SERIE: AUTOKONZERNE AUF DEM PRÜFSTAND (8) - IAA

Rekordfahrt von Hyundai und Kia geht zu Ende

China und Schwellenländer bremsen den südkoreanischen Autobauer - Unveränderte Innovationsfreude

Rekordfahrt von Hyundai und Kia geht zu Ende

Der südkoreanische Autobauer Hyundai samt der Tochtermarke Kia agierte in den vergangenen Jahren als Hecht im Karpfenteich. In Westeuropa setzte sich das Gespann deutlich vor den japanischen Weltmarktführer Toyota. Stark ist das Erfolgsgespann auch in China und den USA unterwegs. Jetzt scheint aber die Rekordfahrt vorerst beendet.Von Martin Fritz, TokioDer Absatz der koreanischen Hyundai-Gruppe könnte 2015 zurückgehen. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres verließen 2,77 Millionen Fahrzeuge die Hyundai-Fabriken. Das waren 3,6 % weniger als im Vorjahr. Die Tochter Kia Motor produzierte im gleichen Zeitraum 1,76 Millionen Stück und damit 2,6 % weniger als 2014. Zusammen wollen Hyundai und Kia in diesem Jahr 8,2 Millionen Einheiten und damit 2,5 % mehr als im Vorjahr verkaufen. Kia hatte sich 2014 um 5,9 % auf 2,08 Millionen Einheiten gesteigert. 2013 und 2014 war die Gruppe um jeweils 4 % gewachsen.Dennoch beteuerte das Hyundai-Management Ende Juli, das eigene Jahresziel von 5,05 Millionen Einheiten (+ 1,8 %) erreichen zu können. Dafür müsste sich Hyundai in der zweiten Jahreshälfte jedoch um 6,5 % steigern, obwohl die Automärkte in China und anderen Schwellenländern schwächeln. China steht für mehr als 20 % und die übrigen Schwellenländer für 12 % des Weltabsatzes von Hyundai. Halden wachsenDie Analysten von Nomura warnten daher vor höheren Lagerbeständen, die im Juni bereits auf 2,4 Monate angewachsen sind. Außerdem würde das aggressive Verkaufsziel höhere Marketing-Kosten verursachen. Das würde den Gewinneffekt der zuletzt schwächeren Landeswährung Won zunichtemachen.Bei beiden Marken ist das schwache Geschäft auf dem weltgrößten Automarkt China die Hauptursache für die Rückgänge der Auslieferungen. Allein im Juli brach der China-Absatz von Hyundai um 32 % zum Vorjahr ein. Die Produktion wurde um 45 % gekürzt. Die Fabrikauslieferungen von 54 160 Stück markierten ein Vierjahrestief. In der ersten Jahreshälfte konnte Hyundai mit 513 784 Stück insgesamt 8,5 % weniger Fahrzeuge verkaufen. Im zweiten Quartal hatte sich dieser Rückgang auf 14 % beschleunigt. Einen Halbjahresrückgang in China hatte Hyundai zuletzt in der zweiten Jahreshälfte 2007 verbucht.Aber die heutigen Probleme der Schwesterfirmen sind anders gelagert: Mit einem Geländewagen-Anteil (SUV) von 20 % am Volumen können die Koreaner die starke Nachfrage in China nach dieser Modellklasse – eine Folge von billigerem Kraftstoff – nicht ausreichend bedienen. Der kleine SUV Tucson wird gerade im Reich der Mitte in neuer Version auf den Markt gebracht. Das Vorgängermodell wurde mit hohen Rabatten von bis zu 40 % in den Markt gedrückt. Auch die Schwestermarke Kia musste beim SUV Sportage mit den Preisen nach unten gehen.Zugleich gewinnen lokale Hersteller wie Geely und Great Wall mehr Marktanteile, sie haben ihre Qualität gesteigert und sind preislich deutlich günstiger. Zuletzt musste Hyundai daher einen Nachlass von 30 000 Yuan (4 200 Euro) für den großen SUV Santa Fe bieten. Die Abschwächung des Won ab Juli hatte Hyundai etwas Luft verschafft, aber eine schnelle Trendwende ist nicht in Sicht. Ausbau des AngebotsTrotz dieser Ernüchterung halten die koreanischen Autobauer an ihrer bisherigen Strategie fest, die eigene Modellpalette zum Vollangebot auszubauen und mit einer Mischung aus hoher Qualität und günstigen Preisen neue Kunden zu gewinnen. Das aktuelle Symbol für diesen Weg ist das Konzept-Coupé “Vision G” von Hyundai. Das