IM GESPRÄCH: ALBRECHT REIMOLD

Taycan setzt Porsche unter Strom

Der Produktionsvorstand über die Unterschiede beim E-Auto, Lieferketten und den Sinn der Espresso-Pause

Taycan setzt Porsche unter Strom

Batterieelektrische Autos sind in Deutschland aus der Nische. In einer Nische, der Pkw-Oberklasse, dominiert sogar ein sogenanntes BEV. Der Porsche Taycan war im November und Dezember laut Kraftfahrt-Bundesamt das meistverkaufte Oberklassefahrzeug. Produktionsvorstand Albrecht Reimold erklärt, welche Fallstricke Porsche bei der ersten E-Auto-Serienfertigung vermeiden musste.Von Sebastian Schmid, FrankfurtDas Jahr 2020 wird nicht nur als das Jahr der Covid-19-Pandemie in Erinnerung bleiben, sondern auch als das Jahr, in dem die E-Mobilität in Deutschland ihren Durchbruch hatte. Trotz eines Rückgangs der Zulassungszahlen um rund ein Fünftel vervielfachte sich der Absatz von E-Autos und Plug-in-Hybriden. Insgesamt standen alternative Antriebe (batterieelektrisch, Hybrid, Plug-in, Brennstoffzelle, Gas, Wasserstoff) für rund ein Viertel aller Neuzulassungen. Die Anzahl der neu zugelassenen Personenkraftwagen (Pkw) mit reinem Elektroantrieb verdreifachte sich dabei im Vergleich zum Vorjahr. Distanz zu Wettbewerbern Porsche ist ein Unternehmen, das traditionell nicht in den Volumen-Ranglisten vorne liegt. Das gilt zunächst auch für die E-Mobilität – wenn man den Gesamtmarkt betrachtet. Das erste rein batterieelektrisch angetriebene Modell, der Taycan, hat es laut Kraftfahrt-Bundesamt aber zum Ende des Vorjahres geschafft, zur Nummer 1 im Oberklassesegment in Deutschland zu werden. Im November kam das bei einem Einstiegspreis von 106 487 Euro startende Gefährt aus Zuffenhausen hierzulande auf einen Marktanteil in der teuersten Kategorie von 27 %; im Dezember immerhin noch auf knapp 20 %. Damit wurden die Spitzenmodelle der Wettbewerber – Mercedes S-Klasse, BMW 7er und Audi A8 – auf Distanz gehalten.Zudem plant Porsche einen rasanten Ausbau des eigenen E-Auto-Angebots. Bis Mitte des Jahrzehnts sollen 70 % der Flotte elektrifiziert angeboten werden. Unter anderem soll der Nachfolger des mittelgroßen SUV Macan nur noch als elektrisch angetriebene Variante entwickelt werden. Fertigungsbeginn soll Ende 2022 sein.Produktionsvorstand Albrecht Reimold erinnert sich im Gespräch mit der Börsen-Zeitung an die Herausforderung, die Produktion des Elektrovorreiters Taycan im Verbrennerwerk in Zuffenhausen zu integrieren. “Als Produktionsvorstand wünscht man sich natürlich lieber einen Start auf der grünen Wiese. Die Integration der Taycan-Produktion ins Werk Zuffenhausen war eine Herkulesaufgabe – und sie ist uns gelungen. Das war eine starke Teamleistung, auf die wir stolz sind.”Allerdings werde sich Porsche künftig nicht einseitig auf E-Antriebe konzentrieren. “Wir setzen auf einen Dreiklang der Antriebsarten: emotionale Benziner, dynamische Plug-in-Hybride und innovative Elektrosportler. Aufgrund unserer Stückzahlen sind wir der Meinung, dass diese verschiedenen Konzepte möglichst auf einer Linie produziert werden sollten.” Für die Klimafreundlichkeit der Benziner erwartet sich Reimold mittelfristig auch viel von E-Fuels, sobald diese wirtschaftlich in größerem Volumen produziert werden können.Bis dahin gilt es, die Fertigung der E-Autos zu optimieren. Laut Reimold sind die Unterschiede zur Verbrennerherstellung überschaubar. “Im Vergleich zur Fertigung eines Fahrzeuges mit Verbrennungsmotor sind der Karosseriebau und die