Software-Häuser suchen Next Big Thing

SAP und Salesforce haben zuletzt für Milliarden zugekauft - Cloud wird Bereitstellungsmodell der Wahl

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Mehr als 32 Mrd. Dollar haben SAP und Rivale Salesforce in den vergangenen 18 Monaten in Zukäufe investiert. Einerseits dienen die Akquisitionen dazu, dass Wachstumstempo in der Cloud hochzuhalten, um die kritische Größe zu erreichen, ab der die operative Marge mit der des klassischen Lizenzsoftware-Geschäfts vergleichbar wird. Andererseits versuchen die Unternehmen auch zu antizipieren, was die Software-Kunden in den nächsten Jahren wollen. Von Sebastian Schmid, FrankfurtFür die meisten Unternehmen ist Stillstand Rückschritt. Doch für kaum eine Branche gilt das mehr als für die Software-Industrie. Im vergangenen Jahr wurde laut Gartner 70 % der Software zum Management von Kundenbeziehungen (CRM) als Software as a Service (SaaS) aus der Cloud bezogen. Die Debatte darüber, ob man lieber eine Software-Lizenz kaufe oder die Software miete, sei damit für die Mehrheit der Unternehmenskunden bereits abgeschlossen, folgern die Gartner-Analysten Olive Huang und Ed Thompson.Hätte der deutsche Software-Konzern SAP nicht schon vor Jahren entschlossen darauf gesetzt, seine Software-Angebote möglichst komplett auch in der Cloud anbieten zu können, wäre die Marktkapitalisierung kaum bei den knapp 150 Mrd. Euro, die die Walldorfer heute in die Waagschale werfen können. Derzeit sorgt die laufende Cloud-Adaption zwar noch für reichlich Wachstum bei SAP und deren Wettbewerbern wie der allein auf Cloud-Dienste spezialisierten Salesforce (siehe Grafik). Dennoch bleibt die Frage, was nach der Cloud das Wachstum treiben wird. Bei SAP hat man etwa grundlegende Entscheidungen getroffen, um dem Cloud-Trend Rechnung zu tragen. “Innovationen werden bei uns zuerst in der Cloud stattfinden”, erklärt Max Wessel, Chief Innovation Officer des Walldorfer Software-Konzerns. “Wenn wir drei bis zehn Jahre in die Zukunft blicken, denken wir nicht mehr in Kategorien wie ‘Cloud First’. Unabhängig davon, ob es sich um Lizenzsoftware in der privaten oder Mietsoftware in der öffentlichen Cloud handelt, glauben wir, dass sich dieses Bereitstellungsmodell beim Kunden durchsetzen wird, weil es günstiger und bequemer zu verwenden ist.”Dabei werden große Suiten zunehmend von kleineren spezialisierten Applikationen abgelöst, glaubt Wessel. Grundlage der Überlegung ist die Software, die sich auf dem Smartphone durchgesetzt hat. Während Computersoftware oft komplex ist und dutzende Arbeitsabläufe in einer Applikation mit hoch komplexer Nutzeroberfläche erlaubt, können Smartphone-Applikationen oft nur einen Workflow, beherrschen diesen dafür aber hervorragend. Das vereinfache die Nutzung, beschleunige das Erlernen der Software und reduziere damit die Kosten eines Wechsels von einem alternativen Anbieter. Kunden im FokusLaut Gartner werden sich in den kommenden Jahren auch die Kriterien ändern, nach denen etwa CRM-Software ausgesucht wird. Zwei Drittel der CRM-Software sei vergangenes Jahr lediglich auf Basis der Vorteile, die sie der Organisation bringe, angeschafft worden. Was die Software für Kunden und Mitarbeiter bringe, sei dagegen kaum berücksichtigt worden. In diese Lücke hofft SAP mit der 8 Mrd. Dollar schweren Akquisition von Qualtrics und deren Kundenerfahrungsmanagement vorzustoßen. Gartner rechnet damit, dass die Kundenerfahrung – und die der Mitarbeiter – bis 2023 einen stärkeren Fokus in der CRM-Software erhalten werden. Bislang tun sich Unternehmen oft schwer, den Mitarbeitern zu vermitteln, welche Vorteile ihnen eine neue Software bringen könnte. Zugleich sehen die Kunden als Folge einer neuen CRM vor allem, dass sie entweder mit mehr unerwünschter Werbung beschallt werden oder aber in ein schlechteres Service-Segment sortiert werden. Unternehmen, die hier mehr zielgerichtete Effizienz nicht nur versprechen, sondern auch liefern können, dürften zu den Gewinnern in dem Segment zählen.Auch die vor Qualtrics durch SAP für 2,4 Mrd. Dollar erworbene Callidus ist auf CRM-Dienste aus der Cloud spezialisiert. Salesforce hat sich im Frühjahr 2018 mit der 6,5 Mrd. Dollar teuren Mulesoft ebenfalls ein Unternehmen geschnappt, das sich auf die bessere Integration von Kundendaten in die Cloud versteht. Bei all der besseren Integration in die Cloud geht es auch darum, die Bereitstellungsgeschwindigkeit weiter zu erhöhen. Vor 15 Jahren dauerte ein CRM-Projekt laut Gartner im Schnitt rund drei Jahre vom Einkauf bis zur kompletten Implementierung. Mittlerweile habe sich die durchschnittliche Zeit halbiert. Das bedeutet indes nicht, dass 18 Monate den Kunden genügen. Die Implementierungszeiten weisen eine breite Spanne von zehn Tagen bis fünf Jahren auf, so dass gerade Cloud-Kunden eine deutlich kürzere Dauer als 18 Monate erwarten dürften. Bislang ist die Implementierungsgeschwindigkeit von Salesforce der Maßstab. Dass der Cloud-Pionier nun plötzlich im M&A-Markt aktiver wird, zeigt indes, dass für den US-Konzern ansteht, was SAP in der Vergangenheit schon ein paar Mal geschafft hat. Er sucht das Next Big Thing.