SAP zahlt 8 Mrd. Dollar für Qualtrics
SAP zieht alle Register, um den Rückstand auf Salesforce im lukrativen Markt mit Software zum Management von Kundenbeziehungen zu verkürzen. Für 8 Mrd. Dollar in bar bzw. den 20-fachen erwarteten Umsatz des laufenden Jahres erwirbt der Dax-Konzern das Analytik-Start-up Qualtrics unmittelbar vor dessen Gang an die Börse.scd Frankfurt – Nach Jahren mit kleineren “Tuck-in-Akquisitionen”, wie sie Finanzvorstand Luca Mucic nennt, hat SAP wieder tiefer in die Schatulle gegriffen. Für 8 Mrd. Dollar in bar erwirbt Europas größter Softwarekonzern den US-amerikanischen Analytikspezialisten Qualtrics International, der SAP insbesondere im Geschäft mit Software für das Management von Kundenbeziehungen (CRM) helfen soll. Hier hat der Konzern aus Walldorf zuletzt Wachstumschancen ausgemacht und den Fokus verstärkt.Marktforscher schätzen, dass Salesforce hier aktuell noch auf einen bis zu dreimal so hohen Marktanteil wie der deutsche Konkurrent kommt. Im vergangenen Jahr soll SAP zudem einer Studie von IDC zufolge gegenüber allen großen Wettbewerbern Marktanteile eingebüßt haben (siehe Bericht auf dieser Seite). Für Qualtrics musste SAP auch deshalb tief in die Tasche greifen – gezahlt wird etwa der 20-fache für 2018 erwartete Umsatz -, weil das wachstumsstarke und operativ profitable Unternehmen auf den letzten Metern vor dem Gang an die Börse gestoppt werden musste. Qualtrics-CEO Ryan Smith, der nach der Übernahme weiter an der Spitze stehen soll, hatte einen Börsenwert von “deutlich über 5 Mrd. Dollar” angepeilt. Laut Smith war das Aktienangebot bereits 13-fach überzeichnet und die Roadshow noch nicht einmal abgeschlossen. “Ich denke, es war offensichtlich, dass wir bei einer Bewertung von 5 Mrd. bis 6 Mrd. Dollar gelandet wären”, sagte Smith. Seltene ChanceMcDermott räumte in der Telefonkonferenz am frühen Montagmorgen ein, dass die milliardenschwere Akquisition angesichts einiger Management-Aussagen der jüngeren Vergangenheit, man suche nicht nach größeren Akquisitionszielen, für Investoren womöglich überraschend komme. Allerdings ergebe sich eine vergleichbare Chance wie die Übernahme von Qualtrics nur sehr selten. Auch Smith begründete seinen Abschied vom Going Public mit der Chance, die sich mit SAP geboten habe: “Wir haben hier die einmalige Gelegenheit, Erlebnis-Management in die Welt hinauszutragen und die Art, wie über CRM, ERP und andere klassische Softwarefelder gedacht wird, fundamental zu verändern.” Millionen von Kunden beschwerten sich jeden Tag über schlechte Erfahrungen mit Unternehmen, und in der heutigen Zeit sei dies extrem kostspielig, sagte McDermott. In jedem Board-Meeting sei Churn – der Verlust bestehender Kunden – ein Kernthema in diesen Tagen.Um das Kundenerlebnis zu optimieren, müssten künftig zwei Datenarten zusammengebracht werden: operative Daten zum Geschäft des Unternehmens und Daten zu den Kundenerlebnissen. “Operative Daten erklären Dir, was passiert ist. Erlebnisdaten sagen Dir aber, warum es passiert ist”, sagte McDermott. Bis heute gebe es kein Unternehmen, das beide Datenstränge zusammenbringe, weil heutige CRM-Software noch immer sehr auf dem Back Office aufsetze.”Wir haben unsere Plattform so aufgebaut, dass sie sich in alle operativen Datensysteme integrieren lässt”, versprach Smith. SAP sei das einzige Unternehmen, dass alle Plattformen betreibe, die nötig seien, um ein Geschäft zu steuern. Entsprechend blicke Qualtrics “begeistert” in die gemeinsame Zukunft. Im Laufe der Jahre hätten mehrere Unternehmen ernsthafte Versuche unternommen, Qualtrics zu übernehmen. Man sei aber stets profitabel gewesen und habe sich daher nie auf einen Deal einlassen müssen. Bei SAP wolle Qualtrics den Deal nun selbst unbedingt. “Ich habe gesehen, was SAP in der Cloud geschafft hat, und das nötigt mir den höchsten Respekt ab”, sagte Smith.Aus eigener Kraft ist Qualtrics zuletzt um gut 40 % gewachsen. SAP setzt darauf, mit ihrem größeren und internationaler aufgestellten Vertriebsteam zusätzliche Dynamik entfesseln zu können. Mit Abschluss der Transaktion werde SAP die Qualtrics-Plattform “überall auf dem Planeten Erde” anbieten, kündigte McDermott an. Überlappungen bei den Produkten gebe es nicht. Der SAP-Präsentation zufolge wird der adressierbare Markt durch die Übernahme um rund 44 Mrd. auf fast 400 Mrd. Dollar ausgebaut. “Keine noch so hohe Anzahl an kleineren Akquisitionen hätte einen vergleichbaren Wert wie dieser Zukauf liefern können”, sagte McDermott an die Aktionäre gerichtet. Diese zeigten sich in einer ersten Reaktion alles andere als begeistert. Die SAP-Aktie gab gestern um 5,6 % auf 89,80 Euro nach. Abschluss im ersten HalbjahrDen Abschluss der in Euro gerechnet größten Übernahme der Firmengeschichte erwartet SAP – das Okay der Wettbewerbshüter vorausgesetzt – im ersten Halbjahr 2019. Eine Finanzierung von 7 Mrd. Euro zur Deckung des Übernahmepreises und akquisitionsbezogener Kosten sei bereits gesichert. Zu den Verkäufern der in Provo (US-Bundesstaat Utah) ansässigen Qualtrics zählen die Venture-Capital-Gesellschaften Accel, Sequoia und Insight Venture Partners (siehe Bericht auf dieser Seite).