Schaeffler erhöht Angebot für Vitesco
Schaeffler stockt Angebot für Vitesco auf
Beide Autozulieferer einigen sich auf Verschmelzung – Barofferte von 94 Euro je Aktie
sck München
Der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler ist seinem Ziel, den Antriebsspezialisten Vitesco zu schlucken, einen Schritt näher gerückt. Nach einem aufgestockten Übernahmeangebot einigten sich beide Unternehmen auf eine Verschmelzung. Diese sieht vor, dass Vitesco in Schaeffler aufgeht.
Im Tauziehen um die Unternehmensbewertung hat der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler seine Offerte für den Antriebsspezialisten Vitesco erhöht. Das SDax-Mitglied mit Sitz im fränkischen Herzogenaurach kündigte ad hoc an, das Barangebot je Aktie um 3 Euro auf 94 Euro heraufzusetzen. Damit bewertet die Führung von Schaeffler das im MDax notierte Übernahmeziel mit insgesamt 3,76 Mrd. Euro. Das sind 120 Mill. Euro mehr als bislang in den am 15. November veröffentlichten Erwerbsunterlagen vorgesehen. Die Aktionäre des Regensburger Antriebsspezialisten haben noch bis zum 15. Dezember die Möglichkeit, ihre Anteilscheine anzudienen. Die Entscheidung, den Preis anzuheben, unterstreiche die Zuversicht des Vorstands mit Blick auf die erwarteten Synergien und das Wertschöpfungspotenzial des Zusammenschlusses, erklärte Schaeffler.
Zuletzt äußerte sich Vitesco unzufrieden zu dem bisherigen Angebot von 91 Euro je Titel. So bezeichnete Vorstandschef Andreas Wolf die Offerte als zu niedrig. Damit zeichneten sich Nachbesserungen ab, denn Schaeffler-CEO Klaus Rosenfeld zielt darauf ab, den Neuerwerb möglichst reibungslos und schnell über die Bühne zu bringen. Seit der erstmaligen Ankündigung von Schaeffler am 9. Oktober, Vitesco schlucken zu wollen, notierte das Papier vorwiegend über der ursprünglichen Offerte. Am zurückliegenden Freitag waren es nahezu 95 Euro. Anleger spekulierten also, dass Schaeffler nachbessert. Zum Auftakt der neuen Woche büßte die Vitesco-Aktie zeitweise 1,3% auf 93,40 Euro ein. Die stimmrechtslose Vorzugsaktie von Schaeffler verlor 2,3% auf 5,02 Euro.
Vorbehalte bleiben
In einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten Vorstand und Aufsichtsrat von Vitesco, dass sie auch das erhöhte Angebot „aus finanzieller Sicht nicht für angemessen“ halten. Sie räumten aber ein, dass die Offerte „im aktuellen Marktumfeld eine potenziell attraktive Ausstiegsmöglichkeit für risikoaverse oder kurzfristig orientierte Anleger“ darstelle. Aktionäre, die das Angebot weder annehmen noch ihre Aktien über die Börse veräußern, blieben künftig an Vitesco beteiligt, erhielten aber im Rahmen einer Verschmelzung von Vitesco auf Schaeffler Anteilscheine am neuen kombinierten Unternehmen.
Trotz der nach wie vor bestehenden Vorbehalte der Regensburger bei der Unternehmensbewertung einigten sie sich mit der Verwaltung des Bieters aus Franken auf ein Abkommen über eine Verschmelzung. Damit sei „die Grundlage für eine zügige und effektive Integration“ geschaffen, ließ sich Schaeffler-Vorstandschef Rosenfeld in der Mitteilung zitieren. Er bekräftigte, dass sich beide Unternehmen „auf ideale Weise“ ergänzten. Die Verschmelzung böte „erhebliches Synergiepotenzial“ von 600 Mill. Euro jährlich.
Die Verwaltung von Vitesco stimmte im Wesentlichen dieser strategischen Einordnung zu. Vitesco bewertete die Tatsache „positiv“, dass die von Schaeffler anvisierten Synergien „vorrangig durch Wachstum und langfristige Wertschöpfung erreicht werden sollen und nicht durch Standortschließungen oder den Abbau von Arbeitsplätzen“.
Rosenfeld bleibt an Konzernspitze
Die Vereinbarung sieht im Kern vor, dass Vitesco in Schaeffler aufgeht. An der Spitze des neunköpfigen Vorstands des neuen Firmengebildes steht Rosenfeld. Vom sechsköpfigen obersten Vitesco-Führungsorgan bleibt lediglich Thomas Stierle übrig. Dieser verantwortet künftig den Bereich Elektromobilität. Die übrigen fünf, darunter Wolf, müssen gehen. Bei Vitesco leitet Stierle seit Oktober 2021 den Bereich Elektrifizierung.
Seit der Abspaltung von Continental hält die Eigentümerfamilie Schaeffler mit 49,9% nahezu die Hälfte am Grundkapital von Vitesco über eine Beteiligungsholding. Aufgrund der Aktionärsstruktur ist aus Sicht von Schaeffler die Übernahme finanziell gut zu stemmen. Die Familienholding dient ihre Anteile nicht an. Die Schaeffler AG muss dadurch für den vollständigen Erwerb der im Streubesitz befindlichen Anteilscheine insgesamt „nur“ 1,9 Mrd. Euro berappen. Schaeffler finanziert das überwiegend mit Bankkrediten.
Sonder-Aktionärstreffen 2024
In einem zweiten Schritt würde Schaeffler die börsennotierten Vorzugaktien in Stämme wandeln. Dadurch würden diese Papiere mit den Anteilen der Familie gleichgestellt. Auf einer voraussichtlich Anfang Februar stattfindenden außerordentlichen Hauptversammlung will Schaeffler darüber abstimmen. Über den Verschmelzungsvertrag müssten beide Unternehmen auf Aktionärstreffen gesondert entscheiden. Bei Vitesco ist dafür der 24. April 2024 terminiert. Am Ende könnten alle verbliebenen Vitesco-Papiere in Aktien der fusionierten "neuen" Schaeffler umgetauscht werden. Das Umtauschverhältnis selbst ist noch offen. Es soll auf Basis einer unabhängigen Ermittlung der Unternehmenswerte nach Konzernangaben im Verschmelzungsvertrag festgelegt werden.