Nestlé erteilt EQT für 10 Mrd. Dollar den Zuschlag
Nestlé-Chef Mark Schneider drückt beim Konzernumbau aufs Tempo. Der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern will die Hautpflege-Sparte Skin Health – künftig Galderma – an ein Konsortium unter der Führung des europäischen Finanzinvestors EQT verkaufen. Die Bewertung liegt bei gut 10 Mrd. Dollar.Von Walther Becker, Frankfurt Kurz nach dem Scheitern des mit Scout24 größten geplanten Buy-outs in Deutschland steht einer der größten Deals von Finanzinvestoren in Europa vor dem Abschluss. Der Verkauf der Hautpflege-Sparte von Nestlé (Galderma) läuft für 10 Mrd. Dollar auf ein Konsortium unter Führung der europäischen Beteiligungsgesellschaft EQT zu. “Galderma zählte bei Nestlé nicht zum Kerngeschäft und genoss daher nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie etwa Kaffee. Es wurde dort aber schon ein neues Management eingesetzt, das begonnen hat das Geschäft zu drehen und welches einen guten Job macht.” Das hat Marcus Brennecke, Co-Head Private Equity von EQT, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung gesagt. EQT investiert aus dem 2018 mit 10,7 Mrd. Euro geschlossenen Buy-out-Fonds VIII.”Wir haben für jede der unterschiedlichen Sparten von Galderma spezielle Pläne und Ideen sowie relevante Industrieexpertise, denn sie haben jeweils unterschiedliches aber sehr gutes Entwicklungspotenzial”, sagt Brennecke. Für den Exit gebe es die ganze Breite der Optionen.Wie beide Seiten mitteilen, wird exklusiv mit Leadinvestor EQT verhandelt, der den Staatsfonds Adia aus Abu Dhabi, und Kanadas Public Sector Pension Investment Board um sich geschart hat. Im Rennen um die Hautpflege des weltgrößten Nahrungsmittelherstellers waren auch die Finanzinvestoren KKR, Advent und Cinven sowie PAI Partners und Colgate-Palmolive neben Unilever. Sie haben unterschiedlichen Fokus auf die drei Galderma-Sparten. Die Branchenkonzerne könnten etwa für das Consumergeschäft künftig als Interessenten bei einer Zerlegung durch EQT in Frage kommen.Für EQT ist es mit der größte Deal bisher. Die Beteiligungsgesellschaft hat gerade im Infrastrukturgeschäft mit Partnern in den USA einen 8 Mrd. Dollar schweren Glasfaserdeal für Zayo angekündigt (vgl. BZ vom 9. Mai). Hier geht es samt Schulden sogar um mehr als 14 Mrd. Dollar. “Healthcare ist wie Infrastruktur eine der wesentlichen Spielwiesen von EQT”, betont Brennecke. Für die eigene Equity-Story von EQT passen die zwei Megadeals gut, erwägt die Beteiligungsgesellschaft, die bislang 61 Mrd. Euro in 29 Fonds eingesammelt hat, doch den eigenen Börsengang. Ankerinvestor ist die schwedische Familie Wallenberg. Zur Hälfte auf Pump Die Erwerber dürften für Galderma etwa zur Hälfte Eigenkapital einsetzen, was eine Neuverschuldung in der Größenordnung von 5 Mrd. Dollar bedeuten würde. Zur Finanzierung stehe ein Bankenkonsortium bereit, an den High-Yield-Markt ist offenbar nicht gedacht. Das Übernahmevielfache liegt bei über 15-mal des für nächstes Jahr geschätzten operativen Ergebnisses (Ebitda), aber unter dem 20-Fachen, lässt Brennecke durchblicken. Das Multiple stimme in etwa mit dem führender Healthcare-Unternehmen mit prozentual zweistelligem Wachstum und solider Leistung überein. Der Deal bewertet das Unternehmen immerhin mit dem 3,6-fachen Umsatz. “Wir zahlen grundsätzlich gute Preise für gute Firmen”, betont Brennecke. In der Vergangenheit war EQT wiederholt nachgesagt worden, zu viel zu bezahlen – etwa für die Siemens-Audiologie oder Kabel Baden-Württemberg.Rothschild und PwC beraten EQT, die Auktion leiteten Credit Suisse und Evercore. Bei der größten