SERIE IAA NUTZFAHRZEUGE: NUTZFAHRZEUGE AUF GLOBALEM KURS (10 UND SCHLUSS)

Nach der Durststrecke kommt der Optimismus

Tiefe Rezession hat dem russischen Lkw-Markt schwer zugesetzt - Seit März dieses Jahres geht es wieder leicht bergauf

Nach der Durststrecke kommt der Optimismus

Wie der Pkw-Markt ist auch das Lkw-Geschäft in Russland in den vergangenen Jahren regelrecht eingebrochen. Auf dem jetzt erreichten niedrigen Level scheint sich eine leichte Erholung abzuzeichnen, getragen von der allgemeinen Konjunktur. Offen ist, ob die Erholung von Dauer sein wird.Von Eduard Steiner, MoskauOptimismus ist in Russland eine ziemlich relative Kategorie. Vor allem nach zwei Jahren Rezession muss es nicht sonderlich verwundern, wenn in letzter Zeit vermehrt eine Wende in der gesamtwirtschaftlichen Situation kolportiert wird. Dies umso mehr, als angesichts der vorgezogenen Parlamentswahlen am 18. September eine positive Stimmung erzeugt werden sollte. Gewisse ErholungUnd so haben Staatschef Wladimir Putin und Premierminister Dmitri Medwedjew dieser Tage unisono festgehalten, dass sich die Wirtschaft stabilisiert habe und – so Medwedjew – sogar sukzessive erhole. Ob das Gesamtjahr 2016 freilich bereits ein Wachstum aufweisen wird, ist vorerst höchst umstritten und eher unwahrscheinlich. Die Schrumpfung des BIP ist im zweiten Quartal immerhin auf – 0,6 % von – 1,2 % im Vorquartal zurückgegangen. Und die jüngsten Daten deuten auf eine Überwindung der Rezession in den Sommermonaten hin. Aber was folgt, sei eine Stagnation, die Jahre dauern könne, mahnte Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew kürzlich zur Nüchternheit. Das jährliche Wachstumspotenzial bis zum Ende des Jahrzehnts liegt laut Internationalem Währungsfonds bei 1,5 %.Der relative und höchst vage Optimismus hinsichtlich der russischen Makroökonomie spiegelt sich auch auf dem Lkw-Markt. Zumindest was das Segment der über 14-Tonner betrifft, so haben die Verkäufe in den ersten sieben Monaten des Jahres gegenüber dem Vergleichszeitraum 2015 um 24 % auf 21 300 Stück zugenommen. “Beobachtet man die Dynamik des Lkw-Marktes im Land, so kann man den vorsichtigen Schluss ziehen, dass er sich seit März langsam erholt”, meint Sergej Kogogin, Chef des russischen Herstellers und Platzhirschs Kamaz.Sein Unternehmen hält in diesem Segment bei mittlerweile 61 % Marktanteil 7 Prozentpunkte mehr als noch ein Jahr zuvor. Kamaz profitiert – gleich wie der einheimische Konkurrent GAZ und der in der gemeinsamen Zollunion befindliche weißrussische Produzent MAZ – von der Abwertung des russischen Rubel, die den Import empfindlich verteuert und den einheimischen Produzenten so einen deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den ausländischen verschafft. Im ersten Halbjahr hat Kamaz seinen Verlust dennoch auf 1,93 Mrd. Rubel (26,5 Mill. Euro) verdreifacht.Statistisch jedenfalls profitieren derzeit alle vom Basiseffekt. In Wahrheit nämlich war der Markt in den vergangenen Jahren völlig zusammengebrochen. Waren im Jahr 2012 noch 105 000 Stück an über 14-Tonnern verkauft worden, so zwei Jahre später nur noch 66 000 und im Vorjahr überhaupt lediglich 36 000 Stück. Der Ölpreisverfall und die westlichen Sanktionen hatten im Verein mit der strukturellen Wirtschaftskrise im Vorjahr zu einer Kontraktion des BIP um 3,7 % geführt und dem Staat gleichermaßen wie privaten Unternehmen jeglichen Spielraum für Investitionen genommen. Der Einzelhandel erlahmte, die Bauindustrie war um knapp 10 % geschrumpft, die Nachfrage nach Lastkraftwagen entsprechend gesunken.Seit März beginne sich die verzögerte Nachfrage auszuwirken, betont Wladimir Bespalow, Analyst der Investmentbank VTB Capital, gegenüber der russischen Wirtschaftszeitung “Wedomosti”: Wegen des hohen Verschleißgrades