E-Mobilität

Tesla dominiert US-Ladenetzwerk – doch die Konkurrenz lehnt sich auf

Das US-Ladenetzwerk für Elektroautos ist stark gewachsen, krankt aber an der Zuverlässigkeit. Andere Hersteller suchen deshalb den Anschluss an die Supercharger von Tesla, die zunehmend zum technologischen Standard werden. Kampflos wollen die etablierten Autobauer das Lade-Feld aber nicht räumen.

Tesla dominiert US-Ladenetzwerk – doch die Konkurrenz lehnt sich auf

Serie: IAA Mobility (3)

Tesla festigt Dominanz im US-Ladenetzwerk

E-Autobauer öffnet Supercharger zunehmend für andere Hersteller – Konkurrenz lehnt sich mit Großinvestitionen in eigene Infrastruktur auf

xaw New York

Der US-Markt für E-Autos ist von Kampf und Krampf geprägt. Industrieikone General Motors ringt noch mit den teuren Nachwirkungen eines Rückrufs ihres 2016 lancierten Elektro-Kleinwagens Chevrolet Bolt. Rivale Ford legt das Augenmerk zwar zunehmend stärker auf die Sparte Model E, musste seine Prognose für die Verluste der Einheit im Gesamtjahr 2023 zuletzt aber um 1,5 Mrd. auf 4,5 Mrd. Dollar ausweiten. Dabei schlägt sich auch der harte Preiswettbewerb mit Elektro-Vorreiter Tesla nieder, der es sich aufgrund seiner Kostenführerschaft bislang stärker leisten kann, die Nachfrage durch Discounts anzukurbeln.

Angesichts dieses Kampfs und Krampfs goutieren Investoren Kooperationen innerhalb der Branche umso stärker. Sowohl die Aktie von Ford als auch die von General Motors zogen im Mai und Juni kräftig an, nachdem Tesla ankündigte, ihre Lade-Infrastruktur für die beiden Traditionsautobauer zu öffnen. Vorerst brauchen die Kunden der Konzerne einen Adapter, um das Supercharger-Netz des von Elon Musk geführten Unternehmens nutzen zu können. Bei ihren ab 2025 produzierten Elektromodellen wollen Ford und GM den Ladeanschluss von Tesla aber nachbauen.

Die Hersteller trachten danach, durch eine Erweiterung der Lademöglichkeiten Barrieren für den Kauf ihrer Elektromodelle abzubauen. Auch die japanische Nissan und das von Amazon gestützte US-Startup Rivian Automotive haben sich Zugang zum Supercharger-Netz gesichert. Tesla festigt durch die Kooperationen unterdessen ihre Dominanz im Markt. Denn die Ladetechnologie des Musk-Unternehmens befindet sich laut Analysten somit auf bestem Wege, zum nordamerikanischen Industriestandard zu werden.

Nordamerikanischer Standard

Tatsächlich ist die Anschlusstechnik bereits unter dem Namen "North American Charging Standard" bekannt. Andere Unternehmen setzen noch auf das Combined Charging System (CCS), das in Europa die dominante Variante darstellt. Analysten gehen davon aus, dass sich CCS auch in den USA noch für ein Jahrzehnt oder länger hält, weil schon hunderttausende Elektroautos mit entsprechenden Anschlüssen auf den Straßen unterwegs sind. Allerdings erwarten Mobilitätsexperten auch, dass die Bedeutung mittel- bis langfristig zugunsten des Tesla-Systems abnehmen wird.

Das Musk-Unternehmen rechnet sich durch den erhöhten Zulauf externer Nutzer indes nicht nur ein stärkeres Erlöswachstum der Supercharger-Sparte aus. Durch die Öffnung seines Netzwerks dürfte sich das Unternehmen laut Branchenkennern auch für milliardenschwere staatliche Förderungen qualifizieren.

Denn Washington misst dem Ausbau des Ladenetzes große Bedeutung dabei. Der demokratische Präsident Joe Biden will bis 2030 über Subventionen einen Ausbau des Netzwerks auf 500.000 Charger erreichen. Die Zahl der Ladepunkte in den USA ist in den vergangenen drei Jahren bereits um 73% gestiegen: Waren es im ersten Quartal 2020 noch 93.413 Stationen, standen im ersten Viertel des laufenden Jahres laut dem National Renewable Energy Laboratory des US-Energieministeriums 161.562 zur Verfügung. Insbesondere die öffentliche Ladeinfrastruktur wurde dabei zum starken Treiber, während sich die Anzahl der privaten Ladepunkte zuletzt sogar verringert hat.

