupon von mehr als 1 % bieten müssen statt der erwähnten 0,4 %. Wie kommen Wandelanleihen bei Ihren Aktieninvestoren an? Deren Anteil wird doch bei Wandlung verwässert?Richtig ist, dass das nicht jeder Investor gutheißt. Das ist ein gemischtes Bild. Man kann aber auch nicht pauschal sagen, dass jede Wandelanleihe zu mehr Aktien führt. Während wir im vorigen Jahr die Wandlung einer Anleihe forciert haben, um die Eigenkapitalbasis zu stärken, hat ein Wettbewerber Wandelanleihen zurückgekauft. Unternehmen bietet das Instrument somit sehr viele Optionen und damit viel Gestaltungsspielraum. Das Interview führte Annette Becker.