Siemens übertrifft Erwartungen

Softwaregeschäft treibt die Gewinnmarge - Sparkurs intensiviert - Neue Option für Trennung von Flender

Siemens übertrifft Erwartungen

Siemens hat sich im dritten Quartal des Geschäftsjahres (30. September) besser geschlagen als erwartet, traut sich aber keine Gewinnprognose zu. Der Sparkurs wird verschärft. Der Konzern zeigt sich offen für einen Verkauf der Tochter Flender. Trotz der höheren Verschuldung hält Siemens an Ausschüttungsquote und Aktienrückkäufen fest. Der künftige Vorstandschef Roland Busch betont den Wert organischen Wachstums.mic München – Im dritten Quartal (30. Juni) sehe Siemens Auswirkungen der Corona-Pandemie auf alle Geschäfte, sagte der designierte Vorstandschef Roland Busch bei Vorlage der Quartalszahlen. Er fügte hinzu: “Unsere Performance ist besser – zum Teil wesentlich besser -, als wir das vor drei Monaten erwartet hatten.” Die Siemens-Aktie beendete den Xetra-Handel mit einem Kursplus von 1,6 % auf 113,88 Euro. 8 500 KurzarbeiterDer Umsatz der fortgeführten Geschäfte (ohne Energie-Aktivitäten) sank auf vergleichbarer Basis um 5 % auf 13,5 Mrd. Euro. Die Analysen hatten im Schnitt mit 12,8 Mrd. Euro gerechnet. Der operative Gewinn (angepasstes Ebita) legte um 8 % auf 1,8 Mrd. Euro zu. Damit sprang die Ebita-Marge ohne Personalrestrukturierung von 13,0 % auf 14,7 %, während die Analysten im Schnitt 10,5 % erwartet hatten.Dafür sorgte einerseits der Griff von Halbleiterkonzernen nach der hochprofitablen Software von Mentor Graphics in der Sparte Digitale Industrien. Andererseits brachte eine Neubewertung der Beteiligung an Bentley 211 Mill. Euro. Dies erhöhte die Marge um 1,7 Prozentpunkte.Siemens hielt an der Prognose fest, dass der vergleichbare Umsatz im Geschäftsjahr moderat zurückgeht – er sank in den ersten neun Monaten um 2 % – und das Verhältnis von Auftragseingang zu Umsatz über 1 liegt (neun Monate: 1,06). Eine neue Zielvorgabe für das Ergebnis pro Aktie wollte der Konzern nicht nennen. Er verwies darauf, dass die Höhe des Abspaltungsgewinns für Siemens Energy nicht prognostiziert werden könne. Außerdem wisse man nicht, ob, wann und wie sich eine zweite Infektionswelle auswirke, sagte Vorstandschef Joe Kaeser: “Deshalb sind wir auch sehr vorsichtig.”Seinen Angaben zufolge sind in Deutschland 8 500 Siemens-Beschäftige in Kurzarbeit. Finanzvorstand Ralf Thomas wies darauf hin, dass das Quartal durch eine hohe China-Nachfrage, coronabedingt um 70 % gesunkene Reisekosten, Mentor-Aufträge und Bentley-Effekt unterstützt worden sei.Busch nannte vier Prioritäten für die nächsten zwölf Monate und damit für den Beginn seiner Amtszeit. Erstens gelte es, die Vision 2020+ weiter umzusetzen. Siemens habe ein ambitioniertes Kostenprogramm. Die Ziele für die Kostensenkung bis zum Geschäftsjahr 2021 werden um 35 Mill. auf 510 Mill. Euro erhöht – die Sparte Digitale Industrien soll davon mit 320 Mill. Euro den Großteil beitragen. Busch will – zweitens – die Organisation mit Angeboten für die Kunden wie Digitalisierung weiterentwickeln. Drittens strebt er technologische Veränderungen etwa durch Partnerschaften oder organische Investments an. Zudem gelte