Thales schnappt Atos Gemalto weg
Thales hat in dem Bieterkampf um Gemalto als Weißer Ritter für eine überraschende Wende gesorgt. Der französische Rüstungselektronik- und Luftfahrtkonzern hat den IT-Dienstleister Atos mit einem höheren Angebot ausgestochen.wü Paris – Gemalto hat die 4,8 Mrd. Euro schwere Offerte von Thales am Sonntag angenommen. Das war eine überraschende Wende im Übernahmepoker. Der konkurrierende Bieter Atos schmiss wenige Stunden später das Handtuch. Sollte Thales jedoch die Übernahme aus wettbewerbsrechtlichen oder anderen Gründen nicht gelingen, stünde man wieder für Verhandlungen mit Gemalto bereit, erklärte Atos.Wie der IT-Dienstleister will Thales die Übernahme in Bargeld bezahlen. Der Konzern bietet 51 Euro je Aktie, was einem Aufschlag von 57 % auf den Schlusskurs von Gemalto am 8. Dezember entspricht. Zudem will Thales auch für 800 Mill. Euro Schulden übernehmen. Atos hatte am 12. Dezember bekannt gegeben, dem Chipkartenhersteller am 28. November je 46 Euro pro Aktie geboten zu haben. Gemalto hatte das als unerwünschtes Angebot zurückgewiesen. Der Verwaltungsrat des Spezialisten für digitale Sicherheit empfahl nun einstimmig die Annahme der Offerte von Thales.In dem Kontrollorgan sitzt auch Johannes Fritz, der Leiter des Family Office der Familie Quandt. Er gilt als enger Vertrauter von Susanne Klatten und Stefan Quandt, die zusammen etwas mehr als 10 % des Gemalto-Kapitals halten und damit die größten Aktionäre des französisch-niederländischen Unternehmens vor der staatlichen französischen Förderbank BPIfrance sind, die rund 8,5 % hält. Ein Sprecher von BPIfrance hatte letzte Woche im Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot von Atos erklärt, einer Konsolidierung in der französischen Technologiebranche durch zwei französische Akteure prinzipiell sehr positiv gegenüberzustehen. Der französische Staat ist mit knapp 25,8 % des Kapitals der größte Aktionär von Thales vor Dassault Aviation mit 24,7 %. Gespräche seit HerbstThales habe sich Gemalto intern bereits seit einem Jahr angeguckt und dann im Herbst Gespräche mit Unternehmenschef Philippe Vallée aufgenommen, erklärte Thales-Chef Patrice Caine. Die Übernahme sei keine Diversifizierung für seinen Konzern, da er bereits sehr aktiv auf dem Gebiet der Cybersicherheit, im Geschäft mit Regierungen sowie bei eSIM-Karten und in verschiedenen Apparaten wie Drohnen-integrierten SIM-Karten sei. Entsprechend will Thales jetzt alle Aktivitäten von Gemalto behalten, auch die SIM-Karten. Wegen des Rückgangs des Marktes für austauschbare SIM-Karten war der Chipkartenhersteller im ersten Halbjahr in die roten Zahlen gerutscht.Caine will die Cybersecurity-Aktivitäten seines Konzerns mit Gemalto zusammenlegen. Die neue Einheit für digitale Sicherheit soll unter dem Namen des Chipkartenherstellers als einer der sieben Geschäftsbereiche von Thales von Gemalto-Chef Vallée geführt werden. Mit einem erwarteten Umsatz von zusammen 3,5 Mrd. Euro dürfte sie zur weltweiten Nummer 2 für Cybersicherheit aufsteigen. Caine erwartet 2021 durch Synergien Kosteneinsparungen in Höhe von bis zu 150 Mill. Euro sowie eine Steigerung des bereinigten Gewinns pro Aktie ab dem 1. Jahr um 15 bis 20 %.Damit die Übernahme von Gemalto gelingen kann, benötigt sie die Unterstützung von Aktionären mit zusammen mindestens 67 % des Kapitals. Thales hofft, die Akquisition im zweiten Halbjahr 2018 abschließen zu können.Finanzchef Pascal Bouchiat hält negative Synergien oder wettbewerbsrechtliche Probleme höchstens in begrenztem Rahmen im Bereich Sicherheit für Unternehmen für möglich. Da Thales Ende Juni über Liquiditäten in Höhe von 2,3 Mrd. Euro verfügte, hat der Konzern laut Caine trotz der geplanten Übernahme die nötige finanzielle Flexibilität, um andere Akquisitionsmöglichkeiten wahrzunehmen.