Trauerspiel von Gea
Von Antje Kullrich, DüsseldorfUm die Prognosesenkungen der jüngeren Vergangenheit bei Gea zu zählen, reichen die Finger einer Hand nicht mehr aus. Der auf die Lebensmittelindustrie fokussierte Maschinenbauer bekommt seine – größtenteils hausgemachten – Probleme seit mehr als zwei Jahren nicht in den Griff. Am Freitag sorgte ein erneut trüber Ausblick gepaart mit dem Kürzen des Ziels für die sogenannte Cash-flow-Treiber-Marge für einen weiteren Kurssturz. Um 10 % ging es an der Börse abwärts. Seit dem Allzeithoch Mitte 2016 hat sich der Wert des MDax-Konzerns mehr als halbiert, rund 4 Mrd. Euro an Börsenwert haben sich verflüchtigt.Investoren und Analysten verlieren die Geduld mit und das Vertrauen in eine Unternehmensführung, die seit Monaten weitgehend abgetaucht ist, wenig in den Quartalsmitteilungen erläutert und einen ausgebrannten Eindruck hinterlässt. Die Kürzung des Ziels bei der Cash-flow-Treiber-Marge – geschenkt. Warum der Vorstand diese merkwürdige Kennziffer vor einigen Jahren eingeführt hat, bleibt sein Geheimnis. Sperrig, schwer verständlich und nirgendwo sonst verwendet: Die Cash-flow-Treiber-Marge, deren Erläuterung drei Zeitungszeilen braucht (Ebitda abzüglich Sachinvestitionen und Veränderung des Working Capital in Relation zum Umsatz), gehört schnellstens abgeschafft.Bei den Investoren hatte die Senkung des Cash-flow-Treiber-Margen-Ziels zudem zu der Befürchtung geführt, dass Gea sich zunehmend schwertut, langfristige Forderungen einzutreiben, und das Working Capital deswegen steigt. Diese Sorgen versuchte das Unternehmen am Freitag mit einer nachgeschobenen Mitteilung zu zerstreuen: Die Zunahme des Working Capital – bis zum Jahresende dürfte es auf voraussichtlich 900 Mill. Euro oder 17 (i. V.:16) % vom Umsatz steigen – ergebe sich aus einer hohen Werksauslastung mit anhaltend hohem Vorratsniveau sowie geringeren Kundenanzahlungen. Die langfristigen Forderungen dagegen seien seit Jahresbeginn um 20 % reduziert worden.Beunruhigend ist aber auch die Aussicht auf 2019. Kurz gesagt: Es wird nicht besser. “Die sich eintrübenden gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Kombination mit weiter steigenden Material- und Personalkosten werden sich belastend auswirken”, schrieb der Vorstand in seiner siebten Ad-hoc-Mitteilung in diesem Jahr. Offenbar ist die derzeitige Konsensus-Schätzung der Analysten mit knapp 590 Mill. Euro Ebitda (Bloomberg) für 2019 deutlich zu hoch. Denn schon ohne die steigenden Materialkosten seien Belastungen von 70 Mill. Euro im Vergleich zu 2018 bereits heute absehbar, schrieb Gea.Nur noch sechs Analysten raten zum Kauf der Gea-Aktie. Am Freitag stufte Independent Research das Papier von “Halten” auf “Verkaufen” herunter. “Die Probleme scheinen tiefgreifender zu sein, als wir bislang unterstellt haben”, hieß es in einem frustrierten Kommentar des Analysehauses. Die überwiegende Mehrheit, nämlich 20 Analysten, sehen die Gea-Aktie neutral. Vier empfehlen mittlerweile einen Verkauf. Neue Konzernspitze muss ranDie Hoffnung der Investoren ruht auf der neuen Konzernführung. Der designierte Vorstandsvorsitzende Stefan Klebert (53) ist seit gut einer Woche an Bord. Er wird den langjährigen Gea-Lenker Jürg Oleas (60) Mitte Februar 2019 ablösen. Auch Finanzvorstand Helmut Schmale (62) steht vor seinem Abschied. Bereits im April hatte Gea mitgeteilt, dass er seinen eigentlich bis März 2021 laufenden Vertrag nicht erfüllen werde. Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin gibt es allerdings noch nicht.