Neue Belastungsprobe für Huawei
Der chinesische Telekomausrüster Huawei gerät nach der Verhaftung der Finanzchefin immer stärker in den Fokus des Handels- und Technologiestreits zwischen China und den USA. Mögliche Verstöße gegen das Iran-Embargo der USA und sicherheitspolitische Bedenken erschweren die globale Expansion.nh Schanghai – Der führende chinesische Telekomausrüster und Smartphonebauer Huawei Technologies Co. wird zu einem neuen Brennpunkt im Handelskonflikt zwischen China und den USA. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Meng Wanzhou, Huaweis Finanzchefin und Tochter des Firmengründers und Konzernlenkers Ren Zhengfei, bereits vor einigen Tagen von kanadischen Behörden bei einem Flughafentransit in Vancouver festgenommen worden ist und sich mit einem Auslieferungsantrag der US-Justizbehörden konfrontiert sieht. Dahinter stehen Vorwürfe, dass Meng und Huawei in Verstöße gegen US-Sanktionsbestimmungen zu einem Handelsembargo mit dem Iran verwickelt sind.Im Sommer dieses Jahres hatte es bereits einen aufsehenerregenden Fall gegeben, als der chinesische Telekomausrüster ZTE wegen Verstößen gegen das Iran-Embargo zeitweilig mit einer Sperre für den Bezug von US-Technologiekomponenten belegt und damit in Existenznöte gebracht worden war. Allerdings war es nach einer Intervention von US-Präsident Donald Trump zu einer Aufhebung der Technologiesperre gekommen. Dabei musste ZTE eine Strafe über 1,4 Mrd. Dollar entrichten und sich für zehn Jahre besonderen Überprüfungsmechanismen von US-Regulatoren unterstellen. Schockreaktion in ChinaHuawei ist seitens der US-Behörden bislang nicht offiziell wegen einer Verletzung von Iran-Bestimmungen belangt worden, allerdings gibt es bereits seit einigen Monaten Hinweise auf laufende Ermittlungsverfahren. Zudem wird Huawei in den USA bereits seit Jahren im US-Telekomausrüstungsmarkt von Regierungsaufträgen ausgeschlossen und im Geschäft mit US-Netzwerkanbietern blockiert, weil die Gesellschaft vom US-Kongress als latentes Sicherheitsrisiko angesehen und unterschwellig mit Spionagevorwürfen konfrontiert wird.Die Festnahme der Huawei-Finanzchefin hat in China regelrechte Schockwellen ausgelöst. Der nichtstaatliche und auch nicht börsennotierte Konzern gilt dank seiner globalen Aufstellung als ein Aushängeschild für Chinas Ambitionen, in hochtechnologischen Bereichen in die Weltspitze aufzurücken, und ist eine der führenden Kräfte in der Entwicklung der anstehenden neuen Generation von Breitband- und Mobilfunknetzen (5G). Nun wird befürchtet, dass Huawei in den Strudel von US-Sanktionen im Zusammenhang mit Iran-Geschäften gerät und im Ernstfall auch Beschränkungen beim Bezug von US-Technologiekomponenten entgegensieht.Entsprechend gerieten am Donnerstag die Aktien von Huawei-Zulieferern unter heftigen Druck. Gleichzeitig geht an den Märkten die Sorge um, dass der Zwischenfall auf die am Wochenende nach einem Treffen von US-Präsident Donald Trump und Chinas Präsident Xi Jinping eingeleitete Beruhigung im bilateralen Handelsstreit negativ abfärbt. Die vorläufig erzielte Einigung sieht eine einstweilige Aussetzung einer angedrohten weitergehenden Verhängung von US-Strafzöllen vor. Dabei wollen beide Seiten binnen drei Monaten eine Handelsvereinbarung abschließen, bei der auch Chinas Industriepolitik und die staatliche Förderung von Technologieprogrammen eine wichtige Rolle spielen. Das in China breite Empörung auslösende Vorgehen gegen Huawei dürfte das Verhandlungsklima nach Ansicht der Experten deutlich belasten.Seitens der chinesischen Regierung kam es am Donnerstag zu scharfen Protestgesten. Dabei wurden sowohl Kanada als auch die USA aufgefordert, ihr “Fehlverhalten” zu korrigieren und die persönliche