IM INTERVIEW: ISABELLA DE KRASSNY, SEMPER CONSTANTIA

"Ohne uns wäre das Unternehmen gestorben"

Die österreichische Investorin über ihr Engagement bei Praktiker und ihre Pläne für das Unternehmen

"Ohne uns wäre das Unternehmen gestorben"

– Frau de Krassny, was war denn der Grund für Sie, bei Praktiker einzusteigen?Naja, das war immer noch ein Unternehmen mit 880 Mill. Euro Eigenkapital oder umgerechnet auf 58 Millionen Aktien rund 15 Euro Eigenkapital je Aktie. Ohne Firmenwerte! Die Firmenwerte waren 300 Mill. Euro. Wenn man die abzieht, lag das Eigenkapital immer noch bei 9 Euro pro Aktie. Also weit über dem, was wir bezahlt haben. Das Unternehmen hatte keine Bankschulden, hatte 400 Mill. Euro Netto-Umlaufvermögen, 200 Mill. Euro liquide Mittel, 100 Mill. Euro Immobilienvermögen und die sehr erfolgreiche Marke Max Bahr. Max Bahr hat vor Konzernumlage ein Ebitda von 60 Mill. Euro allein erzielt und war für mich ein sehr interessantes Asset, das man auch für eine alternative Finanzierung hätte hergeben können.- Das ist ein klassischer Value-Ansatz. Auf der anderen Seite hätten Sie gerne, dass jemand Praktiker kauft.Na klar, das ist vereinbar. Wir sind meines Erachtens günstig eingestiegen. Das Unternehmen ist jetzt noch sehr viel billiger geworden. Wir haben ein Jahr Zeit verloren, weil der Aufsichtsrat nicht zugänglich war, viel zu lange an der falschen Strategie festgehalten hat, uns immer als Feinde betrachtet hat – obwohl wir immer Plan B bereit hatten. Wir hatten Plan B durch Roland Berger bereit, wir hatten Plan B zu Anchorage bereit. Ohne uns wäre das Unternehmen gestorben. Es wäre in die Insolvenz geschlittert. Und trotzdem wurden wir vom Aufsichtsrat wie Feinde behandelt.- Jetzt soll die Kapitalerhöhung kommen. Donau Invest und Clemens Vedder haben sich verpflichtet, nicht gezeichnete Aktien im Umfang von 40 Mill. Euro zum Kurs von 1,08 Euro zu übernehmen (Backstop). Wie schätzen Sie die Aufnahmebereitschaft ein?Also ich glaube, dass es eine sehr große Opportunität ist. Ich nehme an, selbst wenn die Bezugsrechte nicht ausgeübt werden, was ich aber nicht annehme, haben wir eigentlich kein Risiko, dass die Kapitalerhöhung floppt.- Man hört auch von außerbilanziellen Verpflichtungen um die 2 Mrd. Euro.Ja, das sind Mieten. Die Immobilien, die Praktiker benutzt, sind nicht im Eigentum, sondern gemietet. Selbst wenn es 2 Mrd. Euro auf der Passivseite sind, wären es auch 2 Mrd. Euro auf der Aktivseite, vielleicht bilanzverlängernd, aber es stehen ja Assets dagegen.- Wenn Kingfisher Praktiker nicht nimmt, wer dann?Da gibt es jede Menge mögliche Interessenten. Die Franzosen sind auch nicht am deutschen Markt.- Home Depot auch nicht. Und Walmart hatte schnell keine Lust mehr.Darüber zerbrechen wir uns den Kopf, wenn es so weit ist. Erst muss die Refinanzierungsfähigkeit wiederhergestellt werden. Ein Stratege würde sich den Einstieg vermutlich jetzt bereits überlegen, wenn die Bondgläubiger die Change-of-Control-Klausel fallen lassen würden. Da Praktiker keiner Einkaufsgemeinschaft angehört und Verlustvorträge von 550 Mill. Euro für einen großen Strategen mehr Gewicht haben, denke ich, dass gerade Strategen in der Anfangsphase des Restrukturierungsprozesses das größte Know-how einbringen könnten.- – Im Moment ist doch das Darlehen (Loan) das attraktivere Investment, also die 75 Mill. Euro. Wenn man sich mal überlegt, was man dafür bekommt . . .Ja, aber Sie werden nicht glauben, wie schwer wir uns getan haben, den zu platzieren. Das hat niemand verstanden. Ich hätte liebend gerne den Loan genommen, aber es ging wegen eigenkapitalersetzender Themen nicht. Wir waren Aktionäre und wenn wir als Anteilseigner den Loan finanziert hätten, wäre er eigenkapitalersetzend und damit nach-nach-nachrangig gewesen. Und das konnte ich einfach nicht riskieren, weil wir auch andere Investoren haben.- Und wie geht es jetzt weiter? Wie ist der Zeitplan?Jetzt wird an der Kapitalerhöhung gearbeitet. Das Unternehmen hat ausreichend Liquidität, die Banken haben zugestimmt. Es ist alles auf Schiene. Wir werden sehen, wie die Umsetzung vorangeht. Die ersten Anzeichen sind sehr positiv. Die Filialen, die schon auf Max Bahr umgestellt wurden, machen sich sehr gut.- Vor Klagen der Anleihegläubiger haben Sie keine Angst?Da mache ich mir keine Sorgen. Wir haben Anwälten sehr viel Geld dafür gezahlt, dass sie den Loan so strukturieren, dass er mit dem Bond kompatibel ist. Das ist ja keine vorrangige Anleihe, die emittiert wurde. Das wäre ein Problem. Aber ein Loan, ein Darlehen wurde in den Anleihebedingungen nicht ausgeschlossen. Die Anleihebedingungen waren eigentlich sehr zum Nachteil der Anleihegläubiger, keine Covenants, kein gar nichts. Also wer das strukturiert hat . . .- . . . hat dem Management einen Gefallen getan?Ja, und den Investoren keinen. Aber wie gesagt: Wenn es uns nicht gegeben hätte, wäre Praktiker zweimal in die Insolvenz geschlittert: das erste Mal am 26. März, weil Thomas Fox gesagt hat, nach dem BCG-Konzept haben wir nicht die nötigen Mittel, um das Unternehmen positiv weiterzuführen. Das zweite Mal wegen Anchorage. Anchorage hätte zwar den Loan gegeben. Aber dann hätte die Kapitalerhöhung nicht durchgeführt werden können, weil das Equity wertlos gewesen wäre. Durch den Loan, den wir konzipiert haben und den Backstop Vedder haben wir alle Komponenten geliefert, die Roland Berger verlangt hat, um eine positive Fortführungsprognose abzugeben.- Das ist eine heiße Wette.Ich meine, sie ist gar nicht so heiß. Wir haben das Unternehmen wirklich befreit. Es war fest in den Händen von Beratern. 70 Mill. Euro haben sie in den letzten anderthalb Jahren für Beratung ausgegeben. Das ist unverantwortlich und unfassbar, wie so etwas passieren kann. Die Aktionäre haben Freshfields dafür bezahlt, dass Freshfields das Unternehmen beraten hat, wie man diesen Ergänzungsantrag nicht auf die Tagesordnung der Hauptversammlung nehmen muss. Das ist für mich fast am Rande der Untreue. Das ist schließlich das Geld der Aktionäre, nicht das der Aufsichtsräte. Ich habe so etwas in einer Gesellschaft selten gesehen. Selten.- Und jetzt?Jetzt haben wir ein sehr gutes Management. Denen vertraue ich vollinhaltlich. Die schaffen das.—-Das Interview führte Andreas Hippin.