Netflix genießt die Ruhe vor dem Sturm
Von Sebastian Schmid, FrankfurtFast neun Millionen Neukunden hat Netflix im vierten Quartal gezählt – eine Million mehr, als Analysten im Schnitt erwartet hatten. Insgesamt kam der Video-Streamingdienst zum Jahreswechsel auf 139 Millionen zahlende Kunden. Für das laufende Quartal wird trotz der jüngsten Preisanhebung (vgl. BZ vom 16. Januar) erneut ein Zuwachs um neun Millionen Kunden in Aussicht gestellt.Trotz des unerwartet kräftigen Schubs bei den Abonnentenzahlen hat der Ausblick des Unternehmens enttäuscht. Der Streaming-Umsatz soll nur um 23 % auf 4,4 Mrd. Dollar zulegen. Das wären sechs Prozentpunkte weniger Wachstum als im vierten Quartal, obwohl die Preisanhebung in das laufende Vierteljahr fällt und damit zusätzlich Rückenwind geben sollte.Die tatsächliche Konkurrenzsituation für Netflix lässt sich nur schwer in Zahlen fassen, weil Konkurrent Amazon Prime nur sporadisch Zahlen nennt. Einer Studie vom Sommer 2018 zufolge ist Netflix der mit Abstand größte kostenpflichtige Video-Streamingdienst nach Nutzerzahl in den USA. Nur die primär werbefinanzierte Youtube zählt noch mehr Nutzer (siehe Grafik). Allerdings ist die Haushaltsdurchdringung von Netflix im Heimatmarkt USA, der für 40 % der Kundenkonten und die Hälfte der Erlöse steht, deutlich höher als in anderen Ländern. Einer Studie zufolge wird Amazons Prime-Service in europäischen Ländern stärker als Videodienst wahrgenommen. Während US-Kunden am Prime-Service des weltgrößten Online-Händlers vor allem den kostenlosen Zwei-Tages-Versand schätzen, steht bei Kunden in Deutschland und Großbritannien der Video-Streamingdienst höher im Kurs.Mit der jüngsten Anhebung entfernt sich Netflix derweil preislich weiter von Amazons Video- und Lieferdienst. Dieser kostet in Deutschland knapp 8 Euro im Monat, Netflix je nach gewünschter Bildqualität und Anwenderzahl zwischen 10 und 18 Euro. Allerdings hat Netflix scheinbar andere Rivalen im Blick. Der Wettbewerb um Bildschirmzeit sei mit dem Videospiel Fortnite intensiver als etwa mit HBO, heißt es im Zwischenbericht.Dass Videospiele eine härtere Konkurrenz darstellen als alternative Angebote passiv konsumierbarer Inhalte, ist mindestens strittig. Unstrittig ist dagegen, dass die Konkurrenz in letzterem Geschäft wächst. Amazon investiert weiter kräftig in Prime. Mit AT & T, Disney und Apple stehen weitere milliardenschwere Konzerne vor dem Einstieg in den Streaming-Markt. PwC schätzt, dass dieser bis 2022 jährlich um knapp 9 % wächst. Ein knallharter Preiskampf zeichnet sich ab. Es ist unwahrscheinlich, dass Netflix die jüngste Preisanhebung bald wird wiederholen können.