IM GESPRÄCH: WOLFGANG ORGELDINGER

"Plastik ist der beste Werkstoff"

Der CEO des Mehrwegspezialisten Ifco über Kreislaufwirtschaft, E-Commerce und die neuen Eigentümer

"Plastik ist der beste Werkstoff"

Plastik hat seinen einst guten Ruf verloren. Ifco Systems, die im vergangenen Jahr für 2,5 Mrd. Dollar von Investoren um Triton übernommen wurde, setzt mit ihren Mehrwegbehältern trotzdem auf den Werkstoff. “Es kommt halt wirklich darauf an, was man damit macht”, sagt CEO Wolfgang Orgeldinger. Von Stefan Paravicini, BerlinPlastik steht in der öffentlichen Wahrnehmung nicht hoch im Kurs. Das wurde auch in den Diskussionen im Rahmen des “Cradle to Cradle”-Kongresses deutlich, der sich Ende Januar in Berlin mit den Potenzialen einer Kreislaufwirtschaft befasste, die neben dem Klima auch Ressourcen schonen soll. Auf dem Podium nahm unter anderem Wolfgang Orgeldinger, der CEO von Ifco Systems , Platz. Das Unternehmen vermietet seit 1992 Plastikkisten zum Transport von Lebensmitteln, die bis zu 120 Mal wiederverwendet und schließlich repariert werden können, wenn die Kisten dann doch irgendwann kaputtgehen. “Es kommt halt wirklich darauf an, was man damit macht”, sagte der Ifco-Chef am Rande des Kongresses im Gespräch mit der Börsen-Zeitung zur laufenden Plastik-Debatte.”Für unsere Anwendung ist Plastik der beste Werkstoff und auch der nachhaltigste Werkstoff. Mehr Cradle to Cradle geht nicht”, sagt Orgeldinger mit einer Anspielung auf das Konzept einer ambitionierten Kreislaufwirtschaft (siehe Kasten). Auf dem von der Berliner Nichtregierungsorganisation Cradle to Cradle e.V. organisierten Kongress gab es denn auch viel Applaus für Ifco. Orgeldinger führt den Konzern seit 2013 und hat es seit einigen Monaten mit dem Finanzinvestor Triton und der Abu Dhabi Investment Authority als Eigentümern zu tun.Als das Unternehmen vor 28 Jahren gegründet wurde, war das von dem deutschen Chemiker Michael Braungart und dem US-Architekten William McDonough Ende der neunziger Jahre begründete Prinzip einer Kreislaufwirtschaft “von der Wiege bis zur Wiege” noch gar nicht formuliert. Ein Produkt oder Service entspricht dem Prinzip dann, wenn seine Bestandteile entweder vollständig in biologische Kreisläufe zurückgeführt oder kontinuierlich in technischen Kreisläufen gehalten werden können. Letzteres ist bei Ifco der Fall, die Plastikteile von beschädigten Kisten wiederverwendet, um neue Kisten herzustellen.Dennoch gibt es mit Blick auf die Nachhaltigkeit des Mehrwegverpackungsangebotes noch Optimierungsmöglichkeiten, sagt Orgeldinger. So hat der Konzern in den vergangenen Jahren etwa das Trocknen seiner Mehrwegkisten mit Heißluftgebläsen in mehr als 89 weltweit betriebenen Waschbetrieben auf Zentrifugaltrockenanlagen umgestellt und spart so Energie. Den größten zusätzlichen Umweltnutzen würde Ifco nach Einschätzung von Orgeldinger aber dadurch entfalten, wenn ihr Mehrwegsystem in anderen Branchen etabliert werden könnte. Bisher konzentriert sich die Firma auf den Lebensmittelhandel und hier vor allem auf frische Lebensmittel – “weil es hier noch so viel Potenzial gibt”, sagt Orgeldinger.Pläne für die Expansion in neue Branchen gibt es, unter anderem mit Blick auf den riesigen E-Commerce-Sektor. “Ich