Siemens laboriert an Medizintechnik
Siemens Healthineers hat die Nachfragestruktur für das neue Labordiagnostik-System Atellica Solution falsch eingeschätzt und muss daher mehr Geld in die Installation der Geräte stecken. Die Marge sank im ersten Quartal von 17,1 % auf 16,5 %. Das Management hält jedoch an den Jahreszielen fest.mic München – Das börsennotierte Siemens-Medizintechnikunternehmen Healthineers hat einen Fehlstart in das Geschäftsjahr 2018/2019 (30. September) hingelegt. Alle wesentlichen Kennziffern landeten wegen Problemen bei Installationen des Labordiagnostik-Systems Atellica Solution im ersten Quartal fernab jener Werte, die für das gesamte Geschäftsjahr prognostiziert wurden. Vorstandsvorsitzender Bernd Montag zeigte sich zwar in einer Telefonpressekonferenz mit der Auftragslage und den Rückmeldungen insbesondere aus Großlaboren sehr zufrieden. Er fügte aber hinzu: “Nicht zufrieden sind wir mit der Profitabilität im Diagnostik-Geschäft.” Prognose bleibt gültigDie bereinigte Ergebnismarge ging im Gesamtkonzern von 17,1 % auf 16,5 % zurück, für das Geschäftsjahr werden 17,5 % bis 18,5 % prognostiziert. Das vergleichbare Umsatzwachstum betrug 2,5 % auf 3,3 Mrd. Euro (Ziel: 4 % bis 5 %), das Ergebnis pro Aktie stieg um 11 % auf 0,34 Euro (Ziel: 20 % bis 30 %). Der Aktienkurs war im Vormittagshandel in der Spitze um 6,4% gesunken. Er schloss den Xetra-Handel mit einem Minus von 4,4% auf 33,76 Euro.Das Management hielt an der Prognose für das Geschäftsjahr fest. Die Ausgaben für die Atellica-Solution-Einführung würden zwar im Jahresverlauf nicht sinken, sagte Finanzvorstand Jochen Schmitz im Gespräch mit Analysten. Sie trugen nach Healthineers-Angaben zwei Punkte zum Margenrückgang der Sparte Diagnostik im ersten Quartal um 2,9 Punkte auf 8,1 % bei (siehe Grafik). Veränderte Währungsrelationen vom Dollar zu Schwellenländerwährungen belasteten mit weiteren 1,3 Punkten.Schmitz erklärte die Zuversicht aber damit, dass im Jahresverlauf immer mehr Atellica-Systeme installiert sein würden und damit das profitable Reagenzien-Geschäft anlaufe. Siemens Healthineers hat bisher 1 370 Systeme abgesetzt (370 im ersten Quartal). Davon waren nach Angaben von Vorstandschef Montag Ende Dezember erst 400 Systeme fertig installiert. Er hielt daran fest, dass im laufenden Geschäftsjahr 2 200 bis 2 500 Systeme ausgeliefert werden sollen. Dieses Ziel sei aber nun ambitionierter. Es lägen andererseits bereits 400 Bestellungen vor.Die höheren Anlaufkosten erklärte Montag mit einer unerwarteten Struktur der Kundennachfrage. Viele jener Labors, die bereits zu den Healthineers-Kunden gehört hätten und einfache Systeme betrieben, hielten an ihren Verfahren fest und wechselten nicht zu der modularen Atellica-Lösung, sagte er Analysten. Dagegen gebe es unerwartet zahlreiche Aufträge aus Großlaboren, die mindestens acht einzelne Systeme umfassten. Sie seien aufwendig zu installieren. So kämen mehr als 35 % der Orders von Neukunden, erwartet habe Healthineers nur 20 %. Der Anteil installationsaufwendiger Automatisierungslösungen liege bei 35 %, in der installierten Basis seien es nur 15 %. Montag sagte, dass Großlabore lukrative Kunden seien. Cash-flow negativIn Reaktion auf die Probleme hat Siemens Healthineers Personal aufgebaut und die “besten Leute” (Montag) in einer projektartigen Struktur zusammengezogen. Es werde direkt an ihn berichtet, sagte Montag: “Intern machen wir es so, dass das Thema absolute Vorfahrt hat.” Die Zeitverzögerung zwischen Auslieferung und Fertigstellung solle im Durchschnitt des Geschäftsjahres auf fünf Monate reduziert werden. Es lässt sich abschätzen, dass sie aktuell acht Monate beträgt.Das Umsatzplus der Diagnostik-Sparte von 3 % im Quartal relativierte Schmitz. Im Vorjahresquartal seien die Erlöse gesunken, daher betrage das normalisierte Plus 2 %. Ausgehend von diesem Wert solle es in jedem Quartal zulegen.Der Gewinn nach Steuern stieg trotz der operativen Probleme um 11 % auf 345 Mill. Euro (siehe Tabelle). Schmitz begründete dies mit einer niedrigeren Zinsbelastung nach der Entschuldung durch die Mutter Siemens und mit einer niedrigeren Steuerquote. Der freie Cash-flow drehte ins Negative: Er sank von 9 Mill. Euro auf -24 Mill. Euro. Schmitz verwies auf den Anstieg der Vorräte von 1,8 Mrd. Euro auf 2,0 Mrd. Euro, den er als temporär bezeichnete. Außerdem habe es Kapazitätserweiterungen gegeben.Mit der Performance der Sparte Advanced Therapies (Neuartige Therapien) zeigte sich Schmitz sehr zufrieden, obwohl der vergleichbare Umsatz um 4 % und die bereinigte Marge um 2,7 Prozentpunkte auf 19,7 % sank. Der Vorstand verwies auf die hohen Werte des Vorjahresquartals. Hauptergebnisbringer waren erneut die Bildgebenden Systeme. Sie steigerten das operative Ergebnis um 7 % auf 396 Mill. Euro.