Notiert inBerlin

Rave ins Establishment

Techno hat in der Partyhauptstadt Berlin seinen Freiheitsnimbus verloren und unterscheidet sich kaum mehr vom Establishment.

Rave ins Establishment

Notiert in Berlin

Rave ins Establishment

Von Angela Wefers

In der Partyhauptstadt Berlin und im Umland sind die Ostertage Grund zum Feiern. Das Eiertrudeln gehört im Westhavelland und in Südbrandenburg zum Ritual. Die bunten Eier müssen einen Hügel heruntergerollt werden. Gegessen werden die kaputten oder die zurückgebliebenen – je nach Regelwerk. In einem Ort nahe Kloster Lehnin geht das eigens gefertigte Schloss des bösen Zauberers Gargamel in den Flammen des Osterfeuers auf. Der etablierte Ortsteil Frohnau im Norden Berlins muss dagegen auf das Osterfeuer verzichten. Der Grund ist ein wirtschaftlicher: Der Bezirk Reinickendorf wollte weder den Müll beseitigen noch den Verkehr umleiten. Dies sei Sache der Veranstalter, teilte das Bezirksamt mit. Auf ein Kooperationsangebot habe es keine Antwort gegeben. Die Aufregung in den Sozialen Netzwerken war dennoch groß.

Auch für die in Berlin etablierte Techno-Szene sind die freien Tage zum christlichen Fest ein willkommener Anlass zum Feiern. Gestartet in Lagerhallen mit Warehouse-Partys, improvisierten Raves und illegalen Open Airs, driftet das einst wilde Freiheitsvergnügen nun ins Establishment. Auch die Raver sind in der Marktwirtschaft angekommen. Das Techno-DJ-Duo Aka Aka aus Hannes Bergheim und Holger Kampling lädt an Ostern anlässlich seines 15-jährigen Jubiläums zu einer Show nach Kreuzberg ein: Eintritt frei – so wie früher. Das ist wohl kalkuliert. Das DJ-Team will Leuten mit wenig Geld einen tollen Abend bescheren, an dem sie sich auch noch etwas an der Bar leisten können, erzählte es dem Berliner Tagesspiegel im Interview. Viele Techno-Fans sollen sich die Eintrittspreise in den Clubs, die mit Inflation und Energiepreisexplosion emporgeschnellt sind, nicht mehr leisten können.

Marktstudie bei Fans

Aka Aka schoss aber nicht ins Blaue, sondern machte erst einmal unter den Fans eine Umfrage zur Zahlungsbereitschaft. Man könnte es auch Marktstudie nennen. Eine Mehrheit wäre demnach bereit, 20 bis 30 Euro zu zahlen. Einige gaben sogar 30 bis 40 Euro an, während es für einige andere gar nichts kosten sollte. Benötigt wird nun für den freien Eintritt ein Passwort, das die Feierlustigen nach Anmeldung beim Newsletter des DJ-Duos erhalten. Ein Schelm, wer dabei denkt, Raver würden mit Daten zahlen. Aber auch in einem anderen Punkt ist die Szene im richtigen Leben angekommen: In diesem Februar gründeten Beschäftigte aus Berliner Techno-Clubs eine Gewerkschaft. Die „Berliner Clubarbeitenden Gewerkschaft“ tritt für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne ein. Nicht zuletzt soll Techno auch einen Platz im Subventionsdschungel auf Steuerzahlerkosten finden. Damit Clubs nicht sterben, müsse Kultur von außen gefördert werden, ist Aka Aka überzeugt. Dann wären kostenlose Raves häufiger möglich. Die Zauberschlossverbrennung in Trechwitz ist übrigens kostenfrei. Der Freizeit- und Jugendverein freut sich über eine Spende.

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