sei man jedenfalls früher oder später zur Erneuerung des Fuhrparks genötigt. Die Zeit dafür sei derzeit sehr geeignet, weil auch die staatlichen Unterstützungsprogramme wirken würden. Schwer-Lkw positivZeigte das Segment der über 14-Tonner in den ersten sieben Monaten also eine positive Dynamik, so das Segment der neuen Lkw über sechs Tonnen im selben Zeitraum zumindest keine stark negative mehr. Unter dem Strich ging der Verkauf von neuen Lkw in diesem Segment um 2,6 % auf 25 769 Stück zurück, obwohl im Juli ein Plus von 10 % verzeichnet wurde, wie der maßgeblichen Statistik der Branchenagentur Russian Automotive Market Research (NAPI) zu entnehmen ist.Damit hält sich der Lkw-Markt besser als der Markt für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge (LCV), der in den ersten acht Monaten des Jahres um 14,9 % schrumpfte und im August um 18 % einbrach, was sich allerdings mit den währungskursbedingt relativ starken Verkaufszahlen im August 2015 erklärt, wie die Statistik der Association of European Businesses in Russia zeigt.Zurück zu den neuen Lkw über sechs Tonnen: Hier hatten so gut wie alle in- und ausländischen Hersteller leichte Einbußen zu verzeichnen, einziger Gewinner war auch in diesem Segment Kamaz, die gemeinsam mit den anderen inländischen und weißrussischen Herstellern drei Viertel des russischen Marktes für neue Lkw hält. Bester ausländischer Spieler ist übrigens MAN mit einem Marktanteil von 3,78 % vor der ebenfalls zum Volkswagen-Konzern gehörenden Scania (3,59 %).Die Tendenz zu einheimischen Produzenten auf Kosten der ausländischen ist das eine. Der Trend zum Billig-Lkw das andere. Haben Billig-Lkw in den ersten sieben Monaten des Vorjahres noch 69,23 % aller neu verkauften Lkw ausgemacht, so dieses Jahr bereits 75,68 %.Dazu passt die anhaltende Dominanz der Gebraucht-Lkw gegenüber den neuen. Laut NAPI ging der Verkauf von gebrauchten Lkw der über Sechs-Tonner in den ersten sieben Monaten des Jahres zwar auch zurück. Mit einem Minus von 2,5 % aber wurden trotzdem immer noch 159 602 Gebraucht-Lkw verkauft. Immerhin ist die Übermacht der einheimischen Produzenten bei Gebraucht-Lkw nicht derart hoch und hält sich bei gut 50 %. Bezeichnenderweise konnten die meisten ausländischen Hersteller den Verkauf ihrer Gebraucht-Lkw steigern. Nur MAN musste in den ersten sieben Monaten einen Rückgang um 17 % auf 7 982 Stück verkraften.Die Aussichten für die russische Wirtschaft in den kommenden Jahren sind – wie eingangs erwähnt – alles andere als rosig. Dennoch trägt sich etwa Kamaz mit dem Plan, den Verkauf ihrer Lkw bis 2020 auf 60 000 bis 70 000 Stück mehr als zu verdoppeln. Der Konzern rechnet überdies damit, dass der Exportanteil am Verkauf bis dahin von derzeit unter 20 % auf 20 bis 30 % gehoben wird. Die Dynamik im ersten Halbjahr zeigte in diese Richtung. Konzernangaben zufolge wurde der Export um 16 % gesteigert – und zwar dank zunehmender Verkäufe in arabischen und afrikanischen Ländern. Sie würden die Absatzschwächen auf dem GUS-Markt kompensieren, hieß es. Produktion im LandDie patriotische Welle hin zu “Made in Russia”, die sich seit der Krim-Annexion und den anschließenden Verwerfungen mit dem Westen erhob, veranlasst auch ausländische Produzenten, vermehrt in Russland selbst zu produzieren. Dazu kommt der schwache Rubel, der Grundstücke und Anlagen signifikant verbilligte und den Export aus Russland attraktiv macht. Vor einem Monat hat etwa der japanische Hersteller Isuzu mitgeteilt, die Produktion in Russland bis zu 5 000 Stück zu verdoppeln. Russland müsste beizeiten der führende Automarkt Europas werden, sagte ein Isuzu-Vertreter gegenüber Journalisten.—-Zuletzt erschienen:- Tata, Ashok Leyland und Eicher, 16. September- Dongfeng, FAW und Sinotruk, 15. September