DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: MICHAEL SCHNEIDER

Norma gibt Schuldscheinen den Vorzug

Zulieferer sucht M & A-Gelegenheiten und kann dafür ohne weiteres mehr als 150 Mill. Euro stemmen - Leverage nicht über 2,5

Norma gibt Schuldscheinen den Vorzug

– Herr Dr. Schneider, Zulieferer wie Stabilus oder SAF-Holland akquirieren in großem Stil. Und was macht Norma?Wir sind an der Stelle sehr aktiv und haben gerade die Übernahme des Autoline-Geschäfts von Parkers Geschäftseinheit Fluid System Connectors vereinbart. Und wir hatten im Oktober 2014 mit National Diversified Sales (NDS) für 285 Mill. Dollar einen sehr großen Zukauf.- Was heißt das nach vorne geschaut?Auf dieser Basis hat Norma eine gute Ausgangsposition. Wir sehen uns intensiv nach möglichen Zielen um. Norma hat ein stringentes Raster für die strategische Perspektive: Wir kaufen Verbindungstechnik – Clemp, Connect, Fluid. Und es muss um Wachstum gehen, um margenattraktive Geschäfte in Nischen. Norma kauft keine Restrukturierungsfälle, keine Distressed Assets.- In welche Richtung schauen Sie auf Ihre Märkte? Norma hat ja eine breite Kundenbasis.Wir achten auf eine balancierte Positionierung. Konkret heißt das, wir schauen auf Wasser-Management, Infrastruktur, auch Auto sowie Healthcare, also Pharma, Biotech.- Welche Kriterien legen Sie finanzwirtschaftlich an?Die Marge von im Schnitt mehr als 17 % auf Ebita-Basis soll gehalten werden, so dass Akquisitionen diese Marge mitbringen müssen oder in unserem Verbund rasch erreichen können. Wichtig ist dabei eine gute Cash-Generierung. Alles zusammen bedeutet das: Auch bei Akquisitionen kommt es darauf an, Wert zu schaffen. Diese Investments müssen im Rückfluss nach drei bis fünf Jahren über den Kapitalkosten liegen, um langfristig wertschaffendes Wachstum zu erzielen.- Was heißt das konkret?Bei Kapitalkosten von 8 % oder 9 % muss die Investition einen höheren Return bringen.- Sind die Kapitalkosten nicht viel zu hoch kalkuliert im aktuellen Niedrigzinsumfeld? Sie können doch heute Fremdkapital quasi mit null ansetzen.Das ist ein wichtiger Punkt. Klar, die Kapitalkosten sind heute wesentlich niedriger. Wenn wir aber davon ausgehen, dass die Ziele langfristig Wert schaffen sollen, dann kalkulieren wir auch mit langfristigen durchschnittlichen Kapitalkosten. Es wäre ein Fehler, die aktuellen Kapitalkosten als Messlatte zu nehmen.- Sie hatten es angesprochen, NDS war die bisher größte Akquisition von Norma. Wie weit sind Sie mit dem Schuldenabbau?Das ist sehr gut gelaufen, sowohl was die operative Integration anbelangt als auch die finanzwirtschaftliche Basis betreffend. Wir haben seit Ende 2014 Schulden reduziert. Der Leverage, also Nettoschulden zu Ebitda, lag bei 2,5. Ende des ersten Quartals 2016 waren es 1,9.- Was ist Ihr Ziel?Wir haben uns kein Minimumziel gesetzt. Norma soll langfristig wachsen, dafür setzen wir auch Kapital ein. Als Limit wollen wir einen Leverage von 2,5 nicht überschreiten, um in der finanzwirtschaftlichen Komfortzone zu bleiben – auch wenn der Faktor kurzfristig je nach Investition auch mal darüber liegen kann.- Gibt es weitere Kriterien?Wichtig ist die Eigenkapitalquote, die nach dem ersten Quartal 2016 bei knapp 38 % liegt. Wir sind auch da nach der NDS-Akquisition weitergekommen. Das gibt uns die Basis, um weiter zu akquirieren.- Was könnten Sie finanziell auf dieser Grundlage stemmen?Wenn wir den Leverage von 2,5 ausschöpfen würden – natürlich abhängig davon, welches Ebita die Zielgesellschaft mitbringt -, dann wären 150 Mill. bis 180 Mill. Euro auf Basis der Ergebnisse von 2015 möglich. Norma kann aus dem Cash-flow jedes Quartal Schulden abbauen, so dass wir aus freien Finanzierungsmitteln Spielraum haben, was die Finanzierungsmöglichkeiten anbelangt.- Und Eigenkapital?Dieser Rahmen beinhaltet keine Eigenkapitalmaßnahmen. Ob wir den Aktienmarkt nutzen, hängt von der Größe des Übernahmezieles ab. Wenn wir ein sehr gutes Objekt finden, das exzellent zu Norma passt und uns in der wertschaffenden Wachstumsstrategie nach vorne bringt, finden wir sicher auch solche Finanzierungsalternativen.