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Rocket-Internet-Beteiligungen stehen unter Druck

Von Helmut Kipp, Frankfurt Börsen-Zeitung, 11.10.2018 Beim Börsendebüt von Westwing am vergangenen Dienstag war von der "starken Investorennachfrage", über die der Onlinehändler während der Platzierung berichtet hatte, nichts mehr zu spüren....

Rocket-Internet-Beteiligungen stehen unter Druck

Von Helmut Kipp, FrankfurtBeim Börsendebüt von Westwing am vergangenen Dienstag war von der “starken Investorennachfrage”, über die der Onlinehändler während der Platzierung berichtet hatte, nichts mehr zu spüren. Überraschend stürzte der Aktienkurs nach der Notierungsaufnahme zwischenzeitlich regelrecht ab. Damit erhält die Hoffnung von Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer auf künftige Wertzuwächse einen Dämpfer. Der Start-up-Finanzierer, der bei dem IPO keine Aktien verkauft hat, ist größter Aktionär der auf “inspirationsgetriebenen Home & Living-E-Commerce” spezialisierten Gesellschaft aus München.Bei anderen Rocket-Beteiligungen hakt es ebenfalls. Der Möbelversender Home24, der im Juni an den Aktienmarkt kam und an dem Rocket mit 33 % beteiligt ist, enttäuschte gleich mit dem ersten Quartalsbericht als börsennotiertes Unternehmen. Der lange und heiße Sommer habe die Kunden davon abgehalten, Einrichtungsgegenstände im Internet zu bestellen, so die Botschaft, die allerdings längst nicht alle Investoren überzeugt. Folglich kam die Aktie nach dem fulminanten Börsendebüt ins Rutschen, doch wenigstens hält sie sich in der Nähe des Emissionspreises von 23 Euro.Der Kochboxdienst Hellofresh, an dem Rocket 36 % besitzt, und der Essenslieferdienst Delivery Hero (Rocket-Anteil 6 %) haben ebenfalls kräftig Federn gelassen. Ihre Aktien haben seit dem Juli-Hoch jeweils rund 30 % an Wert verloren. Beide Unternehmen kamen im vergangenen Jahr an die Börse, obwohl sie noch in einem frühen Stadium der Entwicklung steckten, wie die tiefroten Zahlen zeigen. Mit den IPO-Einnahmen werden nun die Ausgaben für Markterschließung und -eroberung hochgefahren, um im Verdrängungswettbewerb Pluspunkte gegenüber der Konkurrenz zu sammeln. Nach dem Motto: Wachstum zuerst, Erträge später. Folglich muss das Erreichen der Gewinnschwelle nach hinten verschoben werden. Wobei “Gewinn” geschmeichelt ist – gemeint ist nicht der Nettoertrag, sondern das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) nach Herausrechnen von Sonderfaktoren.Selbst Zalando, die Vorzeigefirma aus dem Rocket-Stall, muss Rückschläge wegstecken. Im September schraubte der Onlinehändler für Bekleidung und Schuhe das Gewinnziel abermals herunter. Doch immerhin schreibt der MDax-Konzern, bei dem Rocket Internet 2013 ausgestiegen war, unter dem Strich seit Jahren schwarze Zahlen.So weit ist Westwing noch lange nicht. Im ersten Halbjahr 2018 lag der Periodenverlust der fortgeführten Geschäftsbereiche bei 5,4 Mill. Euro oder 4,5 % des Umsatzes. Doch zumindest die bereinigte Ebitda-Rechnung zeigt seit dem vierten Quartal 2017 positive Resultate. Rückzug aus EinzelmärktenAuch mit Blick auf die regionale Aufstellung sind die Dinge im Fluss. Westwing hat das Brasilien-Geschäft im August verkauft, der Rückzug aus Russland und Kasachstan ist eingeleitet. Damit konzentriert sich der Börsenneuling auf elf europäische Länder, wobei Deutschland, Österreich und die Schweiz die Kernregion bilden. Delivery Hero bietet seine Dienste nicht nur in Europa an, sondern auch im Nahen Osten und in Nordafrika sowie in Lateinamerika und im Asien-Pazifik-Raum. Dieser globale Aktionsradius birgt die Gefahr, sich zu verzetteln. Inzwischen steuert das Management stärker gegen: Das Brasilien-Geschäft wurde an iFood veräußert, die Schweizer Aktivitäten gingen an den Wettbewerber Takeaway.com. Auch aus Australien, Frankreich, Italien und den Niederlanden zieht sich Delivery Hero zurück. Zuvor hatten die Berliner ihre Unternehmung in Georgien und das Kasachstan-Geschäft abgestoßen und die britische Tochter Hungryhouse an den Konkurrenten Just Eat veräußert. Im Gegenzug erwarb der Konzern zuletzt Hipmenu in Rumänien sowie das argentinische Geschäft von iFood und investierte in die in Spanien ansässige Glovo.Derweil rückt der Break-even in weite Ferne. Von schwarzen Zahlen auf Monatsbasis bis Ende 2018, bezogen auf das bereinigte Ebitda, ist keine Rede mehr. Stattdessen dürfte der operative Verlust in absoluten Zahlen 2018 kräftig wachsen und in Relation zu dem auf geschätzte 760 bis 780 Mill. Euro steigenden Umsatz bei hohen 17 % verharren. Umso wichtiger ist nun, dass es Delivery Hero gelingt, in dem umkämpften jungen Markt die Konkurrenz auf Distanz zu halten. Ansonsten läuft der Konzern Gefahr, dass Investoren das Vertrauen verlieren. Dann wird die noch immer sehr hohe Börsenbewertung von 6,7 Mrd. Euro kaum zu halten sein.Hellofresh will den operativen Break-even statt im vierten Quartal 2018 nun im Laufe des Jahres 2019 schaffen. Immerhin ist der Konzern, der an der Börse gut 1,6 Mrd. Euro auf die Waage bringt, der Nulllinie deutlich näher als etwa Delivery Hero. Im zweiten Quartal machte der bereinigte Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen noch 1,2 % des Umsatzes aus. Allerdings ist auch der Verkauf von Essensboxen mit Lebensmitteln zum Selberkochen ein hoch kompetitives Geschäft, das Großkonzerne wie Wal-Mart für sich entdecken. Blue Apron muss dem Wettbewerb bereits Tribut zollen, Umsatz und Kundenzahl sinken. Die Aktie des seit Juni 2017 börsennotierten US-Konkurrenten scheint keinen Boden zu finden.