Neben Minenbetreibern profitieren vor allem China und Russland von der Gold-Hausse
China und Russland profitieren stark von Gold-Rally
Autokratien sind größte Produzenten – Branchenprimus Newmont zieht durch Übernahmen Barrick davon – Analysten erwarten weiter steigende Ergebnisse
Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt
Gold eilt von Rekordhoch zu Rekordhoch. Seit Februar 2024, als der Preis für eine Feinunze das letzte Mal unter 2.000 Dollar lag, ist der Wert um 84% auf zuletzt rund 3.667 Dollar gestiegen. Allein seit Jahresanfang liegt das Plus bei 40%. Neben den Anlegern, die zu niedrigeren Kursen z.B. in physisches Gold (Barren und Münzen) oder Wertpapiere (u.a. Exchange-Traded Commodities, Goldfonds und -minenaktien) investiert hatten, gehören die großen Produktionsländer und -unternehmen zu den Hauptprofiteuren der Hausse.
Etwa die Hälfte der weltweiten Goldnachfrage kommt aus der Schmuckbranche. Zwischen 20 und 25% entfallen in der Regel jeweils auf die Investmentbranche und Zentralbanken. Den geringsten Anteil mit weniger als 10% macht der Verbrauch zu industriellen Zwecken aus.
Unsicherheit ist der zentrale Grund für die Hausse
Der Grund für die Gold-Hausse lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Unsicherheit. Das Vertrauen in die USA schwindet immer mehr, und der Zusammenhalt in der EU ist kümmerlich; zudem ist die Fiskalpolitik in Europa kurzsichtig und steuert in Ländern wie Frankreich und Italien auf ein Desaster zu. Die globale Wachstumsflaute und Sorgen vor wieder steigender Inflation bei tendenziell sinkenden Zentralbankzinsen – was zur gefürchteten Stagflation führen würde – treiben Investoren in die Edelmetalle. Zudem treten Notenbanken zunehmend als Käufer auf dem Goldmarkt auf.
Der jüngste Anstieg geht zum Teil aber auch auf die charttechnische Analyse zurück: Der Goldpreis ist vor zwei Wochen aus einer mehrmonatigen Konsolidierungszone nach oben ausgebrochen, was Investoren und Spekulanten zu weiteren Käufen motivierte.
Kriegsgewinnler
Nach Angaben von Statista wurden 2024 weltweit rund 3.250 Tonnen Gold produziert. Das meiste Gold wird demnach in China gefördert. Die Förderung in dortigen Minen erreichte laut dem Statistikportal ein Volumen von rund 380 Tonnen. An zweiter Stelle folgt Russland mit 310 Tonnen. Dass ausgerechnet diese zwei von Autokraten gelenkten Länder am stärksten vom Goldpreisanstieg profitieren, ist beißend ironisch. Die politische Führungen in Peking und Moskau verfolgen aggressiv und im Falls Russlands offen mit militärischen Mitteln das Ziel, die Grenzen des eigenen Territoriums auszudehnen und ihre politische und wirtschaftliche Einflussnahme auf der ganzen Welt zu stärken. So sind die Folgen des Angriffs Russlands auf die Ukraine für Geopolitik und Weltwirtschaft eine wesentliche Ursache der Gold-Rally; dazu gehören hohe Inflation, Wachstumsschwäche und anhaltend große Verunsicherung.

Hinter den beiden führenden goldproduzierenden Ländern rangieren die üblichen Verdächtigen: Australien (290 Tonnen), Kanada (200 Tonnen) und die USA (160 Tonnen). Südafrika, über 100 Jahre lang bis 2006 der größte Goldproduzent der Welt, kam 2024 als Zehntplatzierter – gleichauf mit Indonesien und Peru – nur noch auf 100 Tonnen. Dennoch schaffen es drei Goldminenbetreiber vom Kap der guten Hoffnung – Anglogold Ashanti, Gold Fields und Harmony Gold – unter die Top Ten der größten Produzenten. Seit vielen Jahren gibt es hier immer wieder in unterschiedlichen Konstellationen Fusionsgerüchte und -versuche, doch sind entsprechende Gespräche bislang stets ergebnislos geblieben.

Auf der anderen Seite ist bemerkenswert, dass Usbekistan und Kasachstan – zwei ehemalige Sowjetrepubliken – unter den förderstärksten Ländern zu finden sind. Die Gewinne aus dem Goldgeschäft dieser GUS-Mitglieder streicht letztlich der Staat ein. So ist die Navoi Mining and Metallurgical Company (NMMC) aus Usbekistan vollständig im Staatsbesitz und verkauft fast ihre gesamte Förderung an Gold an die Zentralbank des Landes „mit garantierter Abnahme zum Marktpreis“, wie NMMC betont. Das größte Industrieunternehmen des Landes, das sich als Dreh- und Angelpunkt („lynchpin“) der usbekischen Wirtschaft bezeichnet, habe im vorigen Jahr 16,7% zum Staatshaushalt beigetragen.
