Ingo Arnold

Sunrise-Zukauf ohne Synergien bleibt Einzelfall

Freenet-Finanzchef: 2020 Referenzrahmen für künftige Dividende – Noch Spielraum für Schuldentilgung – Ergebniseffekte von Erlösausfall in Pandemie begrenzt

Sunrise-Zukauf ohne Synergien bleibt Einzelfall

Heidi Rohde

Herr Arnold, die Pandemie hat Freenet im Weihnachtsgeschäft einen empfindlichen Dämpfer verpasst. Wie hat sich der Dauer-Lockdown der Shops im bisherigen Jahresverlauf ausgewirkt?

Die Umsätze sind erwartungsgemäß schwächer, das ist klar. Allerdings haben wir in einem Jahr Pandemie auch aus Erfahrungen gelernt und neue Dinge ausprobiert, unter anderem das im Einzelhandel inzwischen verbreitete „Click & Collect“ oder auch „Click & Meet“; und das läuft besser, als ich erwartet hatte. Denn bei solchen „Einzeltreffen“ in den Shops ist die Ausbeute durch Verkäufe oder Vertragsabschlüsse relativ höher, weil der Kunde ja extra kommt. Deswegen entwickeln sich die Umsätze beziehungsweise Vertragsabschlüsse besser, als die Kundenfrequenz zunächst vermuten lässt. Darüber hinaus können wir durch unsere mittlerweile ausgeprägte Onlinepräsenz die Auswirkungen des Lockdowns, wie schon im letzten Jahr unter Beweis gestellt, relativ gut auffangen. Zudem sind die Margen beim Verkauf von Hardware gering, das heißt die Ergebnisauswirkungen dieser Umsatzausfälle sind begrenzt. Dennoch sind einzelne Bereiche vom Lockdown besonders getroffen. Beim Apple-Händler Gravis war im Weihnachtsgeschäft die Hälfte der Umsätze weggebrochen.

Sie haben für 2021 einen stabilen Ausblick gegeben, der Free Cash-flow soll aber steigen. Wie wird das erreicht?

Ich halte unseren Ausblick insgesamt für positiv, da wir im Ebitda gegenüber 2020 auch ein deutliches Wachstum erzielen könnten, denn wir gehen aus heutiger Sicht davon aus, dass wir im oberen Bereich der Prognosespanne von 415 bis 435 Mill. Euro landen. Auf der Free-Cash-flow-Seite rechnen wir mit einem Anstieg, denn allein der Abverkauf der für das Weihnachtsquartal eingekauften Waren – das war aufgrund der Shop-Schließungen im Weihnachtsgeschäft ein negativer Working-Capital-Effekt von 12 Mill. Euro beim Free Cash-flow im vierten Quartal – wird zu einem Schub führen. Außerdem möchte ich noch mal unterstreichen, dass wir jenseits des Retail-Kanals auch andere nicht retailbasierte Vertriebskanäle weiterentwickelt haben und inzwischen gut bespielen.

Ihre Finanzierungssituation hat sich mit dem Ausstieg bei Sunrise grundlegend geändert. Wie hoch ist denn derzeit noch die Verschuldung, und welche Instrumente haben Sie eingesetzt?

Wir haben im März nochmals 200 Mill. Euro getilgt und haben aktuell noch Bruttobankschulden von 736 Mill. Euro. Dabei handelt es sich ausschließlich um Schuldscheine. Ich halte dies für ein sehr gutes Finanzierungsinstrument, allerdings ist ein Schuldschein natürlich auch unflexibel, falls man diese vorzeitig zurückzahlen wollte. Wir haben noch überschüssige Mittel auf der Bilanz, mit denen wir auch tilgen könnten. Die Flexibilität war bei dem Bankdarlehen über 600 Mill. Euro, das wir im Herbst beglichen haben, deutlich höher.

Was betrachten Sie denn als Vorteil des Schuldscheins?

