TUI

Nagelprobe

Große Zahlen liegen auf dem Tisch: Im Coronajahr 2020 sind die Erlöse der Tui erdrutschartig weggebrochen; die Folge sind turmhohe Verluste von über 3 Mrd. Euro. Das einzige dicke Pluszeichen steht vor dem gigantischen Schuldenberg von netto 6,4...

Nagelprobe

Große Zahlen liegen auf dem Tisch: Im Coronajahr 2020 sind die Erlöse der Tui erdrutschartig weggebrochen; die Folge sind turmhohe Verluste von über 3 Mrd. Euro. Das einzige dicke Pluszeichen steht vor dem gigantischen Schuldenberg von netto 6,4 Mrd. Euro. In dieser Lage muss der Reisekonzern dringend benötigtes frisches Eigenkapital einwerben, und das verbunden mit der aktuellen Botschaft, dass angesichts einer miserablen Buchungslage für die Wintersaison kurzfristig keine Besserung in Sicht ist.Der gewünschte Vertrauens- “Vorschuss” der Aktionäre ist da kein Selbstläufer, auch wenn der Bezugspreis von 1 Euro je Aktie fraglos attraktiv ist. So deutet der Antrag des größten und kapitalkräftigsten Aktionärs Alexej Mordaschow, von einem Pflichtangebot an den Streubesitz befreit zu werden, falls er im Zuge der anstehenden Kapitalerhöhung mit seinem Anteil die 30-Prozent-Schwelle überschreiten sollte, darauf hin, dass sich die Bereitschaft der restlichen Aktionäre, jetzt frisches Geld in die Tui zu stecken, offenbar in Grenzen hält.Dabei mag eine Rolle spielen, dass sich der russische Milliardär mit einem Stützungsbeitrag leichter tut als etwa die Hotelfamilie Riu, deren Bindung zur Tui zwar Jahrzehnte alt ist, die aber ihre finanziellen Reserven derzeit primär für ihre eigenen Belange mobilisieren muss. Und natürlich hat Mordaschow den dicksten Brocken im Feuer, während der Streubesitz eher geneigt sein könnte, seine Verluste zu minimieren – und andernorts zu investieren.Denn die Flucht aus der Tui-Aktie, die von zahlreichen Verkaufsempfehlungen orchestriert wird, ist offensichtlich kein Misstrauensvotum für den gesamten Sektor. Sie hinterfragt das integrierte Geschäftsmodell des Reiseriesen, mit hoher Kapitalbindung in Hotels, Schiffe und Flugzeuge, die leer nur Geld kosten. Dagegen überzeugt die schlanke Geschäftsidee des Kult-Start-ups Airbnb, die gänzlich ohne Kapitalbindung auskommt, offenbar auch in der schwersten Krise der Branche mühelos. Beim IPO war die Nachfrage so groß, dass der Vermittler von Privatunterkünften seinen Kurs am ersten Handelstag zu Beginn mehr als verdoppeln konnte und über 100 Mrd. Dollar Marktwert erzielte.Dabei ist Airbnb nicht nur bilanziell schlank, sondern bietet auch darüber hinaus ein Kontrastprogramm. Die Amerikaner setzen voll auf den Trend zum Individualtourismus, während beim Geschäftsmodell der Tui die Pauschalreise im Zentrum steht. Sie sollte als betreute Reiseform gerade in Krisenzeiten ihre Meriten haben, aber diesen Beweis ist der Konzern den Investoren noch schuldig.