Lackiererei nahezu identisch. Die wesentlichen Unterschiede sind in der Montage zu finden. Beim E-Fahrzeug ist der Antrieb nicht im Motorraum, sondern in der Achse integriert – beim Taycan jeweils ein Motor in der Vorder- und einer in der Hinterachse.” Zudem mussten Weiterbildungen für die Taycan-Fertigung vorgenommen werden. “Aufgrund des Hochvolt-Batteriesystems benötigen die Mitarbeiter spezielle Schulungen. Außerdem ist die Softwarearchitektur wesentlich komplexer, so dass die Inbetriebnahme deutlich aufwendiger ist”, erzählt Reimold. Herausforderung LieferketteEine Herausforderung jenseits der eigentlichen Fertigung sei auch das zum Teil neue Lieferantennetz. Einige Zulieferer von Hochvoltkomponenten seien zum Beginn noch gar nicht lieferfähig für eine Großserienproduktion gewesen. “Die Lieferfähigkeit sicherzustellen, war eine unserer ersten Aufgaben”, erinnert sich Reimold.Durch die Coronakrise wurde die Supply Chain zusätzlich belastet. “Wir mussten im Frühjahr die Produktion stoppen. Grund waren Engpässe bei globalen Lieferketten. Einige Zulieferer konnten wegen landesspezifischen Lockdown-Regeln nicht mehr liefern”, so der Produktionsvorstand. Nach sechs Wochen sei die Fertigung aber wieder standort- und gewerkspezifisch hochgefahren worden. “Mittlerweile produzieren wir wieder mehr als 200 Taycan pro Tag.” Anders als einige Werke des VW-Konzerns oder auch Produktionsstätten bei Toyota wurden in Zuffenhausen keine längeren Werksferien aufgrund fehlender Halbleiterkomponenten angeordnet. Am 11. Januar gehe die Produktion planmäßig weiter, sagte der Porsche-Vorstand. 2020 waren insgesamt 20 015 Einheiten ausgeliefert worden und damit das Ziel von 20 000 leicht übertroffen worden – trotz des sechswöchigen Produktionsstopps.Neben dem Fahrzeugbetrieb ist Porsche auch bemüht, die Produktion CO2-neutral zu gestalten. “Wir nutzen an allen Porsche-Standorten Strom aus erneuerbaren Energien. In Zuffenhausen produzieren wir unsere Fahrzeuge mittlerweile sogar CO2-neutral – auch wenn wir für die letzten paar Prozentpunkte Zertifikate benötigen”, sagt Reimold. “Und, so ehrlich muss man sein, es wird noch eine große Herausforderung sein, jeden Zulieferer aus unseren Lieferketten mit einzubeziehen.”Reimold glaubt, dass die Autos künftig auch nach Entwicklung und Produktion stetig funktional weiterentwickelt werden müssen. “Als Automobilhersteller muss man die User Experience ständig optimieren.” Dabei gehe es nicht nur um Funktionen, die allein unter der Kontrolle des Autobauers liegen. “Wenn beispielsweise eine Funktion nicht verfügbar ist, weil das Funknetz zu schwach ist, so fällt das auf uns zurück. Das gilt auch für das Ladenetz und die Ladeerfahrung. Deswegen haben wir uns bei Porsche sehr früh stark bei Ionity engagiert.”Zudem zeigte sich Reimold im Nachgang glücklich mit der Entscheidung für die leistungsstärkere 800-Volt-Technik im Akku des Taycan. Die meisten Konkurrenten setzen auf die schwächere 400-Volt-Technik. Die höhere Spannung ermöglicht kürzere Ladezeiten. “Konkret bedeutet das, nach einer Espresso-Pause an einer Schnellladesäule ist die Batterie des Taycan wieder zu 80 % geladen.”Porsche hat allerdings auch aus gutem Grund Wert auf die Schnellladefähigkeit gelegt – im Vergleich zu Teslas Model S ist die Reichweite mit bis zu 452 Kilometer nach WLTP eher bescheiden. Das dürfte sich auch mit dem dieses Jahr geplanten Taycan Cross Turismo kaum ändern. Tesla kommt in der Spitze auf bis zu 652 Kilometer.