RWE pokert um Braunkohle-Milliarden

Vorstandschef Schmitz fordert von Bundesregierung 4 Mrd. Euro Entschädigung für die Abschaltung von 3 Gigawatt Kraftwerken

RWE pokert um Braunkohle-Milliarden

Durch die Windräder und Solaranlagen von Eon und Innogy wird der Kohleverstromer RWE zu Europas drittgrößtem Ökostromriesen. Ab 2020 schüttet der Konzern 500 Mill. Euro jährlich aus. Doch schon vorher können sich Aktionäre auf üppige staatliche Milliardenentschädigungen für den Braunkohleausstieg freuen.cru Essen – Für RWE könnte der Kohleausstieg zu einer wichtigen Einnahmequelle werden. Der Konzern soll nach dem Willen der Kohlekommission bis 2022 rund 3 Gigawatt Braunkohlekraftwerkskapazität im Rheinischen Revier vom Netz nehmen – und Vorstandschef Rolf Martin Schmitz strebt dafür nach Möglichkeit eine milliardenschwere Entschädigung von der Bundesregierung an.”Dass die Entschädigungen für die Stilllegung weiterer Kraftwerke deutlich höher ausfallen müssen als in der Vergangenheit, liegt auf der Hand. Anders als noch bei der Sicherheitsbereitschaft sind jetzt auch Tagebaue betroffen, so dass weitere Stilllegungen von Kraftwerken in der Braunkohle unmittelbare Auswirkungen auf das Tagebausystem haben. Wir gehen daher davon aus, dass die Entschädigungen vermutlich bei mindestens dem Doppelten der Sicherheitsbereitschaft liegen müssen”, sagte Schmitz am Donnerstag anlässlich der Bilanzvorlage für 2018 in Essen.Für die Einmottung von Braunkohlekraftwerken in der Sicherheitsbereitschaft hatte der Staat 600 Mill. Euro je Gigawatt an die Konzerne gezahlt. Nun sollen es also mindestens 1,2 Mrd. und bis zu 1,5 Mrd. Euro werden, wie Schmitz ankündigte. In der Braunkohlesparte des Konzerns seien durch die vorzeitigen Abschaltungen bis 2022 rund 2 700 Arbeitsplätze bedroht. Insgesamt verfügt RWE über 10 Gigawatt Braunkohlekapazität. Gespräche mit der Bundesregierung über Entschädigungen hätten gerade erst begonnen, sagte Schmitz. Der Prozess werde sicherlich Monate dauern.Die Entschädigungsforderung von 4 Mrd. Euro für 3 Gigawatt kontrastiert indes mit der abnehmenden Ertragsstärke der Braunkohle im RWE-Konzern. Das Segment Braunkohle & Kernenergie hat 2018 ein bereinigtes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von nur 356 Mill. Euro erzielt – nach 671 Mill. Euro im Vorjahr. Geplant war ein Ergebnis zwischen 350 Mill. und 450 Mill. Euro. Der Rückgang hat laut Finanzvorstand Markus Krebber im Wesentlichen zwei Gründe: die “niedrigeren realisierten Margen und eine geringere Strommenge, die hauptsächlich aus der Stilllegung von Block B des Kernkraftwerks Grundremmingen Ende 2017 resultierte”. Böse Überraschung HambachEine zusätzliche, für RWE unangenehme Überraschung war im Herbst der vom Oberverwaltungsgericht Münster verhängte vorläufige Rodungsstopp im Hambacher Wald. Nach jüngsten Konzernschätzungen wird die Braunkohleförderung aus dem Tagebau Hambach deswegen aber nur um 5 Mill. anstatt der zunächst befürchteten mindestens 10 Mill. Tonnen niedriger ausfallen. Das bedeutet ein um 100 Mill. Euro geringeres Ebitda im Jahr 2019.RWE erwägt einen Verzicht auf die Rodung des Hambacher Forstes. “Wir werden prüfen, was mit Blick auf Standsicherheit, Rekultivierung und Wasserwirtschaft möglich ist”, sagte Schmitz. Klar sei, dass auch das eine Menge Geld kosten würde. Wirtschaftlich und betrieblich wäre das zwar nicht sinnvoll. “Aber Symbole haben eben ihren Preis.”Trotz des operativen Gewinnrückgangs um ein Viertel auf 1,5 Mrd. Euro im Vorjahr und des schwachen Ausblicks für das operative Geschäft im Jahr mit höchstens 1,5 Mrd. Euro Ebitda nahmen die Anleger am Donnerstag die Aussagen zur Halbierung der Schulden auf 2,3 Mrd. Euro, der für 2019 von 70 auf 80 Cent steigenden und danach weiter in mindestens dieser Höhe geplanten Dividende und den erwarteten Milliardenentschädigungen positiv auf. Der Kurs der RWE-Aktie reagierte mit einem Plus von 1,6 % auf 22 Euro. Der Börsenwert des Konzerns hat sich seit dem Freikauf vom Atommüll Ende 2016 verdoppelt auf 12,5 Mrd. Euro.2019 wird nun für RWE ein Jahr des Übergangs. Nach der Übernahme der Ökostromerzeugungssparten vom Rivalen Eon und der Tochter Innogy wird der Konzern zum drittgrößten Ökostromerzeuger Europas, dessen operativer Gewinn zu mehr als der Hälfte aus grünen Energien kommen wird – und nicht mehr wie bisher hauptsächlich aus der Innogy-Dividende von jährlich 600 Mill. Euro. Große Investitionen in deutsche Erneuerbare-Projekte sind laut Schmitz eher nicht vorgesehen, da diese nicht rentabel seien. Der Schwerpunkt liege auf Amerika, dem europäischen Ausland und Asien.