ThyssenKrupp muss erneut Bußgeld zahlen

Schienenkartell wird für den Ruhrkonzern immer teurer - Amnestieprogramm brachte bislang keine neuen Compliance-Fälle ans Licht

ThyssenKrupp muss erneut Bußgeld zahlen

Das Bundeskartellamt hat ThyssenKrupp ein weiteres Bußgeld in Höhe von 88 Mill. Euro für die Beteiligung am Schienenkartell aufgebrummt. Die Absprachen der sogenannten “Schienenfreunde” kosteten den Konzern damit bereits 191 Mill. Euro – und die Schadenersatzansprüche der Geschädigten kommen noch hinzu. Der einzige Lichtblick im aktuellen Compliance-Dschungel des Konzerns: Das Amnestieprogramm bei den eigenen Mitarbeitern brachte keine weiteren Kartellfälle ans Tageslicht.ahe Düsseldorf – Das Bundeskartellamt hat im Schienenkartellfall weitere Bußgelder über 97,4 Mill. Euro verhängt. Von den betroffenen acht Unternehmen erhielt ThyssenKrupp erneut den Löwenanteil aufgebrummt: 88 Mill. Euro soll das Essener Dax-Unternehmen zahlen.Bereits im vergangenen Sommer waren gegen ThyssenKrupp in diesem Verfahren 103 Mill. Euro Bußgeld verhängt worden. Damals ging es um wettbewerbswidrige Preisabsprachen zulasten der Deutschen Bahn. Jetzt waren von der Bonner Behörde Absprachen zulasten von Nahverkehrsunternehmen, Privat-, Regional- und Industriebahnen genauer unter die Lupe genommen worden.In dem selbst ernannten “Kartell der Schienenfreunde”, das 2011 durch einen Kronzeugenantrag des österreichischen Stahlkonzerns Voestalpine aufgeflogen war, waren rund ein Jahrzehnt lang Ausschreibungen und Projekte unter den Beteiligten aufgeteilt worden. “Aufgrund des über Jahre praktizierten Kartells sowie der gewachsenen Kundenbeziehungen und -vorlieben war dabei oft allen Beteiligten von vornherein klar, wer den ausgeschriebenen Auftrag bekommen sollte”, beschreibt das Kartellamt die Situation. Neben den Schienen waren auch die Produktbereiche Weichen und Schwellen betroffen.ThyssenKrupp akzeptierte die erneute Geldbuße und hat hierfür nach eigenen Angaben auch schon eine entsprechende Rückstellung gebildet. Der Ruhrkonzern verwies darauf, dass es eine umfassende Kooperation mit der Wettbewerbsbehörde gegeben habe, die diese auch als einen “erheblichen bußgeldreduzierenden Faktor” in ihrer Entscheidung berücksichtigt habe.Für ThyssenKrupp ist das Verfahren in diesem Fall beim Bundeskartellamt damit erledigt. Erhebliche finanzielle Belastungen drohen dem Konzern allerdings noch aus den Schadenersatzansprüchen der Geschädigten. Die Deutsche Bahn hatte bereits im Dezember eine entsprechende Klage gegen die “Schienenfreunde” eingereicht. Dabei soll es um einen Streitwert von 550 Mill. Euro gehen. Nach dem neuen Bußgeldbescheid kündigten umgehend auch erste kommunale Verkehrsunternehmen an, ihre Ansprüche vor Gericht durchsetzen zu wollen.ThyssenKrupp erklärte nun, mit der Deutschen Bahn gebe es weiterhin “konstruktive Gespräche”. Es müssten allerdings die Schadensbeurteilung und auch die Lastenverteilung unter den Beteiligten noch detaillierter geprüft werden. Eine Klageerwiderung sei aber auch erst im Oktober einzureichen.ThyssenKrupp hat bereits personelle Konsequenzen aus dem Schienenkartellfall gezogen. Mehrere Vertriebsmanager, ein Geschäftsführer und der zuständige Bereichsvorstand mussten den Konzern verlassen. Noch nicht abgeschlossen sind aber die Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Bochum gegen einzelne Beteiligte. Ermittelt wird wegen des Verdachts auf “Submissionsbetrug”, da die Kartelle öffentlich ausgeschriebene Produkte und Dienstleistungen betrafen. Kein Hinweis auf StahlkartellNach den Erfahrungen mit den “Schienenfreunden” – nicht der erste spektakuläre Kartellfall bei ThyssenKrupp – hatte der Konzern im Frühjahr ein Amnestieprogramm für Mitarbeiter ausgelobt, sollten diese sich mit weiteren Compliance-Problemen melden. Einer nun veröffentlichten ersten Bilanz zufolge hat es auch “mehr als 20” Hinweise gegeben. “Es wurden aber kein schwerwiegenden beziehungsweise strukturellen Compliance-Verstöße festgestellt”, erklärte ThyssenKrupp. Bei den relevanten Hinweisen handele es sich im Wesentlichen um ein individuelles Fehlverhalten bei Kunden- und Lieferantenbeziehungen. Die Compliance-Schulungen im Konzern sollen nun noch einmal ausgeweitet werden.Mit Spannung wurde vor allem beobachtet, ob es Hinweise auf Preisabsprachen unter Stahlunternehmen bei Lieferungen an die deutsche Automobilindustrie gab. Das Bundeskartellamt ermittelt in dem Fall nach einer anonymen Anzeige und hat im Februar die Büros mehrerer großer Stahlkonzerne durchsucht. Davon war auch ThyssenKrupp Steel betroffen. Im Rahmen des Amnestieprogramms habe es aber keine Hinweise auf ein Stahlkartell gegeben, erklärte ThyssenKrupp, verwies aber zugleich darauf, dass das Verfahren beim Kartellamt andauert: “Derzeit können signifikante Risiken für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns nicht ausgeschlossen werden”, warnte das Unternehmen deshalb.