Freiheit von Meng wiederherzustellen. Ein Sprecher des Außenministeriums betonte, man habe keine ausreichende Erklärung zu den Umständen der Verhaftung Mengs erhalten. Auch bei Huawei wird betont, dass man bislang nur spärliche Informationen von den Behörden erhalten habe, was Meng konkret vorgeworfen wird.In einem kurzen Statement vom Donnerstag heißt es, dem Unternehmen sei kein Fehlverhalten bekannt. Huawei halte sich an alle Gesetze und Regulierungen, einschließlich der Exportkontrollen und Sanktionen seitens der USA, der Vereinten Nationen und der EU. Chinesische Beobachter gehen davon aus, dass sich die Pekinger Regierung und möglicherweise auch Staatspräsident Xi Jinping direkt einschalten werden. Im Falle von ZTE war es nach einer telefonischen Unterredung zwischen Xi und Trump zu einem Kompromiss gekommen. US-ZulieferungenDa noch völlig offen ist, inwieweit Huawei konkrete Verstöße gegen US-Embargoregelungen zum Vorwurf gemacht werden, lässt sich noch nicht ermessen, ob Huawei mit Beeinträchtigungen bei Komponentenlieferungen von US-Seite zu rechnen hat. Dabei wären auch US-Technologiefirmen wie Qualcomm und Intel als wichtige Zulieferer im Chipbereich negativ betroffen. Huawei hat in den letzten Jahren große Fortschritte mit der Eigenentwicklung von Smartphone-Chips gemacht, ist aber in verschiedenen Facetten des Netzwerkkomponentengeschäfts auf US-Produkte angewiesen.In jedem Fall muss Huawei mit Reputationsverlusten und weiteren Hindernissen im Netzwerkausrüstungsgeschäft in westlichen Industrieländern rechnen. In den USA war Huawei bereits vor sechs Jahren nach dem Bericht eines US-Kongressausschusses als ein Sicherheitsrisiko eingestuft worden. So wurde angedeutet, dass die private Huawei aufgrund ihrer Nähe zum Staat und zum chinesischen Militär Netzwerkkomponenten auch zu Spionagezwecken einsetzen könnte. Dabei wurde vor allem auf Huawei-Chef Ren Zhengfei abgestellt, der vor Gründung des Unternehmens im Jahr 1987 in Diensten des Militärs gestanden hatte.Die Anfeindungen in der US-Politik hatten einen von Huawei damals intendierten Einstieg in das US-Netzwerkausrüstungsgeschäft verhindert. Anfang dieses Jahres ist Huawei dann auch im US-Smartphonemarkt stark blockiert worden, nachdem die Mobilfunkriesen AT&T und Verizon auf Druck Washingtons hin geplante Vertriebsabkommen für Huawei-Vertragshandys wieder platzen ließen. Damit hat Huawei wenig Chancen auf einen breiteren Eintritt in den US-Smartphonemarkt.Mit der Intensivierung des bilateralen Handelskonflikts und dem Ansinnen der USA, Chinas industriepolitische und technologische Aufrüstungsoffensive zu bremsen, hat Washington zuletzt Druck auf westliche Bündnispartner gemacht, im Hinblick auf die Schaffung der neuen 5G-Mobilfunknetzwerke auf Huawei-Technologie zu verzichten. AusgrenzungsversucheDamit steht der Konzern vor der Gefahr, dass in einem besonders lukrativen Ausschnitt des Telekomausrüstungsgeschäfts Expansionschancen im Ausland verwehrt werden. Zuletzt haben in einem engen sicherheitspolitischen Bündnis mit den USA stehende Länder wie Australien und Neuseeland keine Huawei-Komponenten für heimische 5G-Netze einsetzen wollen. Anfang der Woche wurde bekannt, dass British Telecom Huawei-Komponenten in bestehenden 4G-Netzen austauschen will und keine weiteren Aufträge an Huawei vergibt. Huawei muss nun befürchten, dass auch in Deutschland, wo sich die Deutsche Telekom maßgeblich auf Huawei-Komponenten in ihren 4G-Netzwerken stützt, sowie anderen EU-Ländern sicherheitspolitisch motivierte Vorbehalte zum Thema werden. Im Smartphonegeschäft, wo Huawei in europäischen Märkten immer stärker Fuß fasst, sind nach Ansicht von Analysten vorerst keine Beeinträchtigungen zu erwarten.