Thyssen-Chef Kerkhoff unter Druck

Zweite Gewinnwarnung im Jahresverlauf brüskiert Investoren - Verdacht auf Kartellabsprachen verdichtet

Thyssen-Chef Kerkhoff unter Druck

Durch die zweite Gewinnwarnung im Jahr 2018 gerät Thysssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff, der gerade erst vor sechs Wochen einen frischen Fünfjahresvertrag als CEO erhalten hat, erheblich unter Druck. Eine millionenschwere Kartellbuße für die kapitalschwache Stahlsparte ist deutlich wahrscheinlicher geworden.cru Frankfurt – Nach der zweiten Gewinnwarnung im laufenden Jahr nimmt die Kritik der Investoren an Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff zu. “Kerkhoffs Aufspaltungspläne konnten dem Aktienkurs kein neues Leben einhauchen, der positive Ankündigungseffekt ist verpufft. Der Kapitalmarkt ist nicht überzeugt, weil es noch so lange dauert”, sagte Union-Investment-Fondsmanager Ingo Speich der Börsen-Zeitung.Beschlossen werden soll die Abspaltung der Thyssenkrupp Industrials AG vom alten Stahlkonzern Thyssenkrupp Materials AG auf der Hauptversammlung Anfang 2020. “Das aktive Portfoliomanagement – mit möglichen Spartenverkäufen, Fusionen oder Teil-Börsengängen – wird damit um mindestens ein Jahr aufgeschoben”, bemängelt Speich.Auf Kritik des Fondsmanagers stößt auch, dass ein Aufhebungsvertrag mit dem Aufzugsspartenchef Andreas Schierenbeck verhandelt wird. Im Raum steht der Vorwurf, Schierenbeck habe “heimlich” einen Börsengang der Sparte vorbereitet. “Es ist schwer nachvollziehbar, warum Herr Kerkhoff ausgerechnet jetzt mit Herrn Schierenbeck den Manager austauschen will, der die erfolgreiche Aufzugssparte verkörpert”, sagte Speich. “Das erzeugt zusätzliche Unsicherheit, und die Leute kümmern sich erst mal nicht mehr richtig um das operative Geschäft”, warnt Speich. Zudem geht Werkstoffhandelschef Joachim Limberg in den Ruhestand. Zuvor war schon Anlagenbauchef Peter Feldhaus abgelöst worden. Serie schlechter NachrichtenDer Konzern kommt nicht zur Ruhe, und zu den Personalquerelen kommen nun auch noch massive operative Schwächen in fünf der sechs Sparten für Aufzüge, Automobilkomponenten, Großanlagen, Werkstoffhandel, Stahl und Kriegsschiffe hinzu. Seit Juli – als das Unternehmen den langjährigen Vorstandschef Heinrich Hiesinger und Aufsichtsratschef Ulrich Lehner verlor, weil diese unter dem Druck der Finanzinvestoren Cevian und Elliott das Handtuch warfen – hat das Unternehmen zwei Gewinnwarnungen herausgeschickt.Es war bereits bekannt, dass Thyssenkrupp – neben anderen Stahlkonzernen – das Ziel von Untersuchungen des Bundeskartellamts wegen mutmaßlicher Absprachen bei Preiszuschlägen für Grobbleche und Qualitätsflachstahl ist. Darauf hatte der Konzern bereits im Geschäftsbericht für 2016/17 hingewiesen. Neu ist jedoch, dass Thysssenkrupp nun Rückstellungen für die Kartellrisiken bildet. Das zeigt, dass die Untersuchung ernster und eine Kartellbuße wahrscheinlicher wird.Thyssenkrupp hat mit externer Unterstützung die Risiken untersucht. “Aufgrund neuer Entwicklungen im Ermittlungsverfahren” kann der Konzern “nach derzeitiger Erkenntnislage erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns nicht ausschließen”. Entsprechend habe man sich entschieden, “im Konzernabschluss Vorsorge durch Rückstellung zu treffen”. Dadurch wird der erwartete Jahresüberschuss im Geschäftsjahr 2017/18 auf 100 Mill. Euro reduziert. Bisher sollte der Jahresüberschuss im Vergleich zum Vorjahr, als es 271 Mill. Euro waren, “signifikant besser” ausfallen.Zudem wird für Risiken aufgrund von “Qualitätsthemen” in der Autozuliefersparte, die laut Commerzbank-Analyst Ingo-Martin Schachel die “Springs & Stabilizers”, also Stahlfedern, betreffen, eine Risikovorsorge durch Rückstellung gebildet. Zusätzlich führen im vierten Quartal Einschränkungen der Stahlproduktion durch das Niedrigwasser des Rheins sowie ein unter den Erwartungen liegendes Ergebnis in der Aufzugssparte dazu, dass der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) 2017/2018 voraussichtlich nur 1,6 Mrd. Euro erreichen wird. 2016/17 waren es 1,7 Mrd. Euro. Zuletzt war noch ein bereinigtes Ebit in Höhe von 1,8 Mrd. Euro prognostiziert worden. Bis zur ersten Gewinnwarnung am 21. Juli hatten Analysten 2 Mrd. Euro operativen Gewinn erwartet. Die Bilanz für 2017/2018 wird am 21. November veröffentlicht.