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Mit dem Wasserstoff-Flugzeug in die Zukunft

Von Gesche Wüpper, Paris Börsen-Zeitung, 24.9.2020 Neue Reisebeschränkungen und durch die Coronavirus-Krise ausgelöste Stellenabbaupläne beherrschen derzeit die Schlagzeilen in der Luftfahrtindustrie - auch im Falle Airbus. Der Flugzeugbauer denkt...

Mit dem Wasserstoff-Flugzeug in die Zukunft

Von Gesche Wüpper, ParisNeue Reisebeschränkungen und durch die Coronavirus-Krise ausgelöste Stellenabbaupläne beherrschen derzeit die Schlagzeilen in der Luftfahrtindustrie – auch im Falle Airbus. Der Flugzeugbauer denkt jedoch nicht nur an die kurzfristigen Folgen der Pandemie, sondern auch an die Herausforderungen, vor denen die Branche langfristig steht. Dazu gehört eine bessere Umweltverträglichkeit, denn immerhin liegt der Anteil der Luftfahrt an den weltweiten CO2-Ausstößen bei 2,8 %. Eine neue Studie schätzt, dass sie insgesamt 3,5 % zur globalen Erderwärmung beiträgt. Die Branche arbeitet deshalb an alternativen Antrieben, Biotreibstoffen und klimaoptimierten Routen. Airbus will bei dem Thema nachhaltiges Fliegen eine Führungsrolle übernehmen. Nachdem der europäische Flugzeugbauer deshalb bisher vor allem auf elektrische Flugzeuge setzte, hat er sich nun das Ziel gesetzt, 2035 das erste klimaneutrale, emissionsfreie Wasserstoffflugzeug in Betrieb zu nehmen.15 Jahre, das klingt zunächst nach einer langen Zeit. Doch tatsächlich ist der Zeitplan gemessen an den Entwicklungszyklen der Branche ziemlich ehrgeizig. Denn bis ein mit Wasserstoff betriebenes Flugzeug tatsächlich in Dienst gestellt werden kann, müssen etliche Herausforderungen gemeistert werden. Dazu gehört etwa die Frage, wie sich Wasserstoff in großen Mengen umweltfreundlich und zu günstigen Preisen herstellen lässt. Zur Herstellung von Wasserstoff muss nämlich zunächst mit großem Energieaufwand Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten werden. Dies ist jedoch nur umweltfreundlich, wenn dazu Strom ohne oder mit nur minimalen Treibhausgasemissionen verwendet wird, also zum Beispiel aus Sonne oder Wind. Nichts für EinzelkämpferZudem ist das Volumen von Wasserstoff selbst in flüssiger Form noch viermal größer als das von Kerosin. Flüssig ist Wasserstoff jedoch erst ab – 253 Grad Celsius. Für eine akzeptable Menge müsse er unter hohem Druck stark komprimiert werden, erklärt Airbus-Technologiechefin Grazia Vittadini. All das führt dazu, dass sich die Form der Tanks, ihre Positionierung und die gesamte Form von Flugzeugen verändern werden. Gleichzeitig fehlt bisher am Boden die für einen breiteren Einsatz von Wasserstoffflugzeugen notwendige Infrastruktur. So müssen Flughäfen mit entsprechenden Vorrichtungen für den Transport und die Betankung ausgestattet werden. Airbus werde dies alles nicht allein meistern können, gibt Vittadini zu. Die Designstudien, die Airbus gerade zu dem Thema vorgestellt hat, seien auch dazu gedacht, Industrie und wissenschaftlichen Einrichtungen einen Anstoß zu geben. Zusammen mit dem Triebwerkshersteller Safran, ihrem Gemeinschaftsunternehmen Ariane Group und dem französischen Luftfahrtforschungsinstitut Onera forscht Airbus bereits seit Anfang des Jahres zum Einsatz von Wasserstoff in der Luftfahrt. Frankreichs Regierung hat der heimischen Luftfahrtindustrie zudem im Juni bei der Vorstellung eines 15 Mrd. Euro schweren Hilfsprogramms das Ziel vorgegeben, bis 2035 ein CO2-neutrales Flugzeug zu entwickeln und für 2035 den Wechsel zu Wasserstoffantrieb vorzubereiten. Sie will in den nächsten drei Jahren 1,5 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung von umweltfreundlichen Technologien in der Luftfahrt investieren, Deutschland 1 Mrd. Euro. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hat zudem Anfang des Monats einen Plan zur Förderung von Wasserstofftechnik im Umfang von 7 Mrd. Euro angekündigt.Ausschlaggebend für das Erreichen der ehrgeizigen Ziele sei die Unterstützung von staatlicher Seite, erklärte der europäische Flugzeugbauer nun, als er seine drei Konzepte für Wasserstoffflugzeuge präsentierte. Denn die notwendigen Gesamtinvestitionen dafür könnten sich auf rund 20 Mrd. Euro belaufen. Da Airbus wie die gesamte Branche unter den Folgen der Covid-19-Pandemie leidet, muss der Konzern nun Politik und andere industrielle Partner mobilisieren. Airbus hat im ersten Halbjahr einen Nettoverlust von 1,9 Mrd. Euro und einen freien Bargeldmittelabfluss vor Akquisitionen, Fusionen und Kundenfinanzierungen in Höhe von 12,4 Mrd. Euro verbucht. Der Flugzeugbauer will nun 15 000 Stellen abbauen und die Produktion in den nächsten zwei Jahren um 40 % senken.Trotzdem muss Airbus nun die Weichen für die Zukunft stellen und die Forschung zu den drei Wasserstoff-Konzeptflugzeugen mit dem Codenamen Zero E vertiefen. Dazu gehört ein Turboprop-Modell mit modifizierten Gasturbinentriebwerken, einer Reichweite von bis zu 1 850 Kilometern und Platz für bis zu 100 Passagiere sowie ein Turbofan-Modell mit modifizierten Mantelstromtriebwerken, einer Reichweite von 3 700 Kilometern und Platz für 120 bis 200 Passagiere. Das am futuristischsten anmutende Konzept ist der sogenannte Blended Wing Body, eine Art fliegender Flügel, der dieselbe Reichweite wie das Turbofan-Modell und Platz für bis zu 200 Passagiere haben soll. Zum Vergleich: Die neumotorisierten Modelle der A320-Familie können bis zu 7 400 Kilometer weit fliegen. “Mit diesen Konzeptflugzeugen zielen wir nicht darauf ab, Nachfolger für existierende Flugzeuge zu finden”, sagt Airbus-Chefingenieur Brice Dumont. Der politische und gesellschaftliche Druck habe als Beschleuniger für Wasserstoff gewirkt, räumt er ein. Erste Ergebnisse der Arbeit an den drei Konzepten sollen nächstes Jahr vorliegen. 2025 dann will Airbus eine der Technologien auswählen. Der Startschuss für ein offizielles Programm könnte 2028 erfolgen.