Tesla überholt Volkswagen an der Börse

US-Elektroautohersteller nach Höhenflug erstmals mit mehr als 100 Mrd. Dollar bewertet

Tesla überholt Volkswagen an der Börse

ste Hamburg – Noch vor wenigen Tagen mahnte Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess in einer Rede vor Führungskräften mit Verweis auf die dynamischere Entwicklung des Tesla-Aktienkurses mehr Tempo beim Wandel des weltgrößten Fahrzeugbauers zu einem softwaregetriebenen Unternehmen an. Nun ist der US-Elektroautohersteller mit einer Marktkapitalisierung von erstmals mehr als 100 Mrd. Dollar am Wolfsburger Zwölfmarkenunternehmen vorbeigezogen – ausgerechnet am Tag, an dem der Dax eine neue Bestmarke erreichte.Während Tesla die Börsenrally der vergangenen Monate fortsetzte und die Marktkapitalisierung am frühen Abend (MEZ) bei einem Aktienkurs an der Nasdaq von 593,44 Dollar auf 107 Mrd. Dollar kletterte, gab die VW-Vorzugsaktie im Gefolge der schwachen Daimler-Zahlen bis zum Xetra-Handelsschluss um 1,2 % auf 179,14 Euro nach. Einschließlich der Stämme belief sich die Marktkapitalisierung der Wolfsburger gestern auf knapp 89,8 Mrd. Euro – oder 99,6 Mrd. Dollar. Der Elektroauto-Pionier aus dem Silicon Valley, der 2019 rund 367 000 Fahrzeuge auslieferte, während der VW-Konzern mit knapp elf Millionen Fahrzeugen einen Rekord vermeldete, hat sich damit nach knapp zehn Jahren an der Börse zum zweitwertvollsten Autobauer aufgeschwungen. Der japanische Hersteller Toyota liegt mit einem Marktwert von rund 232 Mrd. Dollar weiterhin an der Spitze.Tesla werde wie ein Tech-Unternehmen bewertet, Volkswagen wie ein Autounternehmen, hatte VW-Chef Diess die unterschiedliche Kursentwicklung der vergangenen Monate erläutert. Das Auto werde künftig zum wichtigsten “Mobile Device”, das vernetzte Auto werde die Internetzeit fast verdoppeln. “Wenn wir das sehen, verstehen wir auch, warum Tesla aus Sicht der Analysten so wertvoll ist.” Die Zukunft von VW liege im digitalen Tech-Konzern, so Diess. Wandel erzeugt UnsicherheitDie derzeit relativ niedrige Marktkapitalisierung der meisten etablierten Autohersteller beruhe wesentlich auf der Unsicherheit, ob bzw. wie gut sie die Transformation in die Zukunftsfelder in den nächsten Jahren bewältigen, meinte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management. Sicher sei, dass einige etablierte Hersteller den Wandel nicht als unabhängige Player überleben werden. Ihnen fehlten sowohl die kritische Größe für notwendige hohe Investitionen als auch die erforderlichen Technologien und Kompetenzen für die Mobilität der Zukunft. Nach Berechnungen des Instituts hat sich die Marktkapitalisierung der acht am höchsten bewerteten Autohersteller ohne Tesla seit Ende 2014 – vor Bekanntwerden des Dieselabgasskandals von VW – um 4,2 % auf 542 Mrd. Euro verringert. Der Dax habe im gleichen Zeitraum um 37 %, der Nasdaq um 113 % zugelegt.Der Tesla-Kurs hat sich in den vergangenen sechs Monaten mehr als verdoppelt. Anleger hätten, so eine Einschätzung bei Händlern, in der Schwächephase des vorigen Jahres Aktien leerverkauft und auf einen weiter fallenden Kurs spekuliert. Während des Kursrutsches in der ersten Jahreshälfte 2019 war Tesla – auch wegen verfehlter Fertigungsziele – vielfach kritisiert worden. Als der Kurs nach überraschend starken Quartalszahlen im Herbst wieder stieg, hätten viele Spekulanten wohl wieder zugekauft, so Händler.