CORPORATE FINANCE SUMMIT

Trump ärgert Firmenkäufer

Linde-Chairman Wolfgang Reitzle beklagt Politisierung der FTC

Trump ärgert Firmenkäufer

In der kartellrechtlichen Praxis hat sich nach Ansicht von Unternehmenslenkern einiges geändert. Die US-Wettbewerbsaufsicht werde politisch beeinflusst, die EU-Kommission passe sich nicht global veränderten Größenordnungen an. Ein Jurist und M&A-Experte hält dagegen. ak Frankfurt – Wolfgang Reitzle macht aus seiner Verärgerung keinen Hehl: Die Wettbewerbshüter vor allem in den USA haben den Linde-Chairman beim Zusammenschluss mit Praxair Nerven gekostet. Als “erratisch und willkürlich” kanzelte er das Vorgehen der amerikanischen Kartellbehörde FTC in der Spätphase der Transaktion ab. Auf einem Panel zum Thema Kartellrecht auf dem Corporate Finance Summit der Börsen-Zeitung und der Beratungsgesellschaft PwC skizzierte er die insgesamt schwierigen Verhandlungen mit den Wettbewerbshütern, die in keinem Vergleich zu der vergangenen Großübernahme von BOC in den Nullerjahren gestanden hätten: “Da hat sich ganz viel verändert.”In den USA sieht Reitzle eine Politisierung der Wettbewerbsaufsicht. Bei der Fusion von Linde und Praxair sei mit der FTC zunächst alles recht glatt gelaufen. Die Aufsicht habe zunächst weitgehend so reagiert, wie es die Linde-Strategen durchgespielt hatten. Doch ab Mai 2018 habe sich die Lage völlig verändert: “Je besser man vorbereitet ist, desto stärker trifft einen der Zufall – und der hieß Trump”, konstatierte Reitzle. Der US-Präsident habe die FTC an der Spitze neu aufgestellt, den einzigen früheren Commissioner abgesetzt und durch seine Stellvertreterin sowie vier weitere neue Commissioner – nach Parteibuch je zwei Republikaner und Demokraten – besetzt. Nach einjährigen Verhandlungen sei den Unternehmen dann im August 2018 mitgeteilt worden, es werde alles neu verhandelt – “nach für uns nicht nachvollziehbaren Kriterien”, wie Reitzle beklagte. Kritik an EU-WächternAuch mit der EU-Kommission habe es Probleme gegeben, ging der Linde-Chairman mit den Kartellbehörden weiter ins Gericht. Linde habe sich bestens vorbereitet gefühlt und sei mit den von früher bekannten Kriterien an die Abschätzung der Kartellthematik herangegangen. Doch das Kalkül sei nicht aufgegangen: “In Europa haben die völlig anders reagiert”, sagte Reitzle. Er beklagte, dass die europäischen Kartellwächter wegen der neuen Größenordnungen und der globalen Bezüge nicht etwa großzügiger würden. Linde/Praxair sei zwar als Ganzes genehmigt worden, “aber in Europa wurde der Deal eigentlich komplett abgelehnt”. Linde musste das gesamte Praxair-Geschäft auf dem Kontinent abgeben.Der M&A-Experte Prof. Christoph Schalast widersprach Reitzle und dem Knorr-Bremse-CEO Klaus Deller, der auch die Ablehnung des Siemens/Alstom-Zusammenschlusses durch die EU-Kommission scharf kritisiert hatte. Statistisch gesehen sei die EU-Kommission in der langjährigen Betrachtung nicht strenger geworden. Schalast erläuterte, in einer Auswertung seien die rund 6 000 Kartellverfahren, über die die EU-Kommission zwischen 1990 und 2018 entschieden habe, untersucht worden. Dabei habe es lediglich 27 Untersagungen gegeben. Siemens/Alstom war ein Fall davon.Deller gab zu, dass die EU-Kommission bei Siemens/Alstom nach geltender Gesetzeslage nicht anders habe entscheiden können. Er forderte aber: “Wir müssen europäische Champions zulassen.”Störfeuer in Kartellverfahren kommen nach Ansicht des Juristen Schalast mittlerweile eher von ganz anderer Seite. Als potenzielle Dealbreaker macht er die Wettbewerber aus. Bei Kartellverfahren seien heutzutage viel häufiger Einsprüche von Konkurrenten zu beobachten. Sie hätten ganz klar das Ziel, einen Zusammenschluss zu verhindern. “Das gab es früher nicht.”