Im BlickfeldFinanzinvestoren

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Die Ratingagentur Moody´s fürchtet Kreditausfälle bei einem Drittel der deutschen Unternehmen mit einer schlechten Bonitätsnote. Meist sind es Firmen im Besitz von Finanzinvestoren.

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Moody´s fürchtet Kreditausfälle bei einem Drittel der deutschen Unternehmen mit niedrigem Rating – meist im Besitz von Finanzinvestoren

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

Die Ratingagentur Moody´s warnt wegen der Inflation sowie vermehrt bevorstehender Fälligkeitstermine und gestiegener Energiepreise vor erhöhter Kreditausfallgefahr bei Unternehmen, die sich im Besitz von Finanzinvestoren befinden. „Die Inflation erhöht das Ausfallrisiko für beinahe ein Drittel der deutschen Unternehmen mit einer niedrig bewerteten Bonität. Die allermeisten dieser 68 Unternehmen mit einem Rating unterhalb von “B1” – vor allem die am meisten ausfallgefährdeten – gehören Finanzinvestoren. Fast alle, bei denen ein Ausfallrisiko besteht, haben zwar ein funktionierendes Geschäftsmodell, sind aber überschuldet. Nur bei wenigen – wie zum Beispiel der Tui AG – zeichnet sich eine Ratingverbesserung ab“, sagte Matthias Hellstern, Chefanalyst für deutsche Unternehmen bei der Ratingagentur Moody ´s in Frankfurt, der Börsen-Zeitung.

Vor allem die geschwächte Kaufkraft der Verbraucher, angetrieben durch die hohe Energie- und Lebensmittelinflation, stellt ein Kreditrisiko für fast ein Drittel – das wären 21 – der schlecht gerateten 68 Unternehmen in Deutschland dar. Das geht aus der noch nicht veröffentlichten Moody´s-Analyse hervor. „Die meisten dieser Unternehmen sind Vorleistungsgüterproduzenten, die unserer Einschätzung nach Schwierigkeiten haben werden, entweder die erhöhten Input-Kosten weiterzugeben, oder sie werden in den nächsten sechs bis 18 Monaten mit einer geringeren Nachfrage umgehen müssen“, erklärt Hellstern. Sechzehn der Unternehmen müssen ihre Schulden zwischen 2023 und 2025 refinanzieren – und das könnte durchaus misslingen.

Als Kreditausfall werten Ratingagenturen, wenn Unternehmen ihren Gläubigern einen Kapitalschnitt aufdrängen (,,Distressed Exchange Offer‘‘) oder Zins und Tilgung nicht wie vereinbart zahlen – oder wenn sie Insolvenz anmelden. Betroffen sind oft Portfoliofirmen von Finanzinvestoren. Die Private-Equity-Unternehmen haben in den vergangenen Jahren dank einer regelrechten Kreditschwemme eine Milliardenübernahme nach der anderen in Angriff genommen. Die Schulden wurden auf die übernommenen Firmen abgewälzt. Wegen der Bankenkrise stoßen die Private-Equity-Häuser jetzt jedoch bei größeren Finanzierungen zunehmend auf Zurückhaltung bei den Banken – und auf steigende Zinsen.

Auf der Liste der schlecht gerateten deutschen Unternehmen wimmelt es von großen und bekannten Firmen in Private-Equity-Besitz – auch wenn sich diese bekannten Firmen oft hinter unbekannten Namen von Holdings verbergen, die die Schulden aufgenommen haben. Da ist etwa die Parfümeriekette Douglas, die dem britischen Finanzinvestor CVC gehört, oder der Parkhausbetreiber Apcoa des US-Investors Centerbridge sowie der ehemals zu Siemens gehörende Windradgetriebehersteller Flender der US-Beteiligungsfirma Carlyle und der Verbraucherdatendienstleister GfK des US-Private-Equity-Hauses Advent. Auch die ehemalige Thyssenkrupp-Aufzugstochter TK Elevator, die zu den schlecht gerateten Unternehmen zählt, gehört Advent zusammen mit Cinven.

