IM BLICKFELD

Nervenkrieg um Celesio

Von Gerhard Bläske, Stuttgart Börsen-Zeitung, 18.12.2013 Die Celesio-Aktie hat an den vergangenen Handelstagen knapp unter 23 Euro notiert - das ist der Wert, den der US-Großhandelskonzern McKesson für den Stuttgarter Pharmagroßhändler geboten hat....

Nervenkrieg um Celesio

Von Gerhard Bläske, StuttgartDie Celesio-Aktie hat an den vergangenen Handelstagen knapp unter 23 Euro notiert – das ist der Wert, den der US-Großhandelskonzern McKesson für den Stuttgarter Pharmagroßhändler geboten hat. Für Analyst Ulrich Huwald von Warburg Research ist das Ausdruck der gestiegenen Wahrscheinlichkeit, dass der Deal scheitern könnte. Denn das Übernahmeangebot ist an die Bedingung geknüpft, dass 75 % der Aktionäre zustimmen. Nur dann hätten die Amerikaner Zugriff auf den Cash-flow und weitgehende strukturelle Eingriffsmöglichkeiten. Zwar haben sie sich den Anteil von 50,01 % des bisherigen Großaktionärs Haniel sowie die Unterstützung von Vorstand und Aufsichtsrat gesichert. Doch durch den Einstieg des Hedgefonds Elliott, der 25,16 % der Stimmrechte bzw. unter Berücksichtigung der Wandelanleihe 22,7 % kontrolliert, sind die 75 % kaum zu erreichen. Huwald bleibt deshalb bei seiner Verkaufsempfehlung. Die Anteilseigner könnten so starke Kursgewinne einsacken – McKesson bietet eine Prämie von 39 % gegenüber dem volumengewichteten Durchschnittskurs der drei Monate vor Beginn der Übernahmespekulationen am 8. Oktober – und das Risiko eines Kurssturzes durch ein Scheitern umgehen.Wenn es jedoch mit normalen Dingen zugeht, dann sollte die Übernahme Celesios klappen. Elliott ist bekannt dafür, durch solche Störmanöver noch einen Aufschlag zu erhalten. Das ist gewissermaßen das Geschäftsmodell von Fondschef Paul Singer, der weder die Mittel noch die Managementkapazitäten hat, ein Unternehmen wie Celesio zu führen. Elliott hat etwa 1,2 Mrd. Euro investiert und dürfte auf einen satten Gewinn spekulieren. Im Normalfall würde McKesson die Offerte um 1 oder 2 Euro aufstocken und alle wären zufrieden. Im Normalfall!Danach sieht es derzeit nicht aus. Elliott hat die Latte sehr hoch gelegt und sieht den angebotenen Preis als “substanziell zu niedrig” an. “Entweder der Preis wird erhöht, oder wir suchen gemeinsam mit dem Großaktionär Haniel einen neuen Käufer”, sagt der zuständige Portfoliomanager von Elliott. Doch weder Huwald noch andere Analysten sehen viel Spielraum und betrachten das vorliegende Angebot als “attraktiv”. Die LBBW kommt bei einer Bewertung nach der Discounted-Cash-flow-Methode auf 18,80 Euro je Aktie. Frage der AlternativenDer Deal könnte also scheitern, doch welche Alternativen gibt es dann für Celesio? Zunächst einmal läuft eine Angebotsfrist bis zum 9. Januar. Kommt McKesson bis dahin nicht auf die angepeilten 75 %, können die Amerikaner ihre Anteile problemlos an Haniel zurückgeben. Dann wäre Haniel, die die Anteile wegen der hohen Verschuldung abgeben will, aber auch Elliott, als starker Großaktionär, am Zug. Der Aktienkurs würde jedenfalls zunächst einmal drastisch einbrechen.Hat Elliott die Nerven, das durchzuhalten? Der Investor spricht von mehreren Interessenten und der Möglichkeit, schon bis zum Ende des zweiten Quartals 2014 eine Lösung zu finden. Der Wert könne jedoch auch anders maximiert werden: durch die Veräußerung allein des Großhandelsgeschäfts an einen strategischen Investor wie Cardinal Health oder CVS Caremark, mit denen Haniel/Celesio angeblich auch Gespräche geführt hatte. Die Apothekensparte könne separat an einen Finanzinvestor verkauft werden, so Elliott. Doch Celesio, die sich auf dem “Weg der Besserung” befinde, könne auch allein weitermachen.Vorstand und Aufsichtsrat haben all diese Möglichkeiten nach eigenen Angaben geprüft. