ProSieben und RTL bauen das Digitalgeschäft aus
Von Joachim Herr, München Bis zum ersten Arbeitsnachweis der Kooperation dauerte es etwas länger als erwartet. Doch vor wenigen Tagen verkündete ProSiebenSat.1 die erste Akquisition mit dem Partner General Atlantic: Nucom, die Tochterfirma des Fernseh- und Internetkonzerns, übernimmt, wie berichtet, für rund 85 Mill. Dollar die Online-Partnerbörse Eharmony in Kalifornien. Die Private-Equitiy-Gesellschaft General Atlantic ist seit Februar dieses Jahres mit 25,1 % an Nucom beteiligt.Finanzvorstand Jan Kemper hatte erste gemeinsame Akquisitionen für das dritte Quartal in Aussicht gestellt. Nun verging bis zur Premierentransaktion doch etwas mehr Zeit. Vom internationalen Netzwerk des Finanzinvestors General Atlantic erhofft sich ProSiebenSat.1 nach wie vor ein höheres Tempo für den Ausbau des Online-Geschäfts und eine Expansion ins Ausland.Damit will das Unternehmen die Abhängigkeit von den Werbeeinnahmen im klassischen Fernsehen verringern. Und mit E-Commerce hat ProSiebenSat.1 eine zweite Säule geschaffen, um sich besser gegen den Wandel in der Medienwelt zu wappnen. Vor allem jüngere Nutzer verändern ihr Verhalten und wenden sich vom linearen Fernsehen ab.Die Digitalisierung beginnt freilich für ProSiebenSat.1 wie für den Konkurrenten RTL im Kerngeschäft, der Unterhaltung. Das reicht von Apps und Angeboten fürs Smartphone, digitalem Marketing mit individualisierter Werbung bis zu Plattformen für Video on Demand (VoD).Die RTL-Gruppe will auf dem letzten dieser Felder mit “TVNow” ihr Gegenangebot zu Netflix und Amazon Prime kräftig ausbauen. Dafür kündigte der Vorstand Investitionen in Höhe eines insgesamt dreistelligen Euro-Millionenbetrages über vier, fünf Jahre an. Kooperation angestrebtMax Conze, seit Juni Vorstandsvorsitzender von ProSiebenSat.1, setzt dagegen vor allem auf Kooperationen. Das eigene VoD-Angebot “Maxdome” bündelt er mit dem Streaming-Dienst “Eurosport-Player”, der unter anderem Spiele der Fußball-Bundesliga zeigt. Auch der Fernsehsender Sport 1 von Constantin Medien ist dabei sowie der Axel Springer Verlag mit Welt und N24 Doku. In der ersten Hälfte des nächsten Jahres soll der Start sein.Für eine gemeinsame Plattform will Conze viele Partner gewinnen, unter anderem RTL und die öffentlich-rechtlichen Sender. Diese halten sich bisher mit einem Bekenntnis zu dem Projekt allerdings zurück.Dem ARD-Vorsitzenden Ulrich Wilhelm schwebt als Gegengewicht zu Google, Facebook, Amazon oder Netflix ohnehin Größeres vor: eine europäische Plattform, bei der nicht nur öffentlich-rechtliche und private Fernsehanbieter mitmachen, sondern auch Verlage und Institutionen aus Kultur und Wissenschaft.Über das Unterhaltungsgeschäft hinaus hat ProSiebenSat.1 unter Thomas Ebeling, dem Vorstandsvorsitzenden von 2009 bis zum vergangenen Februar, ein Portfolio mit Internet- und Online-Handel-Unternehmen aufgebaut. Sein Nachfolger Max Conze verspricht sich vom Segment E-Commerce starkes Wachstum. Zum einen sehen Branchenfachleute noch viel Potenzial, etwa die Unternehmensberater von Pricewaterhouse Coopers (siehe Grafik). Zum anderen rechnet sich ProSiebenSat.1 auf diesem Feld gute Chancen aus, da der eigene Anteil im deutschen E-Commerce-Markt unter 1 % liegt. Im Werbemarkt sind es dagegen rund 10 %.Eharmony mit Online-Partnervermittlungen in den USA, Kanada, Großbritannien und Australien kommt nun als elftes Mitglied zur Tochtergesellschaft Nucom hinzu. Unter den zehn anderen sind die hierzulande aktiven Partnerbörsen Parship und Elite, das Verbraucherportal Verivox, Online-Händler für Parfüm (Flaconi), Sexspielzeug (Amorelie), Medikamente (Windstar) und Möbel (Moebel.de) sowie Anbieter von Erlebnisgutscheinen (Jochen Schweizer und Mydays). Bezahlt wurden die Beteiligungen zum Teil mit Werbezeiten im Fernsehprogramm der ProSiebenSat.1-Gruppe (Media for Equity). Dank der so wachsenden Bekanntheit legten die Umsätze der Online-Händler besonders in der ersten Zeit kräftig zu. TV-Reklame am profitabelstenIn der ersten Hälfte dieses Jahres erzielte ProSiebenSat.1 im Segment Commerce einen Umsatz von 328 Mill. Euro. Das waren gut 18 % des Konzernerlöses. Addiert man Umsätze mit digitaler Unterhaltung und Produktion, macht das klassische TV-Werbegeschäft nur noch rund die Hälfe des gesamten Umsatzes aus. 2009 waren es noch fast 90 %. Allerdings: Wegen der hohen Marge der Fernsehwerbung trug Reklame im vergangenen Jahr etwa drei Viertel zum Konzernergebnis vor Zinsen und Steuern bei. Davon wiederum machte Fernsehen rund 80 % aus.Die RTL-Gruppe nannte für die erste Hälfte dieses Jahres einen Umsatz im Digitalgeschäft von 424 Mill. Euro, 9 % mehr als im Vorjahreszeitraum. Das waren 14 % des Konzernerlöses, der um 2,3 % auf gut 3 Mrd. Euro zunahm. Das Geschäft mit Merchandising/E-Commerce und Erlöse mit dem Home Shopping zählen nicht dazu. Sie sind im sonstigen Umsatz erhalten, der in den ersten sechs Monaten ein Zehntel des Konzernwertes ausmachte. In Deutschland verkauft RTL zum Beispiel Eintrittskarten für Konzerte, Musicals und Auftritte von Komikern.