IM BLICKFELD

Sprint und T-Mobile und die Frage der Größe

Von Heidi Rohde, Frankfurt Börsen-Zeitung, 2.7.2019 Nach einer episch langen Prüfphase von einem Jahr und zwei Monaten läuft für den geplanten Zusammenschluss von T-Mobile US und Sprint der Endspurt. Im Genehmigungslauf hat die mächtige...

Sprint und T-Mobile und die Frage der Größe

Von Heidi Rohde, FrankfurtNach einer episch langen Prüfphase von einem Jahr und zwei Monaten läuft für den geplanten Zusammenschluss von T-Mobile US und Sprint der Endspurt. Im Genehmigungslauf hat die mächtige Telekommunikationsbehörde FCC vor einigen Wochen grünes Licht signalisiert – gegen die Zusicherung eines schnellen landesweiten 5G-Ausbaus. Die Kartellwächter beim Justizministerium indes haben deutlich gemacht, dass sie reine “Verhaltensauflagen” für nicht ausreichend halten, um den Zusammenschluss zu genehmigen. Sie fordern substanzielle Zugeständnisse an den Wettbewerb. Stark konsolidiertFür T-Mobile US und Sprint dürfte dies ein zähes Ringen sein. Denn der US-Mobilfunkmarkt hat seit der Jahrtausendwende schon mehrere milliardenschwere Konsolidierungsschritte gemacht. Der heutige Platzhirsch Verizon stärkte sich zunächst mit der Übernahme von MCI, die Nummer 2 AT&T bündelte die Kräfte mit Cingular Wireless. Später teilten beide den Wettbewerber Alltel unter sich auf. Alltel hatte ihrerseits Western Wireless übernommen, wurde dann selbst 2007 von TPG und Goldman Sachs für 28 Mrd. Dollar von der Börse genommen. Nur ein Jahr später reichten die Finanzinvestoren das Unternehmen in Einzelteilen weiter. Um Anschluss an die Spitze zu halten, schlossen sich bereits 2004 Sprint und Nextel zusammen. Angesichts dieser fortgeschrittenen Konzentration im Markt sind die Behörden bei weiteren Fusionsanläufen seither hart geblieben. FCC und Justizministerium untersagten 2011 den 39-Mrd.-Dollar-Deal von AT&T, die sich T-Mobile US einverleiben wollte, und blockierten später auch zwei Anläufe zum Zusammenschluss von Sprint und T-Mobile US. Vier unter sichInzwischen teilen sich die vier großen landesweiten Mobilfunknetzbetreiber Verizon, AT&T, T-Mobile US und Sprint rund 95 % des Marktes, gemessen am Anteil an den Service-Erlösen. Die beiden verbleibenden Wettbewerber Tracfone und U.S. Cellular stellen demzufolge kein hinreichendes Gegengewicht dar, wenn sich das Spitzenfeld auf ein Trio verengt. Bei einem Merger kämen T-Mobile US und Sprint zusammen auf einen Umsatz-Marktanteil (Service-Einnahmen) von 29,7 % und würden damit zu Verizon und AT&T aufschließen.Die Logik der Fusion hat Vorbilder wesentlich kleinerer Dimension in Europa. So ist kürzlich in den Niederlanden ein mehr oder minder gleichstarkes Trio entstanden, nachdem T-Mobile NL dort den Konkurrenten Tele 2 geschluckt hat und nun KPN und Vodafone/Ziggo Paroli bieten will. Hierzulande sind nach der Übernahme von E-Plus durch Telefónica Deutschland drei – in etwa – gleichgroße Mobilfunknetzbetreiber entstanden.Dabei haben die Behörden insbesondere bei der Fusion von E-Plus und Telefónica Deutschland ebenfalls substanzielle Zugeständnisse an den Wettbewerb verlangt. Ihnen wurde im Wesentlichen durch ein MVNO-Paket Rechnung getragen, das zunächst Drillisch und nun (durch die Übernahme durch United Internet) der Nachfolgegesellschaft 1&1 Drillisch zugutekommt. Diese will nun nicht länger nur Service-Provider sein, sondern mit der frisch erworbenen 5G-Lizenz ein eigenes Netz bauen. Damit stiege die Zahl der Netzbetreiber wieder von drei auf vier. Die Ausgangslage wäre wieder hergestellt, der Wettbewerb möglicherweise sogar verschärft, da 1&1 Drillisch mit einer schlanken Kostenbasis angreift. Neuer Anbieter Auch in den USA hat das Justizministerium durchblicken lassen, dass T-Mobile US und Sprint durch Abtretung von Assets die Voraussetzung für die Entstehung eines neuen Wettbewerbers schaffen sollen. In einem ersten Schritt hat Sprint die Prepaid-Tochter Boost zum Verkauf gestellt. Dabei haben bereits mehrere Kabelkonzerne (Dish Networks, Charter Communications und Altice US) Interesse angemeldet. Dish will dem Vernehmen nach überdies 6 Mrd. Dollar für Mobilfunkspektrum bieten, das Sprint abstoßen könnte. Neben den Kabelgesellschaften gehört indes auch Amazon zu den möglichen Bietern für Boost. Der Internet-Riese gilt seit längerem als interessiert am Mobilfunk, um mehr Einfluss auf eine Plattform für seine Musik- und Video-Streamingdienste Prima zu haben.Auch wenn T-Mobile US und Sprint im dritten Anlauf vermutlich zu weitgehenden Zugeständnissen bereit sind, um den 26-Mrd.-DollarDeal über die Hürden zu bringen, kann die Entstehung eines weiteren womöglich schlagkräftigen Wettbewerbers nicht in ihrem Sinne sein. Mit dem Versprechen eines schnellen 5G-Ausbaus haben sich die Unternehmen nicht schwergetan, denn sie setzen auf eine weitere Stärkung ihrer Finanzkraft. Immerhin haben sie sich 43 Mrd. Dollar an Synergien ausgerechnet, die im Wesentlichen dadurch entstehen sollen, dass das Telekommunikationsgeschäft sehr skalengetrieben ist. Die Konsolidierung der Kunden beider Firmen auf ein Netz sowie auch personelle Ersparnisse durch die Streichung von Doppelfunktion liefern den Großteil des angestrebten Effizienzgewinns. Entlastung fraglichDie Rechnung unterstellt dennoch auch eine Beruhigung des Wettbewerbs unter drei mehr oder minder gleichstarken großen Netzbetreibern, ein Ziel, das durch einen neuen Konkurrenten unterlaufen werden könnte. Dies zumal, wenn der Neue entsprechend finanzkräftig wäre, wie etwa Amazon. Immerhin hat sogar die anfangs arg geschwächte T-Mobile US, die sich nach der gescheiterten Übernahme durch AT&T nur mühsam erholte, mit einer Allianz auf kleiner Flamme (mit MetroPCS) für die beiden großen Platzhirsche einen nicht unbedeutenden Lästigkeitswert entwickelt. Dies könnte dem entstehenden Trio nun seinerseits blühen, wenn ein neuer Wettbewerber angreift. Ob es dazu kommt, hat das Justizministerium in der Hand.