Europäisches Kampfjetsystem

Streit um FCAS spitzt sich zu

Deutschland und Spanien drohen, angesichts der Führungsansprüche des französischen Flugzeugbauers Dassault bei dem Kampfjet-Projekt FCAS die Geduld zu verlieren. Dabei drängt die Zeit.

Streit um FCAS spitzt sich zu

Streit um Kampfjet-Projekt FCAS spitzt sich zu

Flugzeugbauer Dassault beansprucht erneut alleinige Führungsrolle für sich – Bundesregierung sucht nach Alternativen

Deutschland und Spanien drohen, angesichts der Führungsansprüche der französischen Dassault bei FCAS die Geduld zu verlieren. Denn die Zeit für Entscheidungen zur Entwicklung des Programms drängt. Das Verteidigungsprojekt könnte dasselbe Schicksal wie zwei Anfang der 80er Jahre geplante Kampfjets erleiden.

wü Paris
von Gesche Wüpper

Die Zukunft des europäischen Kampfjet-Projekts FCAS (Future Combat Air System) wird von immer mehr Querelen überschattet. Kurz vor einem geplanten Treffen der beteiligten Staaten Deutschland, Frankreich und Spanien Mitte Oktober in Berlin spitzt sich der Streit um die Führungsrolle immer weiter zu. Der französische Flugzeugbauer Dassault Aviation droht jetzt mit einem Alleingang. Er reagierte damit auf Berichte, Berlin prüfe Alternativen mit Schweden und Großbritannien.

Es ist nicht das erste Mal, dass Dassault-Chef Eric Trappier die Zukunft des auf 100 Mrd. Euro geschätzten Programms in Frage stellt und die Führungsstruktur scharf kritisiert. Das 2017 von Deutschland und Frankreich lancierte Projekt, zu dem 2019 Spanien mit dazugekommen ist, wurde von Anfang an von Spannungen zwischen Dassault und Airbus überschattet. In Frankreich ist Dassault federführend dafür zuständig, in Deutschland Airbus und in Spanien Indra.

Alleinige Führung beansprucht

An dem künftigen Kampfjet NGF (New Generation Fighter) selber, dem Herzen des Programms und einer der acht Säulen des geplanten Luftkampfsystems, sind neben Dassault als Hauptprogrammauftragnehmer Airbus Deutschland und Airbus Spanien als Hauptpartner beteiligt. Sehr zum Unmut Dassaults. „Bei der Führung werde ich nicht akzeptieren, dass wir zu dritt am Tisch sitzen, um über alle Technologien zu entscheiden, die es benötigen wird, um ein Flugzeug von höchstem Niveau fliegen zu lassen“, sagte Konzernchef Trappier jetzt.

„Ich will, dass der beste Athlet die Führung übernimmt. Das heißt nicht, dass er alles macht.“ Er sei absolut offen für eine Zusammenarbeit, auch mit den Deutschen, so Trappier. „Aber wir bitten nur um eine Kleinigkeit: Geben Sie uns die Möglichkeit, das Programm zu leiten.“ Dassault sei durchaus in der Lage ein Kampfflugzeug der sechsten Generation eigenständig zu bauen, beantwortete er eine entsprechende Frage. Dies sei jedoch eine Entscheidung der französischen Regierung. Dassault habe keinen Plan B.

Déjà-vu-Erlebnis

Dem FCAS-Programm könnte nun ein ähnliches Schicksal wie dem European Combat Aircraft (ECA) und dem Future European Fighter Aircraft (F/EFA) zu Beginn der 80er Jahre drohen. Denn die Entwicklung des ECA, an dem neben MBB aus Deutschland und British Aerospace (BAE) auch Dassault beteiligt war, scheiterte an Frankreichs politischen und technischen Ansprüchen, die Führungsrolle zu übernehmen.