es viertens die Belegschaft weiter auszubilden, die neue Welt des Arbeitens zu installieren und die Produktivität der Mitarbeiter zu erhöhen.Busch hält den wegen der Abspaltungen sinkenden Umsatz nicht für ein Problem. Es gehe nicht um die Größe, sondern wie man die Kunden bedienen könne sowie wie Wachstum und Profitabilität ausfielen. Für Akquisitionen schaue Siemens sich am Markt um, jedoch werde man sich sehr stark um das organische Wachstum kümmern: “Die Mischung macht es am Ende des Tages.” Festhalten an AktienrückkaufCEO Joe Kaeser ließ erkennen, dass ein Verkauf statt des bisher ausschließlich geplanten Börsengangs der Tochter Flender denkbar ist. Mit Blick auf das IPO sagte er, Siemens habe einen Plan für den Hersteller von mechanischen Antriebssystemen: “Wenn jemand meint, er hätte einen besseren Plan für Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre, dann sind wir gerne bereit, uns den anzuhören.” CFO Ralf Thomas kündigte an, dass Siemens Maßnahmen zum Erhalt der Ratings “A+” bzw. “A1” einleiten werde. Standard & Poor’s und Moody’s hatten ihre Ausblicke infolge der geplanten Akquisition des Krebstherapie-Spezialisten Varian durch die Tochter Siemens Healthineers für gut 16 Mrd. Dollar von “stabil” auf “negativ” gesetzt. Zu den Maßnahmen gehöre etwa der weitere Anteilsabbau an Siemens Energy nach der Börsennotierung.Die Dividendenpolitik werde nicht angefasst, sagte Thomas. Es bleibe bei einer Ausschüttungsquote von 40 % bis 60 % des Nettogewinns. Siemens werde auch weiterhin Aktien im Wert von bis zu 1 Mrd. Euro jährlich zurückkaufen. Dies lasse sich im Zeitablauf dosieren. Das Siemens-Führungstrio strich heraus, dass der Free Cash-flow sich im dritten Quartal auf 2,5 Mrd. Euro mehr als verfünffacht hat (siehe Grafik).Unter den drei Kernsparten glänzte Digitale Industrien mit einem Sprung der Marge um gut 10 Prozentpunkte auf 24,5 %, der über den Bentley-Sondereffekt von 6,7 Punkten hinausgeht. Der Umsatz mit margenstarken Produkten sank in der Sparte Intelligente Infrastruktur, so dass die Marge mit 7,4 % um 2,2 Punkte niedriger ausfiel. Die Bahntechnik-Sparte meldete einen Margenrückgang um 3,3 Punkte. Sie landete mit 7,1 Punkten unter dem Zielband. Im margenstarken Servicegeschäft habe man wegen der Pandemie nicht wie gewohnt Zugang zu den Kunden gehabt, erklärte Busch.Die Energieaktivitäten, die vor der Börsennotierung als nicht fortgeführte Aktivitäten ausgewiesen werden, lieferten einen Verlust von 451 Mill. Euro. So halbierte sich der Konzern-Nettogewinn auf 535 Mill. Euro. Dies geht vor allem auf den Windkraftanlagenbauer Siemens Gamesa zurück. Aber auch das Geschäft mit konventionellen Kraftwerken glänzte nicht. Es wurden Altbestände rund um die Produktion von leichten Gasturbinen (Aero-Derivative) wertberichtigt. Das um solche Sondereffekte bereinigte Ebita sei leicht positiv gewesen.Die Pandemiefolgen setzten die Finanzsparte SFS unter Druck. Das Ergebnis vor Ertragsteuern sank von 137 Mill. auf 36 Mill. Euro. Thomas erklärte dies mit der Wertminderung auf eine Beteiligung in Südamerika und dem Anstieg der Kreditrisikovorsorge. Im Marktvergleich sei das Ergebnis recht solide.