IM BLICKFELD

Triebwerkhersteller ordnen sich neu

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 5.3.2013 Was EADS-Chef Thomas Enders im Rüstungssektor nicht geschafft hat, kommt in der Branche der Hersteller von Flugzeugtriebwerken derzeit rascher voran: die Übernahme oder die Fusion von...

Triebwerkhersteller ordnen sich neu

Von Stefan Kroneck, München Was EADS-Chef Thomas Enders im Rüstungssektor nicht geschafft hat, kommt in der Branche der Hersteller von Flugzeugtriebwerken derzeit rascher voran: die Übernahme oder die Fusion von Unternehmen. Während der Zusammenschluss der Airbus-Muttergesellschaft mit dem britischen Rüstungskonzern BAE Systems vor knapp fünf Monaten am politischen Widerstand scheiterte, befanden sich die wichtigsten Turbinenzulieferer der führenden Flugzeughersteller Airbus und Boeing in einem Konsolidierungsprozess.Dabei handelte es sich aber um keine allgemeine Welle von Mergers & Acquisitions, wie es in manch anderem Sektor aufgrund von Überkapazitäten der Fall ist. Vielmehr drehte es sich um Einzelfälle, die allerdings als größere Transaktionen Bewegung in das Luftfahrt-Zuliefersegment brachten: Im Sommer vergangenen Jahres erwarb der britische Auto- und Luftfahrtzulieferer GKN die schwedische Volvo Aero für knapp 800 Mill. Euro. Ein Verkauf dieser Aktivitäten stand für den Mutterkonzern Volvo seit längerer Zeit auf der Agenda, wollen sich die Schweden doch auf ihr Kerngeschäft mit Nutzfahrzeugen konzentrieren.Für Aufsehen in der Branche sorgte allerdings jüngst Marktführer General Electric (GE). Kurz vor Weihnachten übernahm der amerikanische Mischkonzern und Siemens-Rivale die Triebwerkaktivitäten der italienischen Avio-Gruppe für 3,3 Mrd. Euro. Die Verkäufer – der Finanzinvestor Cinven und der italienische Rüstungskonzern Finmeccanica – machten dabei einen guten Schnitt, hatten sie doch Jahre zuvor Avio für 2,6 Mrd. Euro von der amerikanischen Private-Equity-Gesellschaft Carlyle gekauft. Der Vorstoß von GE auf dem europäischen Markt überraschte viele Experten. Und auch der relativ hohe Kaufpreis sorgte für Gesprächsstoff in der Branche. Mancher ging davon aus, dass Avio in europäische Hände geht. Über die wahren Hintergründe des GE-Schritts kann nur spekuliert werden. Wie immer in solchen Fällen waren die Motive auch bei den Amerikaner vielfältig. Es wird aber spekuliert, dass GE sich Avio vor allem deshalb einverleibte, weil die Italiener ein wichtiger Zulieferer für die Sparte GE Aviation sind. Wäre Avio in die Hände eines anderen Wettbewerbers gefallen, hätte der Branchenprimus bei einigen Triebwerkprogrammen wohl Probleme bekommen. Zugleich konnte GE verhindern, dass Avio erneut an einen Finanzinvestor geht, schließlich machte Avio zuvor schon zwei Runden mit Beteiligungsgesellschaften, die Unternehmen mit zeitweiligen Sparprogrammen strikt auf Rendite trimmen, durch. Oligopol zementiert Fakt ist aber, dass GE mit dem Erwerb von Avio ihre Marktmacht weiter ausbauen konnte. GE Aviation kommt nunmehr auf einen Jahresumsatz von rund 23 Mrd. Dollar (siehe Tabelle), wobei Avio rund 3 Mrd. Dollar beisteuert. Der Mischkonzern aus Fairfield (US-Bundesstaat Connecticut) hält auf diese Weise die anderen beiden großen Triebwerkhersteller Rolls-Royce (über 18 Mrd. Dollar Jahresumsatz) und Pratt & Whitney (über 13 Mrd. Dollar) auf Distanz.”Gegenschritte” der GE-Wettbewerber im Turbinenbau sind aber nicht zu erwarten. Vielmehr hat GE mit ihrem Schritt in Italien die Struktur in der Branche zementiert: Nur wenige Anbieter teilen sich den großen Kuchen im Triebwerkgeschäft auf. Die Amerikaner und die Europäer dominieren den Markt. In diesem Oligopol lässt es sich gut leben. Bei den kapitalintensiven und aufwendigen Triebwerkprogrammen für zivile und militärische Flugzeuge kooperiert mittlerweile jeder mit jedem. Darauf sind die Unternehmen auch angewiesen, um bei der teuren Entwicklung von Triebwerken für Flugzeuge von Airbus und Boeing die Risiken auf mehrere Schultern zu verteilen. Erst im lukrativen Ersatzteil- und Wartungsgeschäft wird dann die Ernte eingefahren. In diesem Umfeld haben sich alle bequem eingerichtet.Deshalb sorgt GE auch nicht mit Avio für große Unruhe in der Branche, weil die Perspektiven für alle Triebwerkbauer relativ gut sind. Sie kämpfen nicht gegen die Widrigkeiten eines schrumpfenden Marktes an. Von Überkapazitäten, die in der Regel für Marktbereinigungen sorgen, kann daher keine Rede sein. Im Gegenteil: Aufgrund der ungebremst steigenden Nachfrage der Luftfahrtgesellschaften nach Passagierflugzeugen sind die Auftragsbücher der Triebwerkhersteller gut gefüllt. Vor allem in Nahost, Asien (insbesondere China) und Südamerika boomt das Geschäft. Das sorgt für gute Kapazitätsauslastungen bei den Triebwerkbauern über die nächsten Jahre hinaus. Davon profitiert auch Deutschlands größter Anbieter MTU Aero Engines. Den Münchenern half dabei das umsortierte Bündnis der Triebwerkhersteller für die neue Generation des Airbus-Verkaufsschlagers A320. Nach ihrer Niederlage im Wettstreit um die Auftragsvergabe für den Bau des Antriebs für die neue A320-Baureihe zog Rolls-Royce Ende 2011 einen Schlussstrich und stieg aus dem Herstellerkonsortium mit Pratt & Whitney aus.Der US-Konzern mischte daraufhin die Karten neu. Zum Zuge kam dabei MTU, die ihren Anteil an der Partnerschaft von 11 auf 16 % erhöhte, was insgesamt 550 Mill. Euro kostet. Für das MDax-Mitglied zahlt sich diese Investition aus, erfreut sich doch auch das überarbeitete Mittelstreckenflugzeug der EADS-Tochter einer regen Nachfrage. Vor diesem Hintergrund ist MTU nicht mehr auf Wachstum über Zukäufe angewiesen; zuvor zeigten auch die Münchener noch Interesse an Volvo Aero und an Avio.Nach dem Deal von GE ist aber der Markt für mögliche Übernahmen leergefegt. Weitere Kaufobjekte sind in der ohnehin überschaubaren Branche nicht mehr vorhanden. Die Konsolidierung ist abgeschlossen.