Unsteter Ausbau

Doch der Ausbau entwickelt sich äußerst unstet – und das Netzwerk krankt hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit. Gemäß einer Umfrage des Datenanalyseanbieters J.D. Power steuerten im vergangenen Jahr mehr als 20% der Elektro-Autofahrer in den USA einen Ladepunkt an, den sie aufgrund technischer Probleme nicht nutzen konnten. Selbst bei den funktionierenden Stationen weichen die Ladezeiten mitunter stark voneinander ab.

"Die Ladeinfrastruktur ist nicht annähernd robust genug, um einen reifenden Elektrofahrzeugmarkt vollumfänglich zu unterstützen", kommentieren die Analysten von S&P Global Mobility die Entwicklung. Selbst unter Einbeziehung privater Charger müsse sich die Zahl der Ladestationen bis 2025 vervier- und bis 2030 verachtfachen, um die zu erwartende Nachfrage adäquat abzudecken.

Schließlich drängen neben Tesla und den etablierten Autobauern neue Elektro-Spieler auf Amerikas Straßen. So auch die vietnamesische Vinfast, die in der abgelaufenen Woche ein erfolgreiches Börsendebüt in New York hinlegte – sie will bis Ende des Jahres Autos in den USA verkaufen. Im Bundesstaat North Carolina plant das Unternehmen 2025 den Bau eines Werks samt Batteriefabrik für 4 Mrd. Dollar, in dem jährlich 150.000 Fahrzeuge vom Band rollen sollen.

GM lobt Tesla

Insgesamt könnten in den Vereinigten Staaten laut S&P Anfang des kommenden Jahrzehnts 28,3 Millionen Elektroautos in Betrieb sein. Auch Tesla wird die Infrastruktur laut Analysten noch stark skalieren müssen, um den enormen Ladebedarf zu stemmen: Der E-Autobauer verfügt in den USA über mehr als 17.700 Schnellladesäulen an 1.650 Standorten. Auch GM-Vorstandschefin Mary Barra lobte das Design und die Zuverlässigkeit der Supercharger zuletzt während eines gemeinsamen Audiostreams mit Musk.

Kampflos will die Konkurrenz Tesla das Feld aber nicht überlassen. Ende Juli kündigte General Motors gemeinsam mit sechs anderen Herstellern – darunter auch BMW und Mercedes-Benz – an, Investitionen von mindestens 1 Mrd. Dollar in die E-Mobilitätsinfrastruktur in den USA und Kanada zu planen. Mit dem Joint Venture wollen die Hersteller über mehrere Jahre rund 30.000 Schnellladepunkte ans Netz bringen, die ersten sollen Kunden ab Mitte 2024 zur Verfügung stehen.

Vorbild aus München

Vorbild für das Projekt ist wohl die 2017 gegründete, in München ansässige Ionity, die ein Netz von Ladestationen entlang europäischer Autobahnen betreibt. Hinter dem Joint Venture stehen mit BMW, Mercedes-Benz und Hyundai einige der gleichen Namen wie bei dem US-Gemeinschaftsunternehmen. Daneben sind auch Ford und Volkswagen mit den Marken Porsche und Audi als Eigentümer sowie der Vermögensverwalter Blackrock mit seiner Climate Infrastructure Platform als Finanzinvestor mit an Bord.

Allerdings ist Ionity keine reine Erfolgsgeschichte. Den Marktteilnehmern klingt noch immer die Kritik von Ex-VW-Chef Herbert Diess in den Ohren, der 2020 und 2021 nach Urlaubsfahrten mit dem Elektro-Modell ID.3 die mangelnde Nutzbarkeit der Ladesäulen anprangerte. Beim Versuch, die Dominanz von Tesla im US-Netz zu brechen, ist es für GM & Co. laut Analysten dagegen entscheidend, von Anfang an positive Nutzererfahrungen zu bieten. Sonst droht der E-Mobilitätskampf in den Vereinigten Staaten für sie vor allem viel Krampf zu bleiben.

Das US-Ladenetzwerk für Elektroautos ist stark gewachsen, krankt aber an der Zuverlässigkeit. Andere Hersteller suchen deshalb den Anschluss an die Supercharger von Tesla, die zunehmend zum technologischen Standard werden. Kampflos wollen die etablierten Autobauer das Lade-Feld aber nicht räumen.

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