- Wie sieht die Finanzierungsstruktur heute aus?Wir nutzen Schuldscheindarlehen.- Da sind Sie Wiederholungstäter.Ja, sogar mehrfach. Wir haben seit 2013 verschiedene Schuldscheine aufgelegt, zur Finanzierung der NDS-Akquisition allein für über 200 Mill. Euro. Und Norma nutzt eine syndizierte Bankenfinanzierung von 100 Mill. Euro. Das sind die Fremdkapitalkomponenten. Im Dezember wurden die Bankenvereinbarungen aktualisiert und flexibler gestaltet, die Finanzierungskosten reduziert und mit Blick auf Währungen optimiert. Jetzt sind wir dabei, ein Schuldscheindarlehen von 2013 zu adjustieren.- Das heißt?Ein neues Schuldscheindarlehen von 150 Mill. Euro.- Ein Signal, dass auch dieser Markt überhitzt ist?Nein, ein Zeichen, dass dieser Markt sehr effizient ist. Wir haben dort keine Covenants aufgrund unserer guten Bonität und können das Laufzeitenportfolio verbessern.- Wo liegt das durchschnittliche Zinsniveau nach dem neuen Schuldschein und der geänderten Vereinbarung mit den Banken?Beim Schuldschein reden wir von Euribor plus Marge von 80 bis 100 Basispunkten. Über alles liegen die durchschnittlichen Finanzierungskosten dann bei knapp über 2 %.- Bonds kommen nicht in Frage?Anleihen wären grundsätzlich ein Thema. Allerdings braucht eine Platzierung ein gewisses Mindestvolumen im Hinblick auf Strukturierung, Dokumentation und Liquidität. Da halte ich 250 Mill., eher 300 Mill. Euro für die untere Grenze – und solche Beträge brauchen wir in der Form nicht. Dieser Markt kann sicher für uns zum Thema werden, zurzeit ist er es aber nicht.- Regional hat Norma Nachholbedarf in Asien, oder?Grundsätzlich suchen wir auch dort nach externen Wachstumsmöglichkeiten. Die Region sorgt heute, Exporte eingerechnet, für 11 % des Umsatzes, insofern können wir dort noch deutlich stärker wachsen. Das heißt aber nicht, dass wir andere Regionen vernachlässigen. Wir schauen uns intensiv in den USA um und schließen auch in Europa nichts aus. Insofern ist auch die Übernahme des Parker-Autoline-Geschäfts interessant: Sie erweitert die Produktpalette und bringt Standorte in Europa, Mexiko und China mit.- Rechnen Sie mit Brexit-Auswirkungen?Es lässt sich heute noch nicht sagen, was das Votum tatsächlich heißen wird. Wir spüren momentan nichts signifikant. Mittelfristig kann sich die Entscheidung in geringeren volkswirtschaftlichen Wachstumsraten niederschlagen. Norma produziert etwa 4 % des Umsatzes von 900 Mill. Euro in Großbritannien. Eine Hälfte bleibt im Vereinigten Königreich, die andere geht in übrige EU-Länder. Das macht uns nicht nervös.- Hat sich die Krise mit Russland niedergeschlagen?Der Umsatzanteil ist sehr gering, aber natürlich gibt es grundsätzlich negative Auswirkungen. Auch in Brasilien ist der Anteil mit unter 1 % sehr niedrig.- In Kontinentaleuropa darf nichts anbrennen.Norma macht etwa 50 % des Umsatzes in Europa, auch da ist nach einzelnen Märkten zu differenzieren. Gerade das Automobilgeschäft entwickelt sich hier sehr gut.- Mit Blick auf die Makroökonomie: Gibt es einen bestimmten durchschnittlichen Prozentsatz, mit dem Norma über dem Bruttoinlandsprodukt wächst?Unser Ziel ist es, über dem Marktdurchschnitt zu wachsen, und wir liegen in der Regel auch darüber. Weil Norma eine breite Branchenstruktur hat, muss man differenzieren. Da gibt es einige Märkte, die stark zulegen, andere sind schwach – wie derzeit das Lkw-Geschäft in den USA.- Schauen wir auf die Wettbewerbssituation. Wen sehen Sie als direkten Rivalen?Es ist aufgrund unserer breiten Produktstruktur schwierig, einen direkten Konkurrenten zu nennen.- Ist es nicht gerade für Unternehmen aus China relativ einfach, Ihre Produkte zu kopieren?Norma ist Technologie- und Innovationsführer und hat ein hohes Qualitätsniveau: Wir stellen Stückzahlen in Milliardenhöhe zu höchster Qualität her. Das muss gewährleistet sein. Und diese Expertise gibt uns eine gute Position gegenüber potenziellen Wettbewerbern.- Wie stark investieren Sie in Forschung und Entwicklung?Norma gibt pro Jahr circa 5 % des Umsatzes, den wir in spezifischen Kundenprojekten erlösen, dafür aus. Diese Einnahmen mit OEM-Kunden stehen für etwa zwei Drittel des Konzernumsatzes.