Flaggschiff der russischen Goldproduzenten ist Polyus – vor der Abspaltung 2006 eine Tochter von Norilsk Nickel. Der Minenbetreiber steigerte die Goldproduktion im vorigen Jahr um 7% auf rund 3 Mill. Unzen, obwohl Polyus wie viele andere Unternehmen des Landes von westlichen Sanktionen betroffen ist.
Seit vielen Jahren Erzrivalen
Seit vielen Jahren unangefochten an der Spitze der größten Goldproduzenten liegen Newmont und Barrick Mining (früher: Barrick Gold). In ihrer Wachstumsstrategie unterscheiden sich die beiden Goldschürfer aber gravierend: Während Newmont Übernahmen von Wettbewerbern ausdrücklich als Teil des Geschäft versteht – so hatte Newmont 2023 den australischen Rivalen Newcrest Mining für 17,8 Mrd. Dollar gekauft –, weist der CEO von Barrick, Mark Bristow, Forderungen nach großen Akquisitionen, durch die der Abstand zur davongeeilten Newmont wieder verringert werden könnte, seit Jahren zurück. Die Konzernführung werde sich auch künftig auf organisches Wachstum konzentrieren, heißt es.
Minen-Joint-Venture statt Fusion
Allerdings stand Barrick Großfusionen nicht immer ablehnend gegenüber: 2019, zu Beginn von Bristows Zeit als CEO, hatten die Kanadier den US-Amerikanern eine Verschmelzung vorgeschlagen; dies hätte den mit Abstand weltgrößten Goldproduzenten geschaffen. Newmont lehnte das Angebot aber ab, unter anderem wegen der damals laufenden Übernahme der kanadischen Goldcorp; das Unternehmen gehörte damals zu den größten Goldminenbetreibern weltweit. Nach Vollzug der Goldcorp-Übernahme wurde die Firma zunächst in Newmont Goldcorp umbenannt, später in Newmont Mining und zuletzt in Newmont.
Dennoch blieben die gescheiterten Fusionsgespräche zwischen den beiden Branchenriesen Newmont und Barrick nicht folgenlos, denn sie führten 2019 zu einem wichtigen Joint Venture: Am Gemeinschaftsunternehmen Nevada Gold Mines, dem weltweit größten Goldförderkomplex, ist die kleinere Barrick seither mit 61,5% und Newmont mit 38,5% beteiligt.
An der Börse 86 Mrd. und 50 Mrd. Dollar schwer
Im direkten Vergleich der Finanzkennziffern von Newmont und Barrick ergeben sich – abgesehen von der Marktkapitalisierung – für 2025 kaum nennenswerte Unterschiede. Doch mit Blick auf das nächste Jahr werden Barrick von den Analysten wesentlich größere Ergebnisfortschritte unterstellt.
Branchenführer Newmont ist an der Börse rund 86 Mrd. Dollar schwer; Barrick bringt es auf etwa 50 Mrd. Dollar. Die Kurse beider Unternehmen bewegen sich auf langjährigen Hochs – was angesichts der Gold-Hausse zunächst nicht verwundert, doch bis Anfang dieses Jahres hinkten die Notierungen der meisten Minenbetreiber der Performance von Gold weit hinterher. Grund waren vor allem die stark steigenden Kosten für Energie, Ausrüstung und Personal.
Barrick-Aktie erscheint günstiger
Auf Basis der von Bloomberg ermittelten Analystenkonsensprognose kommen sowohl Newmont als auch Barrick 2025 auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14,4. Doch während für Newmont nur eine leichte Verbesserung im nächsten Jahr auf 14,0 vorausgesagt wird, schneidet Barrick gemäß den Schätzungen mit 11,5 deutlich besser ab. Auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis der beiden Unternehmen – das sich sonst kaum verändert – wird sich dank der gestiegenen Ressourcenbewertungen deutlich verbessern; bei Newmont von 2,5 auf 1,9 und bei Barrick von 1,9 auf 1,6.
Einen gewissen Widerspruch gibt es in den Kommentaren der Research-Häuser. Nach Angaben von Bloomberg lautet das durchschnittliche Anlageurteil für Newmont und Barrick auf Grundlage von jeweils zwei Dutzend Analystenempfehlungen „Kaufen“. Doch die durchschnittlichen Kursziele liegen mit 74,30 Dollar für Newmont und 27,42 Dollar für Barrick auf Höhe der aktuellen Notierungen. Offensichtlich sind die Kurse der beiden Goldschürfer zuletzt so schnell gestiegen, dass nun entweder die Anlageempfehlungen oder die Kursziele einer Aktualisierung bedürfen. Von ihren historischen Hochs sind die zwei Minenaktien jedenfalls immer noch weit entfernt: 2022 kostete eine Newmont-Aktie zeitweise über 85 Dollar, und die Papiere von Barrick lagen 2010 und 2011 sogar oberhalb von 50 Dollar; also etwa 40% über dem jetzigen Kurs.
Der Goldpreis hat Rekordhöhen erklommen. Davon profitieren China und Russland als größte Produzenten sowie Minenbetreiber wie die US-amerikanische Newmont und die kanadische Barrick. Durch große Übernahmen ist Newmont dem Rivalen enteilt, doch weist Barrick die stärkere Gewinndynamik auf.