Rom mischt sich immer stärker in die Wirtschaft ein

Intervention bei TIM - Neuer Konflikt mit Atlantia

Rom mischt sich immer stärker in die Wirtschaft ein

bl Mailand – Italiens Regierung mischt sich zunehmend in die Privatwirtschaft ein. Sie plant nicht nur die Verstaatlichung der Airline Alitalia und des Stahlwerks von Taranto. Rom hat auch direkt in den von Telecom Italia (TIM) geplanten Verkauf eines Teils des Festnetzgeschäfts an die Beteiligungsgesellschaft KKR eingegriffen. In einem Brief an den Aufsichtsrat verlangte Wirtschafts- und Finanzminister Roberto Gualtieri, dass die geplante Veräußerung von 37,5 % der Festnetzaktivitäten für 1,8 Mrd. Euro zunächst bis 31. August gestoppt wird. Die Regierung dringt auf die Bildung einer einheitlichen italienischen Netzgesellschaft unter Einschluss der Netzgesellschaft Open Fiber, die zu jeweils 50 % von der mehrheitlich staatlichen Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) und dem Stromversorger Enel kontrolliert wird. Die Bemühungen um die Bildung einer Netzgesellschaft, die von TIM kontrolliert wird, scheitern bisher am Widerstand von Enel.Sowohl TIM, die mit KKR handelseinig war, als auch die Investmentgesellschaft KKR akzeptierten die Bitte der Regierung. Beobachter bezweifeln aber, dass bis Ende August eine Lösung gefunden wird. Über die Bildung einer monopolistischen Festnetzgesellschaft wird schon seit vielen Monaten diskutiert, ohne dass man einer Einigung nähergekommen wäre.Die Coronaviruskrise ließ die Einnahmen und Erträge von Telecom Italia (TIM) im zweiten Quartal abschmelzen. Der Umsatz sank um 10,1% auf 3,8 Mrd. Euro. Dass der Nettogewinn trotzdem im Halbjahr um 23 % auf 678 Mill. Euro stieg, lag am Verkauf von Anteilen an der Funkmastengesellschaft Inwit.Unterdessen eskaliert der Konflikt mit dem Infrastrukturkonzern Atlantia. Das zu 30 % von der Familie Benetton kontrollierte Unternehmen hat jetzt die Verhandlungen mit der mehrheitlich staatlichen Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) über den Verkauf einer Mehrheit am Autobahnbetreiber Autostrade per l’Italia (Aspi) beendet. Mitte Juli hatte Atlantia, die Aspi zu 88 % kontrolliert, auf Druck der Regierung in Rom wegen des Einsturzes der Autobahnbrücke von Genua im August 2018 dem Verkauf eines Großteils der Beteiligung an die CDP zugestimmt.Bei den Verhandlungen soll es große Differenzen über die Bewertung von Aspi gegeben haben. Außerdem soll die CDP von Atlantia weitreichende und langjährige Garantien für das Autobahnnetz verlangt haben, die das Unternehmen nicht akzeptieren will.Der Verwaltungsrat prüft nun einen Verkauf der gesamten Beteiligung an den Meistbietenden. Alternativ sei denkbar, dass ein Teil oder die gesamte Beteiligung an die Börse gebracht wird. Nur so könnten Transparenz hergestellt, ein Verkauf zum Ausverkaufspreis verhindert und die Interessen der Atlantia- und Aspi-Aktionäre gewahrt bleiben. Einige von ihnen wollen bei der EU Klage wegen des von der Regierung aufgezwungenen Verfahrens erheben.