Veräußerung von Nestlé seit über einem Jahrzehnt stößt der von Fresenius gekommene CEO Mark Schneider ein Geschäft ab, das sein Vorgänger, Chairman Paul Bulcke, vor wenigen Jahren als vielversprechend gestärkt hatte. Seit Schneider den Chefposten übernommen hat, geht es um mehr Wachstum und höhere Margen, verstärkt um gesündere, wachstumsstarke Produkte. Kaffee, Wasser, Haustier- und Säuglingsnahrung sind die Wachstumsgeschäfte.Die Transaktion von Nestlé soll in der zweiten Jahreshälfte abgeschlossen werden – nach Konsultation der Arbeitnehmervertreter und dem Plazet der Aufsichtsbehörden. Nestlé will nach dem Abschluss des Verkaufs über die Verwendung des Erlöses sowie die künftige Kapitalstruktur informieren. Erwartet werden dürfte eine Ausschüttung an die Aktionäre, zu denen seit Anfang 2018 auch der Aktivist Dan Loeb vom Hedgefonds Third Point zählt. Zu Jahresbeginn hieß es, das Programm zum Aktienrückkauf von 20 Mrd. sfr werde beschleunigt.Die zufließenden Mittel dürfte Nestlé daneben auch für Akquisitionen nutzen, spekuliert wird in erster Linie über Tiernahrung. Weitere Mittel sollen aus der Veräußerung von Herta-Wurst kommen und überprüft wird Prometheus Lab. Wegen der großen Marktposition stößt Nestlé allerdings bei M&A auf einigen Gebieten schnell an kartellrechtliche Grenzen. Zuletzt hat Nestlé etwa vor einem Jahr die Rechte zum Verkauf von Starbucks-Produkten für 7 Mrd. Dollar übernommen. Weitere große Deals waren der Kauf der kanadischen Atrium Innovations für 2,3 Mrd. Dollar und die Abgabe des US-Süßwarengeschäftes für 2,8 Mrd. Dollar. Da Nestlé in Geld schwimmt und wieder wächst, dürfte der Druck von Investoren zunächst nachlassen, dass Paket von 23 % am französischen Kosmetikkonzern L’Oréal mit einem aktuellen Marktwert von 31 Mrd. Euro zu monetarisieren.Wie Nestlé jüngst den Investoren gezeigt hat, wurden seit 2017 etwa 50 M&A-Deals geprüft oder durchgezogen; sie standen für knapp ein Zehntel des Umsatzes. Die Aktie, die in diesem Jahr um 22 % auf Rekordniveau gestiegen ist, legte gestern leicht auf fast 100 sfr zu. Wachstum nach der RosskurIm ersten Quartal 2019 gab es prozentual zweistelliges organisches Wachstum – das ist deutlich mehr, als der Gesamtkonzern mit 3,4 % zulegte. Der geplante Verkauf wurde denn auch nicht mit ungenügenden Ergebnissen begründet, sondern damit, dass das künftige Wachstumspotenzial von Skin Health “zunehmend außerhalb der strategischen Grenzen der Gruppe” liege.Nestlé Skin Health mit Sitz in Lausanne setzte 2018 rund 2,8 Mrd. sfr um und beschäftigt mehr als 5 000 Mitarbeitende in 40 Ländern. Sie ist spezialisiert auf Hautgesundheit und aufgeteilt in verschreibungspflichtige Präparate, ästhetische Dermatologie und Consumer, also Verbraucher direkt. Neben Hautpflegeprodukten gehören auch Mittel gegen Akne und Hautkrebs zum Portefeuille. Consumer steht nach Galderma-Angaben für 41 % des Umsatzes, Aesthetics für 35 % und rezeptpflichtige Produkte für 24 %. Auf Nordamerika entfällt die Hälfte des Umsatzes. Sie ist spezialisiert auf Schönheitsprodukte wie Hyaluron-Spritzen gegen Falten und Mittel gegen Akne, Nagelpilz und zur Gesichtsreinigung. Galderma entstand aus einem Joint Venture, das Nestlé 1981 mit L’Oréal gegründet hatte. Nestlé zahlte die Franzosen 2014 mit 3 Mrd. Dollar aus und stärkte das Geschäft für 1,4 Mrd. Dollar mit dem Kauf von Valeant-Produkten. Nach einer Effizienzsteigerung in der Einheit, bei der jeder fünfte Beschäftigte gehen musste, zeigten mehr als zwei Handvoll Adressen Interesse an der Auktion. Nestlé hatte im September angekündigt, Optionen für die Sparte zu prüfen. – Wertberichtigt Seite 8