Teamviewer verspricht große Sprünge

Analysten bewerten Börsenaspirant zwischen 3,5 Mrd. und 10 Mrd. Euro - Schwieriger Peergroup-Vergleich

Teamviewer verspricht große Sprünge

Große Software-IPOs forderten von den Anlegern in der Vergangenheit stets eine Portion Wagemut. Das gilt auch für Teamviewer, für die Bewertungen bis zu 10 Mrd. Euro durchgespielt wurden. Das Unternehmen wirbt mit ehrgeizigen Wachstumszielen um die Gunst der Investoren.Von Heidi Rohde, FrankfurtKeine andere Branche kann derart mit ebenso spektakulären wie holprigen Börsengängen aufwarten wie die Software- und Internetbranche. Ob es um eine kleine Walldorfer Softwarebude namens SAP oder ein schon recht bekanntes, aber in Bezug auf das Geschäftsmodell etwas undurchschaubar empfundenes US-Start-up namens Google ging – oder auch um Facebook, die zum Zeitpunkt ihres IPO schon ein weltumspannender Milliardenkonzern war: Immer taten sich Analysten und Investoren gleichermaßen schwer mit der Bewertung der Börsenaspiranten im Hinblick auf ihre Wachstums- und Ertragsperspektiven.Google, deren Marktkapitalisierung beim Börsenstart schließlich auf den 17-fachen Umsatz des Vorjahres und den 76-fachen operativen Gewinn festgelegt wurde, war kurz zuvor gezwungen, den Preis am oberen Ende der Spanne um 30 % zu senken. Ausgegeben wurde das Papier dann am unteren Ende der Spanne und schoss dafür gleich am ersten Handelstag um fast 20 % in die Höhe. Die Performance in der Folgezeit machte Google zu einem der glanzvollsten IPO aller Zeiten, wobei der Ausgabepreis im Nachhinein betrachtet als Unterbewertung zu sehen ist. Einige Zeit später legte die mit stolzen 100 Mrd. Dollar bewertete Facebook einen derart holprigen Start hin, dass den Emissionsbanken ebenfalls ein preislicher Missgriff in der Bewertung vorgeworfen wurde. – diesmal: zu teuer.Auch bei Teamviewer, das Software-Unternehmen aus dem schwäbischen Göppingen, bei dem die Private-Equity-Gesellschaft Permira den Einstieg in den Ausstieg über die Börse anstrebt, bringt die Bewertung den einen oder anderen Investor ins Grübeln. “Kein Schnäppchen” ist von deutschen Institutionellen zu hören, auch wenn betont wird, dass das Management bei der Roadshow “einen guten Eindruck” hinterlassen hat. Immerhin ist die Emission, die hierzulande der größte Börsengang seit der Jahrtausendwende werden dürfte, bereits kurz nach dem Start der Angebotsfrist überzeichnet gewesen. Dafür dürften in hohem Maße angelsächsische Investoren verantwortlich sein.Das Software-Unternehmen, das eine internetbasierte Fernwartungsplattform für Screen-Sharing, Videokonferenzen, Dateitransfer sowie eine Vielzahl anderer Anwendungen bereitstellt, wird am oberen Ende der Bookbuilding-Spanne von 23,50 bis 27,50 Euro insgesamt auf rund 5,5 Mrd. Euro taxiert. Dies entspricht auf Basis der Schätzungen für 2020 dem bis zu 13-fachen Umsatz und dem etwa 23-fachen bereinigten operativen Gewinn (Ebitda).Die Konsortialbanken kommen je nach Methodik auf eine sehr breite Bewertungsspanne von 3,5 bis 10 Mrd. Euro für Teamviewer, wobei sich Goldman Sachs mit einer Bandbreite von 7 bis 10 Mrd. Euro am weitesten vorwagt. Die große Spannweite entsteht indes vor allem dadurch, dass ein Peergroup-Vergleich für die Firma nicht ganz leicht ist. Zur Vergleichsgruppe im engeren Sinne zählt Bank of America etwa Zoom Video, Slack, Service Now, Zendesk, Atlassian, Ringcentral, Logmein und Citrix, die gegenwärtig im Schnitt auf ein Umsatz-Multiple von 13,9 und ein Ebitda-Multiple (bereinigt) von 93,7 kommen – bezogen auf die Schätzungen für 2020. Sie haben im Durchschnitt ein 30-prozentiges Wachstum pro Jahr gezeigt und bewegen sich auch damit im Umfeld von Teamviewer, die über zehn Jahre ein durchschnittliches Plus bei den Billings (Rechnungsstellungen) von 33 % gezeigt hat. Im Gegensatz zu fast allen Peers ist die 2014 von Permira für 870 Mill. Euro erworbene Teamviewer allerdings üppig verschuldet, zuletzt (2018) noch mit netto 754 Mill. Euro, dem 4,9-fachen Ebitda. Die Verschuldung will das Unternehmen, das selbst beim IPO keine Mittel einwirbt, bis Ende 2021 weitgehend auf 123 Mill. Euro abbauen. Dabei ist in den Schulden allerdings ein Shareholder Loan von 150 Mill. Euro herausgerechnet. Das IPO soll auch mit einer Refinanzierung der Bankschulden einhergehen.Europäische Software-Firmen (SAP, Sage, Avast u. a.) notieren mit einem deutlich geringeren Umsatzfaktor von 6,7, wachsen allerdings im Durchschnitt “nur” rund 10 %. Die Schwaben trauen sich auch weiterhin große Sprünge zu. 2019 soll das Wachstum rund 37 % betragen. Die Billings sollen auf rund 320 Mill. Euro anschwellen. Bis 2022 rechnet Bank of America mit rund 700 Mill. Euro. Gegenwärtig sind erst 4,5 % der aktiv genutzten 340 Millionen Accounts in Bezahlabonnements umgewandelt, viel Spielraum also. Die Ebitda-Marge soll bis 2022 auf 60 % steigen nach 56,3 % im laufenden Jahr. Damit ragt Teamviewer auch in der Vergleichsgruppe der stark wachsenden Software-Unternehmen heraus. Als Grund werden u. a. geringe Kundenakquisitionskosten genannt. Das könnte sich allerdings ändern, wenn die Schwaben, die bisher vor allem im Mittelstand präsent sich, große Unternehmen und andere regionale Märkte verstärkt ins Visier nehmen.Angesichts der ambitionierten Bewertung dürfte das Wachstum im Zentrum der Anlegeraufmerksamkeit stehen. Immerhin fällt auf, dass Teamviewer just 2016 und 2017 einen heftigen Wachstumsknick hinnehmen musste. Das kann also für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Zumal der “adressierbare Markt” von Teamviewer etwas schwer fassbar ist. Die Gesellschaft gibt ihn für 2018 mit rund 10,3 Mrd. Euro an und rechnet künftig mit einem jährlichen Zuwachs von 24 %. Einige Marktforscher sind weniger optimistisch.Zuversicht verbreitet allerdings Permira, die nach dem IPO zunächst mit einem substanziellen Anteil an Bord bleiben wollen, auf dass die Erfolgsstory weitergeht.