Auch beim F/EFA-Nachfolgeprojekt sorgten die unterschiedlichen Forderungen der einzelnen Nationen für Probleme, vor allem das Verlangen der französischen Seite, einen Arbeitsanteil von 50% zu erhalten. Ergebnis: Großbritannien, Deutschland und Italien entwickelten den Eurofighter, Frankreich unter der Führung Dassaults die Rafale. Beide Kampfjet-Modelle sollen ab 2040 eigentlich durch den FCAS-Kampfjet ersetzt werden.  

Gegenwind für das Gegenprojekt

Doch die immer neuen Zwistigkeiten gefährden jetzt den Zeitplan. Denn eigentlich müssten bis Ende des Jahres wichtige Entscheidungen getroffen werden, damit in der Programmphase 2 die sogenannten Demonstratoren – erste Prototypen – gebaut werden und 2028/29 abheben können.

Zudem stehen die beteiligten Unternehmen unter Konkurrenzdruck durch das Gegenprojekt Global Combat Air Program (GCAP) von BAE Systems, Leonardo und Mitsubishi Heavy Industries, auch wenn dieses jetzt ebenfalls mit Gegenwind kämpfen muss. So hat die National Infrastructure and Service Transformation Authority (Nista), die neue britische Agentur zur Einschätzung von Großprojekten, das GCAP gerade mit ihrer niedrigsten Note eingestuft. Diese wird normalerweise für Projekte vergeben, die als nicht realisierbar oder mit unlösbaren Problemen behaftet gelten.

Belgien will mit an Bord

Das deutsche Verteidigungsministerium soll nun dem Vernehmen nach ausloten, ob und wie man nun im Hinblick auf den geplanten neuen Kampfjet enger mit Großbritannien oder Schweden zusammenarbeiten kann oder ob man das FCAS-Projekt zur Not alleine mit Spanien durchziehen kann. Airbus stünde weiter zu dem Programm und zu den zwischen allen Partner getroffenen Vereinbarungen, erklärte Airbus.

Eigentlich will sich Belgien dem FCAS ebenfalls anschließen. In seinem STAR-Verteidigungsplan hat das Land 300 Mill. Euro für die nächste Phase des Programms 2026 bis 2030 vorgesehen. Der französische Senat schätzte die Kosten des FACS-Projekts zu Beginn des Programms auf 4 Mrd. Euro bis zum Demonstrator 2026, bis 2030 auf 8 Mrd. Euro. Die frühere Bundesregierung bezifferte die Kosten für die jetzige Phase 1B 2023 in einer Antwort auf eine kleine Anfrage mit 2,85 Mrd. Euro, wovon Frankreich 973 Mill. Euro übernehmen sollte, Deutschland 952 Mill. Euro und Spanien 924 Mill. Euro.

Fieberhafte Suche nach Lösung

Spanien ist genau wie Deutschland unzufrieden mit der momentanen Situation. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez betonte bei einem Besuch von Bundeskanzler Friedrich Merz in Madrid letzte Woche, dass die ursprünglich vereinbarten Arbeitspakete beim FCAS-Programm eingehalten werden müssten. „Es kann nicht so weitergehen wie gegenwärtig", erklärte Merz. "Wir wollen versuchen, bis zum Ende des Jahres eine Lösung herbeizuführen, damit dieses Projekt dann auch wirklich realisiert werden kann.“

Auch in Paris scheint man sich bewusst zu sein, dass die beiden Partnerländer angesichts der Forderungen Dassaults die Geduld verlieren könnten. Das Verteidigungsministerium, das seit der Ernennung von Verteidigungsminister Sébastien Lecornu zum Premierminister quasi ohne Chef dasteht, versicherte am Wochenende in einem Kommuniqué, dass es zusammen mit seinen deutschen und spanischen Pendants voll investiert sei, um bis Ende des Jahres eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung zu finden. Das Thema dürfte auch bei einem Besuch von Präsident Emmanuel Macron am 3. Oktober in Saarbrücken angesprochen werden. Mitte Oktober soll eigentlich auch ein Treffen zum FCAS auf Ministerebene in Berlin stattfinden.