Nokia wittert Morgenluft bei 5G
Von Heidi Rohde, Frankfurt Der finnische Telekomausrüster Nokia, der nach herben Rückschlägen in China sowie beim US-Großkunden Verizon bei 5G den Anschluss zu verlieren drohte, wittert wieder Morgenluft. Nokia erhält von BT Group den Auftrag zum Ausbau ihres 5G-Netzes, und zwar weit über den bisherigen Anteil an der BT-Infrastruktur hinaus. Zum Auftragsvolumen werden keine Angaben gemacht. Aber während der britische Telekomkonzern in den Vorgängerstandards 3G und 4G (LTE) bisher zu zwei Dritteln auf Huawei-Technik gesetzt hat und zu einem Drittel auf Nokia, wendet sich nun das Blatt: Nokia steigt zum Hauptlieferanten der Briten auf und wird nach eigenen Angaben nicht nur wie bisher den Großraum London, die Midlands sowie ländliche Gebiete abdecken, sondern eine Vielzahl weiterer Städte.Nokia arbeite dazu mit BT auch mit Hochdruck an der Weiterentwicklung der Open-RAN-Technik. Diese soll es erlauben, die neueste Mobilfunktechnik auf Vorgängerstandards wie 4G von Fremdanbietern aufzusetzen. Bisher ist das nur schwer möglich und war deshalb geeignet, Marktanteile zu zementieren. BT reagiert mit dem Austausch des Hauptlieferanten auf politische Vorgaben. Die britische Regierung hatte ihrerseits dem Druck der US-Regierung zum Bann von Huawei teilweise nachgegeben, indem beschlossen wurde, dass der chinesische Anbieter, der sich eine weltweite Führungsposition bei 5G erarbeitet hat, nur maximal 35 % Marktanteil im Mobilfunk in Großbritannien haben darf. 5G von Huawei muss gar bis 2027 ausgebaut sein. MeilensteinFür Nokia ist der Vertrag mit BT, die seit rund 25 Jahren Kunde ist, ein wichtiger Meilenstein, um sich im 5G-Markt zurückzumelden. Denn der Konzern, der nach der Übernahme von Alcatel-Lucent eine jahrelange teure und komplexe Restrukturierung durchlief, die auch zu Lasten der technischen Portfolio-Entwicklung der Lieferfähigkeit ging, hatte zuvor schwere Rückschläge einstecken müssen. Im derzeit weltgrößten 5G-Markt China musste Nokia im Halbjahr einen Umsatzeinbruch von 40 % hinnehmen. Im April war das Unternehmen in einem Vergabeverfahren von China Unicom und China Telecom für ein gemeinsames 5G-Netz ausgeschlossen worden. Der Auftrag ging größtenteils an die heimischen Anbieter Huawei und ZTE, aber auch Ericsson konnte sich rund 17 % des Auftragsvolumens von insgesamt 23 Mrd. Euro sichern.Insgesamt hatte Nokia zur Halbzeit um 11 % rückläufige Konzernerlöse ausgewiesen, gestützt maßgeblich durch die Stärke im US-Markt, der nur um 2 % abschmolz. Allerdings sind die Finnen auch dort in schwierige Fahrwasser geraten. Anfang September gelang Samsung dort ein Coup als neuer 5G-Ausrüster von Verizon. Die Koreaner sicherten sich einen Auftrag über 6,6 Mrd. Dollar und stachen Nokia, die neben Ericsson zu den Stammlieferanten von Verizon zählt, aus. Wechsel an der SpitzeDie Nokia-Aktie hat seit Jahresbeginn 2019 mehr als ein Drittel an Wert verloren, während die Titel des schwedischen Konkurrenten Ericsson in dieser Zeit 22 % zulegen konnten. Der schwache Aktienkurs und die geschäftliche Misere, die sich bei allen Fortschritten in Restrukturierung und Profitabilität – Nokia hob zuletzt ihre Gewinnprognosen an (Vgl. BZ vom 1. August) – in fehlenden Wachstum äußert, hat bereits zu einem Wechsel an der Spitze geführt. Anfang August löste der vorherige Fortum-Chef Pekka Lundmark den langjährigen Konzernchef Rajeev Suri ab. Solidium stockt aufDer finnische Staatsfonds Solidium, der kürzlich die 5-Prozent-Halteschwelle bei Nokia überschritten hat und nun Anteile im Wert von rund 1 Mrd. Euro hält, übte im Nachhinein scharfe Kritik am “bisherigen Management”. Dieses sei “eine Last” für Nokia gewesen, hieß es von Solidium kurz nach dem Auftragsverlust bei Verizon. Mit Suri hat auch der langjährige Chairman Risto Siilasmaa das Unternehmen verlassen. An seine Stelle rückte die frühere Nokia-Managerin Sari Baldauf, die einst für die Netzwerksparte zuständig war.Aufgrund der geschäftlichen Probleme halten sich hartnäckig Gerüchte, das Nokia “Berater” beauftragt habe, “Optionen” für das Unternehmen auszuloten. Dabei geht es offenbar auch um die Abspaltung von Unternehmensteilen. Lundmark hat eine schärfere Fokussierung auf das Kerngeschäft als erste Marschroute ausgegeben, will sich aber erst zum Jahresende zu einem möglichen Portfolio-Umbau äußern.