Rückschlag für Volkswagen in Anlegerprozess

Richter: Auch vorenthaltene Informationen unterhalb der Vorstandsebene können entscheidend sein

Rückschlag für Volkswagen in Anlegerprozess

dpa-afx Braunschweig – Im milliardenschweren Anlegerprozess zu “Dieselgate” haben Volkswagen und dessen Hauptaktionär Porsche SE einen neuen Dämpfer kassiert. Nach vorläufiger Auffassung des Oberlandesgerichts Braunschweig ist auch das Wissen von Managern unterhalb der Vorstandsebene für die mögliche Information der Märkte entscheidend. Richter Christian Jäde machte am Montag aber klar, dies sei keine Vorentscheidung. Klägeranwalt Andreas Tilp sprach dennoch von einem “sehr guten Tag für die Kläger”. VW-Anwalt Markus Pfüller erklärte, man teile die Auffassung des Gerichts nicht.Das Argument des Senats: Leitende Angestellte wie Abteilungsleiter hätten direkten Kontakt zum Vorstand. Konkret sprach Jäde die Abteilungen für Aggregateentwicklung als “Herzstück” sowie die Produktsicherheit an. Zudem sei etwa in der Motorenentwicklung mit Insiderwissen zu rechnen, das sich auf die Geschäfte auswirken und relevant für die Märkte sein könne, sagte er. Damit sei nicht nur der Vorstand für sogenannte Ad-hoc-Meldungen an die Märkte verantwortlich.In dem Verfahren geht es im Kern um die Frage, ob VW die Märkte rechtzeitig über den Skandal um Millionen von manipulierten Dieselmotoren informiert hat. Eine “Ad-hoc-Mitteilung” im Abgasskandal hatte der Konzern am 22. September 2015 veröffentlicht. Aus Sicht der Kläger war dies zu spät, aus VW-Sicht gab es dagegen keine Anhaltspunkte für eine Kursrelevanz, bis die US-Umweltbehörde EPA am 18. September 2015 ihre Anschuldigungen öffentlich gemacht hatte. Musterbeklagte sind Volkswagen und der VW-Hauptaktionär Porsche SE, Musterklägerin ist die Fondsgesellschaft Deka Investment – stellvertretend für rund 1 700 Kläger. Bereichsleiter sind laut Jäde nach vorläufiger Auffassung partiell verantwortlich für Ad-hoc-Informationen an die Märkte – der Vorstand allein könne die Informationsbeschaffung nicht bewältigen: “Bei einer nicht mehr ganz so kleinen Gesellschaft ist der Vorstand nicht in der Lage, die Ad-hoc-Pflicht allein zu erfüllen”, sagte er. Diese Sachverhalte seien aber umstritten, es gebe noch keine höchstrichterliche Entscheidung.Tilp erklärte, es komme damit nicht mehr darauf an, ob Ex-Konzernchef Martin Winterkorn die Hintergründe des Skandals gekannt habe. Das Problem dabei: Sollte der Senat sich auf diese Sicht festlegen, könnte dies dem Vernehmen nach bedeuten, dass der Vorstand haftet, auch wenn Mitarbeiter bewusst Informationen verschweigen. Nach VW-Angaben sind konzernweit derzeit 1 750 Bereichsleiter beschäftigt. Im gesamten Zeitraum, um den sich das Verfahren dreht, seien es weitaus mehr.Entscheidend für das Verfahren ist aber noch eine andere Frage: Der Senat ließ zunächst offen, ob überhaupt eine kursrelevante Information vorlag. “Und darauf kommt es an”, heißt es in einem VW-Statement. Man werde noch “trefflich” über diese Frage streiten, erklärte Pfüller. Und: Wäre Vorstandswissen in dem Skandal nachweisbar, dann bräuchte man den “Umweg” über die Zurechnung des Wissens der Managementebene darunter nicht, sagte er. Der Gedanke an einen Vergleich sei jedenfalls momentan abwegig – “wir sind in der Einführung des Streitgegenstands”. Volkswagen teilte mit: “Was wir heute zur Wissenszurechnung gehört haben, entspricht nicht der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur.”