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass allein der Komplettverkauf an einen strategischen Investor, nämlich an McKesson, dauerhafte Perspektiven biete.Analyst Huwald hält eine Aufspaltung und einen separaten Verkauf der beiden Geschäftsbereiche zwar für möglich. Doch er gibt zu bedenken, dass im Zuge der Restrukturierung des Unternehmens viele Doppelfunktionen zwischen beiden Bereichen zusammengeführt wurden, um durch eine bessere Verzahnung effizienter zu werden. Das alles müsste rückgängig gemacht werden, was Zeit und Geld kostet. In dieser Zeit wäre außerdem die Entwicklung von Celesio blockiert, denn weitreichende strategische Entscheidungen könnten in einer solchen Phase wohl kaum getroffen werden.Hinzu kommt, dass ein Unternehmen in einer solch unruhigen Phase in der ohnehin von Rabattschlachten geprägten Branche auch geschäftlich nicht sonderlich stark wäre. Die Umsetzung des europäischen Apothekennetzwerkes, das zentrale strategische Anliegen der Geschäftsführung, könnte wohl kaum mit der notwendigen Dynamik vorangetrieben werden. Der unter dem früheren Celesio-Chef Markus Pinger begonnene personelle Aderlass, den seine Nachfolgerin Marion Helmes teilweise gestoppt bzw. umgedreht hatte, würde vermutlich deutlich zunehmen.Bliebe eine Stand-alone-Position für Celesio. Das wäre im Prinzip eine Fortsetzung der bisherigen Politik und für das Unternehmen kurz- und mittelfristig keine Katastrophe. Als globaler Spieler wäre Celesio dann aber wohl auf Dauer weg vom Fenster. Denn Haniel will ja raus und wäre nicht bereit zu investieren. Elliott ist auch kein strategischer Investor. Der Schwenk bei Celesio zu dem geplanten Bündnis mit McKesson erfolgte ja nicht nur, weil Haniel aussteigen wollte, sondern auch weil es in der Branche große Veränderungen gibt. Nachdem die amerikanische Walgreens den Konkurrenten Alliance Boots übernommen hatte, kam Bewegung in den Markt. Durch den Zusammenschluss mit McKesson ließen sich vor allem durch globalen Einkauf, eine Steigerung der Effizienz der Lieferkette und ein breiteres Angebot an innovativen Technologien und Service große Einsparungen in einem wettbewerbsintensiven Markt erzielen, auch wenn sich diese nur auf einen Teil des Geschäfts, vor allem rezeptfreie Arzneien und Gesundheitsprodukte, beziehen sollten. McKesson beziffert mögliche Synergien auf jährlich 275 bis 325 Mill. Dollar, was konservativ gerechnet sein dürfte. Wie stark dieses Argument ist, zeigt die kürzlich beschlossene Kooperation von CVS Caremark und Cardinal Health, die sich aber nur auf die USA bezieht. Haniel und Elliott unter DruckDie industrielle Logik spricht also relativ deutlich für die Annahme der vorliegenden Offerte. Ein Scheitern wäre für McKesson nicht so problematisch. Den Amerikanern entginge lediglich eine attraktive Wachstums- möglichkeit. Für Elliott und Haniel wäre es schwieriger, denn der Aktienkurs würde einbrechen und man müsste Alternativen finden. Am Ende ist es ein Nervenspiel, bei dem offen ist, wer zuerst nervös wird. Nicht ausgeschlossen, dass Elliott das Projekt gar nicht verhindern will und gegebenenfalls aus einer Position des starken und unbequemen Minderheitsaktionärs auf eine Abfindung spekuliert. Genaueres weiß man erst am 9. Januar, womöglich in den letzten Handelsminuten des Tages.