Der administrative Aufwand ist deutlich geringer als beispielsweise bei einer Bond-Finanzierung. Außerdem sprach die Breite der verfügbaren Mittel für den Schuldschein und der günstige Kupon. Er verringerte sich zusätzlich mit der niedrigeren Gesamtverschuldung, so dass wir derzeit im Durchschnitt nur noch 1,2% zahlen.

Mit welcher Nettoverschuldung rechnen Sie zum Jahresende?

Ich gehe davon aus, dass die Nettoverschuldung gegenüber 2020 unverändert bleiben wird, also bei rund 740 Mill. Euro inklusive Leasingverbindlichkeiten. Neben der Ausschüttung der Dividende führt ja auch das gegenwärtige Aktienrückkaufprogramm zu einem Mittelabfluss. Zum Jahresende lag der Leverage (Verschuldung als Faktor des Ebitda, Anm. d. Red.) insgesamt bei 1,7; im Hinblick nur auf die Bankschulden lag er bei 0,7.

Mit welcher Ausschüttung können die Aktionäre in diesem Jahr in Summe rechnen?

Wir haben eine Standarddividende von 1,50 Euro je Aktie für das Jahr 2020 und eine Sonderdividende von 0,15 Euro angekündigt, zusammen also 1,65 Euro. Hinzu kommt ein geplanter Aktienrückkauf von 135 Mill. Euro im laufenden Jahr. Bisher haben wir schon Aktien im Wert von 25 Mill. Euro zurückgekauft, und wir wollen das genehmigte Limit von 10% des Grundkapitals bestmöglich ausschöpfen.

Wie sieht es denn perspektivisch aus? Nachdem die Sunrise-Beteiligung verkauft wurde, fehlen von dort auch die Dividenden. Können die Aktionäre trotzdem mit einer weiter steigenden Ausschüttung rechnen?

Es stimmt, die Dividende von Sunrise fehlt. Aber wir haben ja bereits ein Signal gegeben, indem wir unsere Dividenden-Policy nochmals bekräftigt haben und künftig weiterhin 80 % des Free Cash-flow ausschütten wollen. Natürlich ist dann entscheidend, wo diese Kennziffer am Jahresende landet. Aber auch dass die Zahl der ausstehenden Aktien sinkt, bietet auch in Zukunft die Möglichkeit einer hohen Ausschüttung je Anteilschein. In Summe gehe ich davon, dass eine zum Jahr 2020 vergleichbar hohe Dividende je Aktie auch ohne den Mittelzufluss von Sunrise zu leisten sein wird. Das sollte also der Referenzrahmen für künftige Ausschüttungen sein.

Bei einer gut gefüllten Kasse stellt sich indes auch die Frage, ob Sie noch andere Verwendungsmöglichkeiten sehen als Dividenden und Aktienrückkäufe. Wie sieht es mit Zukäufen aus?

Wenn es die Möglichkeit gibt, das Portfolio sinnvoll zu ergänzen, standen wir weder in der Vergangenheit noch stehen wir jetzt auf der Bremse. Dann investieren wir auch. Das ist allerdings in unserer Ebitda- und Cash-flow-Prognose auch schon enthalten. Falls wir etwa die Chance sehen, bei unserem IPTV-Produkt waipu.tv schneller zu wachsen, dann würden wir beispielsweise auch mal 10 Mill. Euro in die Hand nehmen; das will ich nicht aus­schließen.

Und Zukäufe?

Wir schauen uns laufend Themen an, haben aber aktuell nichts Passendes gesehen, das auch wirklich Synergien zu unserem Geschäft kreieren würde. Sunrise war inso­­fern eine einmalige Geschichte, dass wir ohne Synergien eine solche Beteiligung erworben haben. Es ist nicht die Idee, so etwas in Zukunft noch mal zu machen. Überdies, wenn ich auf die Preise schaue, die sind doch sehr hoch. Es ist also auch kein idealer Zeitpunkt, um zuzukaufen.

Wenig Synergien sind indes nach wie vor bei der Beteiligung an Ceconomy zu erkennen. Was haben Sie damit perspektivisch vor?