Fahrzeug erinnert an das Coupé der Mercedes S-Klasse und holt aus einem 5-Liter-V8-Motor 420 PS heraus. Eine Serienversion könnte einmal das Flaggschiff für die Genesis-Reihe bilden. Die “Vision G” wird nach der Vorstellung im August in Los Angeles auch auf der Frankfurter IAA gezeigt. US-RekordfahrtIn den USA will Hyundai laut Branchenblatt “Automotive News” mit einem kleinen Geländewagen (in Konkurrenz zum Honda HR-V) und voraussichtlich einem vielseitigen Pickup-Truck zwei schmerzhafte Angebotslücken schließen. Trotzdem konnte Hyundai im Juli den US-Absatz um 6 % auf den Rekord von 71 000 Einheiten steigern.Auch bei den grünen Fahrzeugen wollen die beiden Koreaner dicht hinter Branchenführer Toyota bleiben. Schon beim Brennstoffzellen-Auto hatte Hyundai versucht, Toyota durch einen frühen Verkaufsstart die Schau zu stehlen. Der ix35 Fuel Cell lässt sich in Deutschland bereits seit Mai und damit vier Monate früher als Toyotas “Mirai” kaufen. Zudem ist das Fahrzeug 13 000 Euro günstiger. Schon seit zwei Jahren existiert für den ix35 ein Leasing-Angebot.Auch in den USA gibt Hyundai grünes Gas. Dort sollen in den nächsten Jahren vier Hybrid-, zwei Plug-in-Hybrid- und das erste batteriegetriebene Elektroauto an den Start gehen. Das Fundament dieser Expansion bilden jeweils ein spezifisches Hybrid-Modell nach dem Vorbild des Toyota Prius. Das E-Auto kommt voraussichtlich 2016. Positionierung schwierigAls Problem sehen Analysten die Abstimmung und Positionierung der beiden Schwestermarken innerhalb des Konzerns. Hyundai hatte die damals insolvente Kia vor 17 Jahren übernommen. Heute ist die technische Kooperation sehr eng: Für jede Modellklasse gibt es jeweilige Gegenstücke. Das Design ist unter einem Dach: Der Deutsche Peter Schreyer führt die Federn für beide Marken. Dennoch beobachten Branchenkenner Überschneidungen und direkte Rivalität bis hin zum Preis.Hyundai sei eher wie ein großer Bruder von Kia als ein gleichberechtigter Partner, meinte zum Beispiel der koreanische Autoexperte Kim Pil-soo von der Universität Daelim. Das spiegele sich in der höheren Gewinnmarge von Hyundai wider: Hyundai gehe zuerst mit Neuheiten an den Start, Kia folge mit einigen Monaten Abstand. Dadurch würde die Schwestermarke potenzielle Kunden an Hyundai verlieren. Hohe InvestitionenZum Jahresanfang hatte Hyundai neue Investitionen von fast 81 Bill. Won (61,6 Mrd. Euro) angekündigt. Davon sollen in den nächsten vier Jahren 49,1 Bill. Won in den Bau und die Erweiterung neuer und bestehender Anlagen u.a. in Mexiko und China gehen. Weitere 31,6 Bill. Won werden in die Forschung und Entwicklung gesteckt. Mehr als drei Viertel der Summe werden in Korea investiert.Seine Anleger hatte der Konzern mit dem Kauf eines Grundstücks im Zentrum der Hauptstadt Seoul für 10,7 Bill. Won (8,2 Mrd. Euro) verärgert. Zusammen mit Kia und Hyundai Mobis zahlte man im Bieterwettbewerb mit Samsung den dreifachen Marktpreis. Auf der Immobilie soll eine Autostadt mit neuer Konzernzentrale entstehen. Der Aktienkurs ist seitdem um bis zu 45 % eingebrochen.Als “Schmerzensgeld” für die Aktionäre zahlt Hyundai nun erstmals 1 000 Yen pro Aktie als Zwischendividende. Die Rendite steigt damit auf knapp 3 %. Dennoch bleiben die Analysten von Nomura negativ gestimmt: Als Gründe nennen sie eine schwache Wettbewerbsfähigkeit der neuen Modelle und daraus resultierend eine geringe Fabrikauslastung und fallende Margen. Kaufen empfiehlt Nomura bei Kursen unter 130 000 Won, Kursziel sei 150 000 Won. Die größten Risiken seien eine Aufwertung des Won, eine Verschärfung der Chinaschwäche und eine Dividende unter den Erwartungen.—-Zuletzt erschienen:- Ford, 5. September- General Motors, 4. September