Herabstufungen der Bonitätsnoten gab es in jüngster Zeit bereits beim Windradgetriebehersteller Flender sowie dem Autozulieferer Standard Profil Automotive und dem Aufzugskomponentenhersteller Wittur. Auslöser war jeweils die verminderte Profitabilität aufgrund steigender Input-Kosten. Dass ein Kreditausfall kein rein theoretisches Risiko ist, machte gerade erst der Fall des Druckertintenherstellers Flint augenfällig, bei dem 2023 die Rückzahlung von 1,2 Mrd. Euro fällig wird. Nachdem das deutsche Unternehmen mit formalem Sitz in Luxemburg den Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern nicht voll nachkommen konnte, stufte Moody´s das Rating der Firma – einer der größten Zulieferer der Druckindustrie und der zweitgrößte Druckfarbenhersteller weltweit – von “Caa3” auf “Ca” herunter. Das Unternehmen, das einmal CVC gehörte, befindet sich heute mehrheitlich im Besitz von Goldman Sachs und Koch Industries. Durch die Restrukturierung wurden die Schulden um mehr als die Hälfte bzw. 740 Mill. Euro verringert.

Es wird wohl nicht der letzte Kreditausfall gewesen sein, den Investoren bei deutschen Unternehmen aushalten müssen. Bei 16 der schlecht gerateten Unternehmen dauert es nicht mehr lange, bis die Fälligkeit eintritt. Beim Kreuzfahrtveranstalter Tui Cruises werden 2023 Schulden von 534 Mill. Euro fällig, die mit B3 geratet sind. Im Jahr 2024 werden bei der Tui AG sogar 2,45 Mrd. Euro fällig. „Und 2025 steht dann eine ganze Welle von Fälligkeiten an“, warnt Moody´s-Analyst Hellstern. Zu den größeren und schwierigeren Fällen zählen die börsennotierte Kabelfernsehfirma Tele Columbus mit 650 Mill. Euro sowie erneut Tui Cruises mit 546 Mill. Euro und der an die Börse strebende Panzergetriebehersteller Renk, der dem Finanzinvestor Triton gehört, mit 524 Mill. Euro. In einigen Fällen – wie gerade beim Modehändler Takko geschehen – könnten die Gläubiger durch einen Debt-to-Equity-Swap zu Eigentümern werden.

„Die angespannten Kapitalmärkte werden das Refinanzierungsrisiko weiter erhöhen“, sagt Moody´s-Analyst Hellstern. „Die hohe Inflation und eine langsamere Wirtschaftstätigkeit werden die operative Leistung von fast der Hälfte der deutschen Unternehmen mit niedrigem Rating schwächen.“ Einige von ihnen würden Schwierigkeiten haben, ihre bereits schwachen Kapitalstrukturen zu verbessern und fällig werdende Schulden zu refinanzieren. Diejenigen, denen dies gelingt, müssen zu deutlich höheren Kosten refinanzieren. Der durchschnittliche Zins auf alle ausstehenden Anleihen deutscher Unternehmen – inklusive der Investment-Grade-Schuldner mit bester Bonität – ist im September 2022 zum ersten mal seit April 2012 über die Marke von 4% geklettert und bis Ende März 2023 auf 4,4% gestiegen. Die gestiegene Zinslast reduziert den freien Cashflow, der potenziell zum Schuldenabbau genutzt werden könnte. „Die Zinsdeckung wird weiter unter Druck geraten und die Kapitalstrukturen näher an Niveaus heranbringen, die wir für nicht nachhaltig halten“, warnt Hellstern. „Unternehmen mit niedrigem Rating und bereits schwacher Liquidität werden Schwierigkeiten haben, diese zu verbessern.“ Die geringen Cash-Bestände der Firmen verringerten – auch angesichts des Energiepreisanstiegs – ihre Fähigkeit, eine Phase höherer Zinssätze zu überstehen.