Wenn man die Vorgängergesellschaften von Freenet, also auch die Debitel mit einbezieht, gibt es inzwischen eine 30-jährige Zusammenarbeit mit der Ceconomy-Tochter MediaSaturn. Wir waren auch deshalb als Partner zur Stelle, als Ceconomy damals ihr Kapital um 10% erhöhen wollte. Heute vertritt Christoph Vilanek die Interessen von Freenet im Aufsichtsrat von Ceconomy, das heißt, wir nehmen keinen direkten Einfluss auf die operativen Geschäfte. Ich denke, das wäre auch nicht legitim. Aber wir haben eine gewisse Nähe. Diese Nähe hätten wir ebenso mit einer Beteiligung von 12% aber auch mit einem Anteil von 6  oder 7%, wo wir dann herauskommen, wenn die Transaktion mit Herrn Kellerhals abgelaufen ist. Wir halten den Einstieg nach wie vor für richtig und sehen auch, dass sich Ceconomy in vielen Bereichen sehr gut entwickelt. Also, wir planen aktuell keine Änderung.

Ist denn das TV-Geschäft, so wie es derzeit aufgestellt ist, schon hinreichend sortiert? Große Wachstumssprünge gibt es dort ja bisher nicht.

Aktuell wird bereits rund ein Viertel unseres Ebitda durch das TV-Geschäft generiert. Das ist also ein sehr relevanter Anteil, der bisher wesentlich von der Media Broadcast kam; Exaring, die Muttergesellschaft von waipu.tv, hat den Break-even aber im Mai vergangenen Jahres erreicht und wird dieses Jahr erstmals durchgängig positive Ergebnisbeiträge liefern. Es stimmt, dass sich das Geschäft insgesamt eher stabil entwickelt. Wachstumsperspektiven gibt es für waipu.tv und auch für digitales Radio, aber das steckt noch in den Anfängen.

Wie sieht es dann im Kerngeschäft aus, mit einem Schub durch 5G?

In der Vergangenheit haben wir bei der Einführung neuer, leistungsfähigerer Mobilfunkstandards häufig beobachtet, dass diese nicht im erhofften Maße zu erhöhten Preisen und damit Umsätzen geführt haben, jedenfalls nicht nachhaltig. Und ich fürchte, dass wir dieses Muster erneut vorfinden werden. Es ist dennoch ein gewisser Druck da, auch von Privatkunden, 5G zu bekommen. Allerdings wird der Nutzen im Hinblick auf neue Anwendungen, die speziell 5G verlangen, noch eher übersichtlich sein. Dennoch wird die Nachfrage nach 5G-Service steigen, wenn Endgeräte in größerer Bandbreite verfügbar sind. Dann will der Kunde auch das Netz.

In der Branche herrscht seit geraumer Zeit der Drang, als konvergenter Anbieter aufzutreten, also Mobilfunk und Festnetz aus einer Hand zu bieten, am besten noch TV. Wird Ihre Situation als reiner Mobilfunkanbieter schwieriger?

Bisher ist für uns nicht sichtbar, dass sich das negativ für uns auswirkt; zumal wir kein reiner Mobilfunker mehr sind. Wir vermarkten derzeit schon freenet TV und waipu.tv (auch in Kooperation mit Telefónica Deutschland). Festnetz verkaufen wir derzeit im Resale-Modell. In Zukunft müssen wir aber schauen, welche Optionen es für uns gibt, um auch hier in ein anderes Modell zu kommen, das uns den Kundenzugang ähnlich wie im Mobilfunk- oder TV-Geschäft sichert. Bisher zeigt sich, dass konvergente Geschäftsmodelle in anderen Ländern schneller angenommen werden, als es in Deutschland der Fall ist. Aber das mag sich ändern, und darauf müssen wir uns natürlich vorbereiten, wobei uns unser Geschäftsmodell eine hohe Flexibilität bietet.

Das Interview führte .