Ibrahim Imam, Sander Van de Rijdt

Proptech Planradar setzt zum globalen Sprung an

Einen wesentlichen Beitrag zur Digitalisierung der Immobilienwirtschaft will das Wiener Proptech Planradar leisten. Investoren stellen jetzt in einer weiteren Finanzierungsrunde 69 Mill. Dollar für die weltweite Expansion bereit.

Proptech Planradar setzt zum globalen Sprung an

Von Thomas List, Frankfurt

Planradar, das sich selbst als Europas führende mobile Plattform für Dokumentations-, Kom­munikations-, Aufgaben- und Fehlermanagement bei Bau- und Immobilienprojekten sieht, hat in einer zweiten Finanzierungsrunde (Series B) 69 Mill. Dollar eingesammelt. Angeführt wurde die Runde von Insight Partners und Quadrille Capital. „Substanzielle“ Mittel kamen nach Angaben von Planradar auch von Cavalry Ventures, die bereits an dem Wiener Proptech, also einem Unternehmen, das zur digitalen Transformation der Immobilienbranche beitragen will, beteiligt sind. Als weitere Teilnehmer werden Headline, Berliner Volksbank Ventures und AWS Gründerfonds ge­nannt sowie als Neu-Investoren Proptech1, Russmedia und GR Capital.

Weltweite Expansion

Mit der Kapitalspritze will Planradar die weltweite Expansion forcieren. „In den kommenden zwei bis drei Jahren wollen wir den Umsatz jedes Jahr verdoppeln“, sagte Ibrahim Imam, Mitgründer und Co-CEO von Planradar im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Wir werden zwei regionale Headquarters in den USA und in Dubai errichten. Von den USA werden die neuen Standorte in Mexico City und São Paolo gesteuert, von Dubai Singapur und Sydney.“ Mit der vor etwa 18 Monaten durchgeführten Series-A-Finanzierung (34 Mill. Dollar) sollte Europa erschlossen werden, jetzt folgt der Rest der Welt.

Auch auf der Produktseite soll kräftig investiert und ein Development Hub aufgebaut werden. „Geplant ist die Verdreifachung unseres Entwicklungsteams“, kündigte Imam an. Ein Mängelprotokoll kann bereits jetzt direkt im Building Information Model (kurz: BIM, deutsch: Bauwerksdatenmodell) erfasst werden. Im Bereich Virtual Reality hat Planradar ein Forschungsprojekt aufgesetzt.

Über 10 Mill. Euro Umsatz

Den eigenen Umsatz bezifferte Sander Van de Rijdt, ebenfalls Mitgründer und Co-CEO von Planradar, auf „deutlich mehr als 10 Mill. Euro“. 70 bis 75 % des Umsatzes stammen aus dem deutschsprachigen Raum. Dieser Anteil soll im Zuge der globalen Expansion in den kommenden Jahren auf bis zu 50% sinken, absolut aber zulegen. Aufgrund des starken Wachstums macht Planradar keinen Gewinn. „Wenn wir wollten, könnten wir aber innerhalb von drei bis vier Monaten schwarze Zahlen schreiben.“

Die Kundenspannbreite von Planradar reicht von Einzelkämpfern bis zu Großunternehmen wie Siemens und Bosch oder auch Bauunternehmen wie Porr, Strabag und Hochtief. „Etwa 40% unserer Kunden kommen rein aus der Baubranche. Der Rest kommt entweder aus der Immobilienbranche oder ist breit gestreut von Retail, Industrie und Schiffbau bis zu Pharma.“ Insgesamt zählt das Unternehmen mehr als 14500 Kunden in über 60 Ländern. Das Kundenpotenzial allein in Westeuropa bezifferte Van de Rijdt auf 2,5 Millionen.

Begonnen hat das Unternehmen als Defectradar mit dem Mängelmanagement. „Aufgrund von Gesprächen mit den Usern haben wir unser System in den letzten Jahren laufend erweitert, beispielsweise um Task Management oder Facility Management in der gesamten Planungs-, Bau- und Betriebsphase“, sagt Van de Rijdt. „Auch Hausverwaltungen können jetzt ihre Subunternehmen über unsere Software steuern. Assetmanager können beispielsweise ihre Gutachter über unser System einbinden.“

Planradar steht aus Produktsicht im Wettbewerb mit den zwei US-Anbietern Fieldwire und Plangrid, die jedoch beide nicht mehr eigenständig agieren. In Europa sind es große Anbieter wie Oracle, die 2018 Aconex gekauft hat. Letztere hat wiederum zwei Jahre zuvor Conject übernommen. „Diese Anbieter verfügen über große Dokumentenmanagementsysteme und bieten umfangreiche Dienstleistungen an. Die Systeme müssen individuell an die Kundenwünsche angepasst werden“, sagte Imam. „Zielgruppe sind in erster Linie große Kunden mit umfangreichen Projekten.“

Anderes Geschäftsmodell

Das Geschäftsmodell von Planradar unterscheidet sich davon deutlich. „Statt Top-down verfolgen wir Bottom-up, das heißt, der Nutzer steht im Fokus und fängt meist mit einem Anwendungsfall unserer Software an und skaliert dann“, erläutert Imam. „Die Lizenzgebühren stehen auf unserer Website und starten schon bei 29 Euro im Monat. Außerdem kann der Kunde unser Produkt wenige Minuten nachdem er es aus dem App-Store runtergeladen hat, sofort nutzen. Wenn Sie einen Facebook-Account nutzen können, können Sie auch unser Produkt bedienen.“ Mit vielen ihrer Nutzer hat Planradar keinen persönlichen Kontakt, da auch einfach mit Kreditkarte gezahlt werden kann.

Seit Mitte 2020 hat Planradar zehn neue Standorte eröffnet, in London, Paris, Madrid, Mailand, Zagreb, Warschau, Moskau, Bukarest, Stockholm und Amsterdam. „Unsere Branche ist sehr traditionell. Deshalb ist es sehr wichtig, mit vielen Kunden auch persönlich zu sprechen, zum Beispiel auf Messen“, sagt Imam.

Die Gründer der Planradar GmbH (neben Imam und Van de Rijdt sind das noch Constantin Köck und Clemens Hammerl sowie Domagoj Dolinsek) halten nach der Series-B-Finanzierung nicht mehr die Mehrheit. Größter Venture-Capital-Gesellschafter ist Insight Partners aus New York mit etwa 20%. Eine Umwandlung in eine AG und ein Börsengang sind vorläufig nicht geplant. „Wenn wir in zwei bis drei Jahren unsere Wachstumsziele erreicht haben, eröffnen sich uns alle Möglichkeiten“, blickt Van de Rijdt in die Zukunft.

In den USA hat der Dokumentenmanagementanbieter Procore im Mai 2021 über den Börsengang 635 Mill. Dollar eingenommen.

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