selber bestelle auch öfter mal im Internet, und ich ärgere mich immer fürchterlich, wenn ich die ganzen Kartons entsorgen muss”, sagt Orgeldinger, der überzeugt ist, dass ein Mehrwegsystem im E-Commerce konkurrenzfähig wäre. “Aber es gibt noch Hürden”, räumt der Manager ein. Denn ein Mehrwegsystem funktioniert nur mit Pfand und der damit verbundenen Administration. “Einen Karton werfen Sie einfach weg, und keiner kommt für die tatsächlichen Kosten auf. Wenn wir jetzt ein System etablieren, wo wir die Behälter zurückführen müssen, dann ist das erst einmal schwieriger”, sagt Orgeldinger und sieht die Politik am Zug. “Das könnte man sehr einfach lösen, indem man nicht nur Recyclingquoten, sondern auch Mehrwegquoten definiert”, sagt der Ifco-Chef mit Blick auf die neue Verpackungsordnung der Europäischen Union. “Dann würden auch große E-Commerce-Firmen ganz schnell aufspringen.”Der Impuls für die Gründung von Ifco kam ebenfalls vom Gesetzgeber, namentlich von der ersten deutschen Verpackungsverordnung, die 1991 vom Bundestag beschlossen wurde. Mittlerweile ist die Firma in mehr als 50 Ländern weltweit aktiv und verfügt über einen Pool von mehr als 314 Millionen Mehrwegbehältern, die jedes Jahr für mehr als 1,7 Milliarden Auslieferungen von frischem Obst und Gemüse, Fleisch, Geflügel, Fischereierzeugnissen, Eiern, Brot und anderen Produkten von den Produzenten zum Einzelhandel eingesetzt werden. Im Geschäftsjahr 2018 lag der Umsatz bei gut 1,1 Mrd. Dollar. Ifco ist Marktführer und als einziges Unternehmen der Branche global aufgestellt. “Der größte Wettbewerber ist die Industrie, die Einwegverpackungen produziert”, sagt Orgeldinger. Von Australien nach Abu Dhabi Die australische Brambles, die das Unternehmen im Jahr 2010 für rund 1,25 Mrd. Dollar vom Investor Apax Partners übernahm, reichte die Mehrwegkisten von Ifco im Februar 2019 für rund das Doppelte an den deutsch-schwedischen Finanzinvestor Triton und Abu Dhabi Investment Authority weiter. Vor der Übernahme durch Brambles hatte Apax, die Ifco drei Jahre nach dem IPO im Jahr 2000 wieder vom Börsenparkett führte, einen Exit über ein neuerliches IPO erwogen. “Auch der Konzern war ein guter Eigentümer, aber wir mussten unsere Strategie immer im Rahmen der Konzernstrategie einfügen und standen im Wettbewerb um Kapital und Investitionen in Konkurrenz zu Schwesterfirmen, die teilweise profitabler waren als wir”, erinnert sich Orgeldinger an die Zeit unter dem Dach der börsennotierten Brambles. Die neuen Eigentümer unterstützten das Unternehmen voll in seiner Entwicklung. “Das ist ein signifikanter Unterschied und ist sehr positiv.” Die durchschnittliche Haltedauer von Firmen im Triton-Portfolio liegt derzeit bei etwa sechs Jahren.Ifco wächst nach Angaben des CEO seit Jahren zweistellig und profitiert dabei nicht nur von der wachsenden Sensibilität für Nachhaltigkeitsthemen. “Der Vorteil, den wir haben ist, dass wir sowohl ein nachhaltiges, aber auch ökonomisch sinnvolles Produkt haben”, sagt er. Mehr und mehr Handelsunternehmen stellen in der Logistik komplett auf Mehrwegsystem um, beobachtet Orgeldinger. Dabei helfe auch der Trend zur Automatisierung. “Wenn man vollautomatische Läger hat, braucht man standardisierte Verpackungen.”