CORPORATE FINANCE AWARD: DIE GEWINNER (7)

Springer geht Teil der Wegstrecke mit KKR

US-Finanzinvestor steigt bei Medienkonzern ein - Delisting-Angebot endet heute - Rückzug von der Börse im Mai erwartet

Springer geht Teil der Wegstrecke mit KKR

Nach dem milliardenschweren Einstieg des US-Finanzinvestors KKR will der Berliner Medienkonzern Axel Springer auf dem Weg zum Digitalkonzern Tempo zulegen. Das Delisting-Angebot für die wenigen im Streubesitz verbliebenen Anteile endet um Mitternacht. Springers Rückzug von der Börse ist bereits ausgemacht.Von Stefan Paravicini, BerlinDas freiwillige öffentliche Übernahmeangebot, das der US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR)im vergangenen Sommer für die Anteile des Berliner Medienkonzerns Axel Springer zu einer Bewertung von rund 8 Mrd. Euro lancierte, kam unter einem ungewöhnlichen Titel daher. Denn das Vehikel, über das die Offerte anlief, firmiert unter dem Namen “Traviata II S.a.r.l.”. Beobachter hatten schnell eine Erklärung dafür. Schließlich ist Philipp Freise, Co-Chef Private Equity von KKR in Europa, der als einer der Dirigenten des Springer-Deals gilt, ein ausgewiesener Opernfreund. Eine Milliardentransaktion im Zeichen von “La Traviata”, einer Oper von Giuseppe Verdi über das Schicksal einer Kurtisane, “der vom Wege Abgekommenen”? Das traut sich auch nicht jeder. Gut neun Monate später steht längst fest, dass der Deal nicht Gefahr läuft, vom Weg abzukommen.Ganz im Gegenteil: Nach Ablauf der Annahmefrist im August hatte KKR für rund 2,9 Mrd. Euro 42,5 % des Springer-Grundkapitals eingesammelt und damit die Mindestannahmeschwelle von 20 % deutlich überschritten. Bis Anfang Dezember, als alle nötigen Freigaben für die Transaktion vorlagen, hatte der Investor weitere Anteile erworben und mit Canada Pension Plan Investment Board einen weiteren Investor bei Traviata an Bord geholt, der sich mit gut 500 Mill. Dollar beteiligt hat. Ende Januar kündigte KKR ein Delisting-Angebot für die rund 3,6 % im Streubesitz verbliebenen Anteile von Springer an. Heute um 24 Uhr endet die Frist für diese Offerte. Bis Mittwochabend wurden KKR noch einmal rund 0,8 % des Grundkapitals angedient, so dass der Finanzinvestor jetzt bei gut 45 % steht.Axel Springer hatte bereits im Januar angekündigt, noch vor Ablauf der Offerte einen Antrag auf Delisting bei der Frankfurter Wertpapierbörse zu stellen. Unabhängig davon, ob KKR in den letzten Stunden vor Fristablauf und trotz Corona-Epidemie weitere Anteile angedient werden, wird der Medienkonzern im Mai nach knapp 35 Jahren vom Börsenzettel verschwinden.Dass die Offerte von KKR auf ein besseres Ende als Giuseppe Verdis Oper zusteuerte, war von Anfang zu erwarten, da der Investor sich zuvor mit Verlegerwitwe Friede Springer und Konzernchef Mathias Döpfner auf die Partitur für eine strategische Zusammenarbeit geeinigt hatte. Friede Springer bleibt nach dem Einstieg von KKR mit 42,6 % beteiligt, während Döpfner 2,8 % der Anteile hält. Der CEO leitet den Aktionärsausschuss, in dem sich die Gesellschafter abstimmen. KKR ist hier mit Co-Gründer Henry Kravis, Europa-Chef Johannes Huth und Philipp Freise vertreten, was die Bedeutung des Engagements untermauert.Anstatt vom Wege abzukommen, ist die Partnerschaft auf Zeit – KKR hat sich verpflichtet, “für einen Zeitraum von grundsätzlich fünf Jahren” keine Anteile abzugeben – darauf ausgelegt, den von Springer in den vergangenen Jahren eingeschlagenen Weg in Richtung Digitalkonzern eine Strecke gemeinsam zu gehen und dabei noch einmal Tempo aufzunehmen. Befreit von den schrillen Tönen von Analysten und Investoren, die Springer immer wieder zu hören bekam, wenn der Konzern Investitionen in das wachsende Geschäft mit Online-Anzeigen oder digitale Nachrichtenangebote in Aussicht stellte, will Vorstandschef Döpfner den Konzern zum Weltmarktführer im digitalen Journalismus und bei digitalen Rubrikenangeboten machen, wie er vor wenigen Tagen noch einmal unterstrichen hat. Massive Investitionen geplant”2019 war für Axel Springer ein besonderes Jahr”, sagte der Vorstandschef, der seine Karriere einst als Musikkritiker im Feuilleton der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” startete und ohne Zweifel auch zu “La Traviata” eine eigene Meinung hat, bei der Vorstellung der Jahreszahlen. “Jetzt starten wir mit unserem Partner KKR eine neue Phase. Wir werden zukünftig massiv in digitalen Journalismus und in digitale Rubrikenangebote investieren, um in beiden Feldern weltweit führend zu werden”, erklärte Döpfner.Im vergangenen Jahr trugen die digitalen Angebote insgesamt fast drei Viertel des Konzernumsatzes und den Löwenanteil des operativen Ergebnisses bei, auch wenn der Anteil am bereinigten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), der 2018 schon oberhalb von vier Fünftel lag, nicht gesondert ausgewiesen wird (siehe Grafik). Das dürfte vor allem daran liegen, dass Restrukturierungen im nationalen Print-Geschäft mit den Flaggschiffen “Bild” und “Welt” das operative Ergebnis der nichtdigitalen Aktivitäten von Springer zuletzt in die roten Zahlen gedrückt haben.Im letzten Akt von “La Traviata” sinkt Violetta zu Boden, nachdem sie Alfredo, ihrem Liebhaber, aufgetragen hat, ein neues Glück zu suchen. Eine italienische Oper eben. Wie das Schlussbild mit KKR, Friede Springer und Mathias Döpfner auf der Opernbühne aussehen wird, ist noch nicht absehbar. Von Beobachtern als Vorbild bemüht wird immer wieder das norwegische Verlagshaus Schibsted, das vor knapp einem Jahr sein internationales Geschäft mit Online-Kleinanzeigen in die Tochter Adevinta abgespalten und an die Börse geführt hat. Die Marktkapitalisierung von Adevinta lag zuletzt auf Augenhöhe mit Springer, und Schibsted, bei der die Verlegerfamilie knapp ein Viertel der Anteile hält, ist weiter mit 60 % beteiligt. Bisher erschienen: Wintershall Dea (13.3.) Celonis (6.3.) Teamviewer (28.2.) Merck (21.2.) AMS (14.2.) RWE (8.2.)