Neuer Airbus-Chef startet mit Gegenwind
Von Stefan Kroneck, MünchenBei Airbus bricht eine neue Ära an. Nach der Hauptversammlung übernimmt am Mittwoch der Franzose Guillaume Faury das Amt des CEO von Tom Enders, der nach 14 Jahren im Topmanagement des Luftfahrtkonzerns abtritt. Auf seiner Abschiedstour räumte der Deutsche ein, dass es illusorisch sei, das Unternehmen “besenrein” zu übergeben. Faury erbt einige Baustellen. Er startet mit Gegenwind.Dennoch rückt der Manager an die Konzernspitze zu einem Zeitpunkt auf, in der es der Luftfahrtindustrie so gut geht wie nie zuvor. Die Globalisierung treibt die Nachfrage nach Passagierflugzeugen ungebremst an. Das Auftragsbuch von Airbus ist mit einem Bestand von rund 7 500 Flugzeugen für die nächste Dekade prall gefüllt. Der Boeing-Rivale bleibt vom Protektionismus des US-Präsidenten Donald Trump verschont – anders als die deutschen Autohersteller.Der startende CEO hat genug Schwung, um den Flugzeughersteller mit Hauptsitz Toulouse auf neue Umsatz- und Ergebnishöhen zu lenken. In diesem Jahr peilt Airbus einen Anstieg des operativen Gewinns um 15 % an nach relativ guten Zahlen 2018. Die Flugzeug-Auslieferungen steuern mit bis zu 890 (i.V. 800) avisierten Stück auf einen Rekord zu. Das überzeugt die Anleger. Seit Jahresbeginn gewann die Aktie über 40 % an Wert. Mit einem Kurs von fast 120 Euro notiert das Papier derzeit auf einem Niveau, welches Airbus noch nie erreicht hat. Die Marktkapitalisierung von 93 Mrd. Euro ist zwar beachtenswert, die Europäer liegen damit aber noch weit hinter dem US-Konkurrenten zurück. Boeing ist mit umgerechnet 192 Mrd. Euro mehr als doppelt so schwer.Auf operativer Ebene hilft dem von Franzosen und Deutschen dominierten Konzern im Kerngeschäft auch die Tatsache, dass auf absehbare Zeit keine kostenträchtigen neuen Flugzeugprogramme anstehen, die in der Entwicklung viele Mittel verschlingen und die Margen drücken. Airbus ist mittlerweile robust genug aufgestellt, um in allen Flugzeugsegmenten Boeing Paroli bieten zu können. Treibende Kraft für den Erfolg ist nach wie vor das Brot-und-Buttergeschäft. Die mit modernen, sparsamen Triebwerken ausgestatteten Mittelstreckenmaschinen der A320neo-Serie und die Langstreckenflugzeuge der A350-Baureihe sind die Verkaufsschlager, die mit dem Produktionshochlauf immer mehr Geld einbringen. Das A350-Programm soll 2019 die Gewinnschwelle erreichen – fünf Jahre nach dem Start der Serienfertigung.Offen ist, ob das Flugverbot für die Boeing-Serie 737 Max zu Bestellumschichtungen der Airlines zugunsten von Airbus führen könnte. Nach zwei tragischen Abstürzen mit vielen Todesopfern muss das Konkurrenzmodell der A320neo-Baureihe weiter am Boden bleiben. Die Amerikaner drosseln die Produktion. Airbus ist aber klar, dass solche Ereignisse immer zu Stress in der Branche führen. Das heißt, keiner gewinnt auf Dauer zu Lasten anderer. Geschick bei A380 gefragtZu Beginn seiner Amtszeit wird Faury derweil damit beschäftigt sein, das Flaggschiff A380 abzuwickeln. Der Prestigeflieger erwies sich für den Konzern als Milliardengrab. Aufgrund einer schwachen Nachfrage stellt Airbus die Fertigung 2021 ein. Dabei muss der CEO Geschick beweisen, gilt es doch, die anfallenden Mehrkosten auf ein für das Unternehmen erträgliches Niveau zu halten. Die bisher verbuchte Belastung von netto 463 Mill. Euro war im Verhältnis zur Dimension des Desasters gering. Je rascher Airbus die bis zu 3 500 betroffenen Beschäftigten in die gut laufenden Baureihen überführen kann, desto besser kann Faury die Zusatzkosten im Zaun halten. Er kennt auch die Schwachpunkte des Unternehmens genau, führte er doch zuvor über ein Jahr lang die Verkehrsflugzeugsparte.Auf strategischer Ebene sind die Weichen für Airbus gestellt. Nach Enders` gescheitertem Versuch, mit dem britischen Wettbewerber BAE Systems zu fusionieren, um gegenüber der mächtigen US-Rüstungsindustrie ein europäisches Gegengewicht zu bilden, gewinnt das Flugzeuggeschäft mit steigendem Absatz weiter an Bedeutung. Auf den größten Bereich entfiel 2018 drei Viertel des Konzernumsatzes und 85 % des operativen Ergebnisses. Unter Faury zeichnet sich nicht ab, den ursprünglichen Plan einer Zwei-Säulen-Strategie wieder aufzugreifen. Unter Enders` Regie sollte sich Airbus zu gleichen Teilen auf das Flugzeuggeschäft und die Rüstungsaktivitäten konzentrieren. Solange aber in Westeuropa nationale Alleingänge in der Verteidigungspolitik aus Konzernsicht das Bild prägen, wird auch Faury keinen zweiten Anlauf wagen. Auch kurz vor seinem Abgang kritisierte Enders die Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel scharf. “Vergeben ja, vergessen nie”, lautete sein Fazit zum Veto Berlins in der Causa BAE Systems.Vor diesem Hintergrund wird sein Nachfolger sein Hauptaugenmerk auf den größten Umsatz- und Ergebnisbringer des Konzerns richten. Stichpunkte dabei sind die Integration des Geschäfts mit Regional- und Geschäftsflugzeugen nach der Übernahme von Bombardier-Teilen, der Ausbau der Aktivitäten insbesondere in den USA und in China und die fortlaufende Optimierung der Produktionsketten. Hier wird der Brexit eine Rolle spielen, lässt doch Airbus in Großbritannien wichtige Bauteile fertigen. Ob aber der EU-Austritt des Landes tatsächlich zu Produktionsverlagerungen von Airbus führt, ist offen.Derweil schweben die laufenden Untersuchungen der Staatsanwaltschaften in Frankreich und in England wie ein Damoklesschwert über dem Unternehmen. Airbus drohen hohe Strafen und Geldbußen wegen dubiosen Flugzeuggeschäften in der Vergangenheit, bei denen Schmiergelder flossen. Gut möglich, dass Airbus in der Causa mit einem blauen Auge davonkommt, war es doch Enders selbst, der den Stein ins Rollen gebracht hat. Anders als auf der operativen Ebene hat Faury hier aber keinen Einfluss auf die weitere Entwicklung. Er muss abwarten, was von den Ermittlern kommt. Das kann noch dauern.