IM BLICKFELD

Sparpakete der Autobauer sind Zwischenschritte

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 27.11.2019 Mehr als zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzmarktkrise befinden sich die deutschen Autohersteller wieder im Sparmodus. Anders als damals zwingen diesmal nicht Absatzeinbrüche infolge einer...

Sparpakete der Autobauer sind Zwischenschritte

Von Stefan Kroneck, MünchenMehr als zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzmarktkrise befinden sich die deutschen Autohersteller wieder im Sparmodus. Anders als damals zwingen diesmal nicht Absatzeinbrüche infolge einer weltweiten Rezession die Konzerne zu Einschnitten, sondern hohe Aufwendungen für Zukunftstechnologien in Kombination mit einer sich abkühlenden Konjunktur. BMW, Daimler und Volkswagen mit ihrer Tochter Audi investieren viele Milliarden in die Elektromobilität, um die strengeren Anforderungen für Abgasemissionen erfüllen zu können. Ihnen drohen hohe Geldbußen, wenn sie die neuen C02-Grenzwerte der EU verfehlen. In der Transformation zu emissionsärmeren Fahrzeugen gehen die drei Dax-Unternehmen nach dem Motto vor: “cash is king”. Denn ein auskömmlicher Mittelzufluss sorgt für die notwendige Liquidität, um die hohen Aufwendungen für die Motoren der Zukunft zu stemmen. Das Trio setzt an mehreren Stellschrauben an. Neben einer Reihe von Maßnahmen unter anderem im Einkauf (Zulieferer) und im Vertrieb versuchen sie, die Personalkosten zu drücken, um ihre Kosteneffizienz unter dem Druck rückläufiger Margen zu verbessern. Während VW bereits ankündigte, Tausende Stellen unter anderem via Altersteilzeitregelungen zu streichen, platzte Audi am Dienstag mit der Nachricht in den Markt, 9 500 Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen. Das von den Dieselabgasmanipulationen durchgerüttelte Ingolstädter Unternehmen streicht damit jede sechste Stelle im Heimatmarkt. In den Boomjahren zuvor baute der bayerische BMW-Rivale seinen Mitarbeiterstamm kontinuierlich aus. Mit dem Ende der Party geht es nun ans Eingemachte. BMW folgt nachNach monatelangen Verhandlungen mit dem Betriebsrat rang sich BMW nun ebenfalls zu Maßnahmen auf diesem Feld durch. Die Konzernspitze informiert diesen Mittwoch darüber auf einer Betriebsversammlung. Details sickerten bereits durch: Zwar verzichtet das Münchner Unternehmen wie seine Rivalen aus Stuttgart und Wolfsburg auf umfangreiche Entlassungen, wird sich aber von Leiharbeitern trennen. Damit würde der neue Vorstandschef Oliver Zipse auf Maßnahmen zurückgreifen, die bereits sein Vor-Vorgänger Norbert Reithofer einsetzte, um den Konzern in die Spur zu bringen. Ende 2008 beschloss BMW, rund 8 000 Arbeitsplätze abzubauen. Davon waren seinerzeit überwiegend Zeitarbeitskräfte betroffen.Zugleich will die Konzernführung die Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter in Deutschland kürzen, die bezahlten Arbeitszeiten reduzieren (von 40- auf 35-Stunden-Woche) und frei werdende Stellen in der Verwaltung teils nicht neu besetzen. Die Fakten: Nach den Krisenjahren 2008 und 2009 erhöhte der Konzern von 2010 bis Ende 2018 seine Mitarbeiterzahl kontinuierlich. In diesem Zeitraum wuchs die Personalstärke um über 40 % auf fast 135 000 Personen. Bis Ende September kamen netto mehr als 800 hinzu. Der ehemalige Produktionsvorstand Zipse, der das Unternehmen seit Mitte August führt, treibt das Kostenabbauprogramm seines Vorgängers Harald Krüger voran. Von 2019 bis 2022 will der weiß-blaue Autobauer zusammengenommen 12 Mrd. Euro einsparen. Die Personalkosten sind ein Teil davon. Dazu beitragen soll auch eine reduzierte Variantenvielfalt bei den Antrieben pro Modellreihe. Die Kardinalfrage ist, ob dieses Sparpaket ausreicht, um erfolgreich gegenzusteuern. Für Standard & Poor’s (S&P) steht die Antwort fest: nein. Herabstufung drohtSieben Tage nach Vorlage der Neun-Monats-Zahlen des Konzerns Anfang November senkte die Ratingagentur den Ausblick für BMW von “stabil” auf “negativ”, bestätigte aber die Bonitätseinstufung mit “A+”. Für Zipse und Finanzvorstand Nicolas Peter war das ein Warnschuss, droht BMW doch eine Herabstufung. S&P bezweifelt, dass der Konzern im Kerngeschäft im laufenden Berichtsturnus und auf mittlere Sicht in der Lage ist, einen angestrebten freien Cash-flow von jährlich über 3 Mrd. Euro zu erwirtschaften. 2018 brach dieser auf 2,7 (4,5) Mrd. Euro ein. In den ersten neun Monaten dieses Jahres verbuchte BMW 1 Mrd. Euro. Das waren 1 Mrd. Euro weniger als Ende September 2018.S&P hält es zudem für schwierig, dass BMW mittelfristig in der Autosparte die Umsatzzielrendite von 8 bis 10% einfährt. Nach der Gewinnwarnung von Anfang April stellte der Vorstand für 2019 nur noch eine Bandbreite von 4,5 bis 6,5 % in Aussicht. Angesichts der schwieriger gewordenen Lage wagt Peter keine Prognose, wann die Sparte die Renditevorgabe künftig erreicht. Angesichts des finanziellen Kraftakts für den Wandel ist das Sparpaket von BMW womöglich nur ein Zwischenschritt. Weitere könnten folgen. Das gilt ebenso für die deutschen Wettbewerber. Denn für die Fertigung von Elektroantrieben wird deutlich weniger Personal benötigt als für den Bau herkömmlicher Verbrennungsmotoren. Das bedeutet, dass der Autoindustrie im Allgemeinen und den Herstellern im Besonderen Mitte der nächsten Dekade eine Zäsur bevorsteht – vorausgesetzt, der erwartete Durchbruch der E-Mobilität tritt bis dahin tatsächlich ein.