IM BLICKFELD

Talsohle für Eon und RWE längst nicht in Sicht

Von Andreas Heitker, Düsseldorf Börsen-Zeitung, 24.10.2013 Marktbeobachter haben sich in den zurückliegenden Wochen wiederholt die Augen gerieben: Ausgerechnet im so problembehafteten Versorgersektor gab es seit Anfang September eine regelrechte...

Talsohle für Eon und RWE längst nicht in Sicht

Von Andreas Heitker, DüsseldorfMarktbeobachter haben sich in den zurückliegenden Wochen wiederholt die Augen gerieben: Ausgerechnet im so problembehafteten Versorgersektor gab es seit Anfang September eine regelrechte Kursrally. Die Aktien von Eon und vor allem RWE legten seither deutlich zu und übertrafen dabei die Dax-Entwicklung (siehe Chart).An der Leipziger Energiebörse kletterten zeitgleich die Strompreise. Und in der Branche wuchs rund um die Bundestagswahl zeitweise sogar die Hoffnung, dass die neue Regierung in Berlin die Rahmenbedingungen in der Stromerzeugung mit beherzten Reformen wieder etwas mehr ins Lot rücken wird. Frühlingsgefühle im Herbst. Situation falsch eingeschätztDass diese nicht allzu lange anhalten würden, war absehbar. Der Aufwärtstrend bei den Notierungen an der Strombörse stellte sich letztendlich als ein von höheren CO2-Preisen angefachtes Strohfeuer heraus. Und landauf, landab mehren sich in diesen Tagen die Stimmen von Analysten, die Anleger vor zu hohen politischen Erwartungen warnen. “Eine schnelle Lösung beim EEG wäre wünschenswert, ist aufgrund der Komplexität aber kurzfristig unwahrscheinlich”, meint etwa Markus Glockenmeier von der National-Bank. Die Stromerzeugung von RWE und Eon werde aber unter Ertragsdruck bleiben, solange sich die Rahmenbedingungen und damit der Strompreis nicht wesentlich verbesserten.Aufgrund der Umwälzungen auf den Energiemärkten stehen die konventionellen Stromerzeuger – nicht nur in Deutschland – unter verstärktem Ratingdruck. Erst im August hatte Fitch die Kreditwürdigkeit der beiden deutschen Marktführer herabgestuft. RWE hat mittlerweile bei allen drei großen Agenturen das lange Zeit sichere “A”-Rating verloren. Einer der Gründe: Seit Mitte 2011, also seit die deutsche Energiewende beschlossene Sache ist, hat der Strompreis am Großhandelsmarkt fast 40 % verloren. Allein im bisherigen Jahresverlauf 2013 ging es noch einmal um fast ein Fünftel nach unten. Und eine aktuelle Analyse von Thomson Reuters Point Carbon für das erste Quartal 2014 zeigt, dass der Preisdruck auch kurzfristig anhalten wird.Dass die Situation so schwierig werden würde, hatten noch im letzten Jahr viele Branchenkenner nicht wahrhaben wollen. Der damalige Eon-Finanzchef Marcus Schenck hatte etwa im Frühjahr 2012 verkündet, in einigen Jahren werde man rückblickend sagen, 2011 sei für Eon der Tiefpunkt gewesen. “Ab jetzt geht es wieder aufwärts”, prognostizierte der Manager damals im Interview der Börsen-Zeitung (vgl. BZ vom 1.5.2012). Skeptische Blicke nach BerlinRWE-Vorstandschef Peter Terium räumt mittlerweile öffentlich ein, dass die Gesamtsituation schwieriger ist als erwartet. Bei seinem Amtsantritt Mitte 2012 habe RWE fälschlicherweise gedacht, bei den Strombörsenpreisen sei der Tiefpunkt bereits erreicht, sagte er im Sommer der Börsen-Zeitung (vgl. BZ vom 29. Juni). Auch den Analysten dämmert mittlerweile, dass sie die Versorger noch 2012 zu positiv bewertet haben. Seit Jahresbeginn haben daher bereits viele Experten ihre Gewinnprognosen für die Konzerne nach unten revidiert (siehe Grafik).Denn eines ist heute klar: Die Talsohle haben weder Eon noch RWE oder EnBW noch einer der anderen großen Versorger aus Europa schon erreicht. Unternehmen wie die beiden deutschen Marktführer profitieren heute sogar noch davon, dass sie ihre Stromproduktion immer auf Termin zwei bis drei Jahre im Voraus verkaufen. Und die derzeit realisierten Verkäufe wurden noch zu Werten vereinbart, die deutlich über dem heutigen Niveau liegen. Die heutigen Niedrigpreise werden sich in den Bilanzen wohl erst in den Jahren 2015/16 richtig niederschlagen, wenn der derzeitige Preisvorteil gänzlich aufgebraucht ist. “Die Krise wird uns dann mit voller Wucht treffen”, schwante jüngst RWE-Finanzchef Bernhard Günter nichts Gutes.Eigenen Untersuchungen zufolge schreiben im Zeitraum 2013 bis 2015 bereits 30 bis 40 % der RWE-Kraftwerke operativ rote Zahlen. Bei anderen Versorgern sieht es ähnlich aus. Das könnte sich ändern, sollte die neue Bundesregierung tatsächlich eine radikale Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) umsetzen und zugleich eine neue Entlohnung für vorgehaltene Kraftwerksleistung über die Einführung eines Kapazitätsmarktes durchsetzen. Analysten, ob von J.P. Morgan, UBS oder Independent Research, glauben mittlerweile aber nicht mehr an den großen Wurf einer Strukturreform. Zu groß ist unter anderem der Rückhalt der Erneuerbaren in allen Parteien.Ob der jüngste Kursanstieg der Eon- und RWE-Aktien von Dauer ist, muss sich noch zeigen. Da beide Papiere aber in den Monaten Juli/August noch Zehnjahrestiefs an der Börse verzeichnet haben, wäre dies allenfalls eine Erholung auf einem niedrigen Niveau.