Gaspipeline

Nord Stream 2 AG sucht nach Lösungen

Die Nord Stream 2 AG hat die Insolvenz über eine Nachlassstundung weiter abgewendet, die Zukunft der Betreibergesellschaft der gestoppten Ostseepipeline bleibt offen.

Nord Stream 2 AG sucht nach Lösungen

Bloomberg/dpa-afx Zug – Das Unternehmen hinter der russischen Gas-Pipeline Nord Stream 2 hat einen weiteren Aufschub für die Tilgung seiner Schulden bekommen. Damit ist eine Insolvenz vorerst weiterhin abgewendet. Das Kantonsgericht Zug in der Schweiz, wo die Nord Stream 2 AG ihren Sitz hat, gewährte dem Unternehmen eine Verlängerung der sogenannten Nachlassstundung bis zum 10. Januar 2023, wie aus einem Eintrag im Schweizerischen Handelsamtsblatt hervorgeht.

Bei einer Nachlassstundung gewährt ein Gericht nach Angaben von Rechtsanwälten einem Unternehmen mit Zahlungsschwierigkeiten zunächst eine provisorische Stundung. Das Gericht erlasse gleichzeitig Maßnahmen, um den Erhalt von noch vorhandenem Vermögen sicherzustellen. Mithilfe des Sachwalters sollen die Aussichten auf einen Nachlassvertrag geprüft werden. Im Mai dieses Jahres hatte das Gericht erstmals eine provisorische Nachlassstundung gewährt, die bis zum 10. September galt. Nun wurde diese Frist um weitere vier Monate verlängert.

Nord Stream 2 ist eine Tochtergesellschaft des russischen Gaskonzerns Gazprom und hat ihren Hauptsitz in Zug gut 30 Kilometer südlich von Zürich. Die durch die Ostsee verlegte und fertiggestellte Pipeline sollte russisches Gas nach Deutschland bringen. Die Bundesregierung hatte das Genehmigungsverfahren für Nord Stream 2 angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf Eis gelegt. Die USA verhängten Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG und untersagten damit weitere Geschäfte mit dem Unternehmen. Die Zuger Volkswirtschaftsbehörde hatte schon Anfang März von massiven Zahlungsschwierigkeiten infolge der gegen Nord Stream 2 verhängten Sanktionen und von einem bevorstehenden „Konkurs“ gesprochen. Die gut 100 Mitarbeiter in Zug wurden zu dem Zeitpunkt entlassen.

„Zum Abwarten verdammt“

Das Unternehmen ist in seinem Spielraum eingeschränkt. Es führt zwar nominell die Geschäfte, aber das Kantonsgericht in Zug hat dem Unternehmen im Mai bereits einen Sachwalter zur Seite gestellt, der alle Geschäfte überwacht. „Es gibt keinen Betrieb mehr, und wir sind nicht mehr im Fahrersitz“, sagt Nord-Stream-2-Sprecher Ulrich Lissek der Deutschen Presse-Agentur. „Wir unterstützen den Sachwalter. Wir identifizieren, welche Verträge mit wem geschlossen wurden, welche rechtlichen Verpflichtungen wir haben und welche technischen oder Umweltprüfungen womöglich an­fallen, damit er sich einen Überblick über die Firma verschafft.“ Von insgesamt ursprünglich 230 seien noch etwa 30 bis 40 Mitarbeiter da, deren Verträge allerdings auslaufen. „Wir sind zum Abwarten verdammt“, sagt Lissek.

Er verweist bei Zukunftsfragen auf den Sachwalter, die Schweizer Firma Transliq. Philipp Possa von Transliq sagte der dpa dagegen: „Die Geschäftsführung ist weiterhin bei der Nord Stream 2 AG. Die Sachwalterin hat ,lediglich‘ eine Überwachungsfunktion.“ Weiter will sich Transliq nicht äußern.

Was passiert, wenn die Nachlassstundung im Januar 2023 ausläuft? Wenn es dann eine gute Aussicht auf Sanierung oder Einigung mit den Gläubigern gibt, kann das Gericht eine weitere maximal 24-monatige Frist gewähren, eine definitive Nachlassstundung. In der Phase würden alle Gläubiger um Anmeldung ihrer Forderungen gebeten. Der Sachwalter würde auf einen Nachlassvertrag mit ihnen hinarbeiten, in der Regel mit einem Schuldenschnitt. Zeichnet sich das nicht ab, droht ein Konkursverfahren zur Liquidierung des Unternehmens.

„Im Wesentlichen geht es zu Beginn darum, sich einen Überblick zu verschaffen und das Inventar zu sichern“, sagt der Amtsleiter des Konkursamtes, Andreas Hess. Laut Staatssekretariat für Wirtschaft kommen beim Konkurs sämtliche Anlagen, Immobilien, Maschinen, Konten und Ähnliches in die Konkursmasse und werden, wenn möglich, verkauft. Gläubiger haben ein Vorkaufsrecht. Wenn kein Käufer gefunden wird, wird versteigert. Aus dem Erlös werden Gläubiger bezahlt, meist nur zu einem Bruchteil der Forderungen. Restliche Schulden werden gelöscht.

Verwertung unklar

Unklar ist, ob die Pipeline verkauft werden könnte. Die Nord Stream 2 AG kann wegen der US-Sanktionen keinerlei Geschäfte machen, für jeden Käufer wäre die Übernahme illegal. Auch für das Konkursamt dürfte eine fertige Pipeline nicht einfach zu veräußern sein. Wie das gehen könnte, ist unklar. „Das ist ein Punkt, über den wir uns dann Gedanken machen, wenn es so weit ist“, sagt Konkursamtsleiter Hess.

Gazprom hat die Hälfte der Baukosten der Pipeline bezahlt, die andere wurde von fünf Firmen finanziert, darunter aus Deutschland Uniper und Wintershall Dea. Beide haben die Milliardeninvestitionen bereits abgeschrieben. „Wir werden alle Möglichkeiten prüfen, um die abgeschriebenen Forderungen ganz oder teilweise einzutreiben“, teilte Wintershall Dea mit. „Derzeit wird juristisch geprüft, ob es möglich ist, noch einen Teil der getätigten Ausleihungen ganz oder teilweise zurückzuerhalten“, erklärt auch Uniper.

Für Sicherheit und Wartung der Pipeline ist das Bergamt Stralsund zuständig. „Das Bergamt steht mit den Mitarbeitern der Nord Stream 2 AG in Kontakt, um die Pipeline zu überwachen“, teilt der Sprecher des übergeordneten Wirtschaftsministeriums von Mecklenburg-Vorpommern, Gunnar Bauer, mit. Neben Nord-Stream-2-Personal sei am Endpunkt in Lubmin auch das Unternehmen Gascade zuständig. „Die Anlage befindet sich in einem betriebssicheren Zustand“, heißt es von dort. Auch das Bergamt habe zurzeit keine Bedenken, so Bauer. Für den Fall einer Insolvenz sagt Bauer: „Es bestünde die Möglichkeit, die Überwachung der Anlagen durch die Gascade abzudecken.“

Die Deutsche Umwelthilfe, die das Projekt von Anfang an bekämpft hat, spricht von einer „tickenden Zeitbombe“, weil die Pipeline mit Gas gefüllt ist, und verlangt einen Rückbau.