- Investitionen in die Zukunft: Wo soll Norma mittelfristig stehen?Wir sind gerade dabei, die Vision 2020 auf 2025 auszudehnen. Kernpunkt ist wertschaffendes Wachstum: solide organisch und gezielt mit Zukäufen. Absehbar ist eine Umsatzperspektive über 1 Mrd. Euro.- Das haben Sie doch schon.Voriges Jahr waren es 900 Mill. Euro.- Wie sieht Ihre Vision denn quantifiziert aus?Diese Vorstellungen werden intern quantifiziert. Darüber reden wir dann, wenn es aus unserer Sicht Zeit ist. Insofern kommunizieren wir diese Vision nicht nach außen.- Und im laufenden Jahr?2016 erwarten wir ein organisches Wachstum von 2 bis 5 % nach einem Plus von 2,4 % im ersten Quartal. Und die Entwicklung läuft wie erwartet.Für das operative Ergebnis, also Ebitda, lautet die Guidance auf 17 % plus. Die wurde mit 17,7 % in den ersten drei Monaten übertroffen, und das werden wir auch im Gesamtjahr so halten.- Was hat der Aktionär davon?Eine Dividendenzahlung von 30 bis 35 % des adjustierten Nettoergebnisses. Wir haben ja die Ausschüttung für 2015 von 75 auf 90 Cent je Aktie erhöht.- Sie schauen auf das Ergebnis, nicht auf den Cash-flow?Im ersten Schritt: ja. Aber natürlich immer unter der Voraussetzung, dass der Cash-flow die Ausschüttung hergibt. Aber das versteht sich für Norma.- Wie ist die Konversionsrate des Mittelzuflusses?Norma hatte 2015 knapp 135 Mill. Euro als freien operativen Netto-Cash-flow nach Abzug von Investitionen. In diesem Jahr liegen wir sicherlich darüber. Das Ebita betrug 2015 rund 156 Mill. Euro.- Was macht Norma mit der Liquidität – spüren Sie negative Zinsen?Die Liquidität wollen wir natürlich möglichst gewinnbringend anlegen. Im Moment sind 105 Mill. Euro kurzfristig verfügbar auf verschiedenen Kontenstrukturen geparkt. So vermeiden wir negative Zinsen.- Arbeitet Norma mit bestimmten Hausbanken zusammen?Wir haben einen engen Kreis von fünf bis sechs Kernbanken, erweitert sind es etwa zehn Adressen. Die werden spezifisch angesprochen, je nachdem, um welche Finanzierungslösung es geht.- Wie verhält sich das mit Investmentbanken, die sicher gerne bei Ihnen präsentieren?Ja, das tun sie. Da geht es um einen breiten Kreis. Norma hat eine kleine M & A-Abteilung im Haus, die sehr selektiv auf Investmentbanker und Berater zugeht und mit ihnen Möglichkeiten diskutiert. Wir schätzen den Informationsaustausch sehr.- Sie selbst haben Erfahrung mit Private Equity als CFO von FTE Automotive und auch mit Public Equity. Was hat sich für Sie geändert als Vorstand eines börsennotierten Unternehmens?Beide Seiten liegen teilweise näher beieinander, als man denkt. Zum einen war ich ja für Dax-Unternehmen wie Hoechst und Degussa tätig und da auch nahe an Investor-Relations-Themen. Vor dem Start bei Norma war ich fünfeinhalb Jahre Geschäftsführer eines Zulieferers in Mehrheitsbesitz von Private Equity. Ich schätze den Kapitalmarktkontakt sehr, die aktive, direkte Kommunikation und ein transparenter und offener Austausch machen mir viel Spaß.- Ist es mit anonymen, zahlreichen Investoren einfacher für Sie als mit einem Fonds im Nacken?Das waren auch bei den Fonds als Eigentümer gute und zielführende Diskussionen – analytisch und professionell. Diese Erfahrung kommt mir sicher auch in der Kommunikation der börsennotierten Gesellschaft zugute. Aktives Zugehen auf die Aktionäre ist für Norma sehr wichtig, um sie von dem wertschaffenden Weg zu überzeugen. Da sind die Zielsetzungen gleich, aber die Kommunikationswege unterscheiden sich natürlich.- Bei FTE waren Sie selbst auch beteiligt. Wie verhält es sich jetzt?Ich habe beim Eintritt keine Aktien gekauft, war aber bereits Norma-Aktionär, bevor ich dort anfing. Ich fand Norma also schon zuvor aus persönlicher Due Diligence sehr gut. Vor kurzem habe ich erneut investiert, weil ich glaube, dass wir auf einem sehr guten Weg sind.- Gibt es Veränderungen im Aktionärskreis?Wir haben sehr langfristig orientierte Investoren, die größtenteils schon seit einigen Jahren dabei sind.—-Das Interview führte Walther Becker.