TOURISTIK

Tui kämpft an mehr als einer Front

Verteidigung des Marktanteils bei Pauschalreisen kostet Geld - Neue Wettbewerber auf lukrativem Terrain

Tui kämpft an mehr als einer Front

Von Heidi Rohde, FrankfurtDer Kurssturz der Tui-Aktie – ein Verlust von mehr als einem Fünftel binnen fünf Tagen – erinnert gegenwärtig an die Kapriolen, die beim Wettbewerber Thomas Cook schon seit längerem an der Tagesordnung sind. Gestern verloren die Titel in London erneut in der Spitze 8 %. Dabei ist die bilanzielle und operative Verfassung der deutschen Touristikkonzerns mit der des angeschlagenen Konkurrenten wahrlich nicht vergleichbar. Tatsächlich beabsichtigt die Tui, im laufenden Turnus ein Rekordergebnis zu wiederholen, wenn auch wie bisher geplant um rund 10 % zu steigern. Und gut zwei Drittel des Geschäfts, nämlich die Wachstumstreiber Hotels und Kreuzfahrten, entwickeln sich weiterhin sehr gut, wie das Management betont. Schmerzhafte FolgenGänzlich kann allerdings die demonstrative Gelassenheit von Konzernchef Fritz Joussen nicht täuschen. Auch Tui steht vor Herausforderungen, die von dem margenschwachen Geschäft des Reiseveranstalters, das zusammen mit den Airlines inzwischen nur noch für gut 30 % vom operativen Ertrag (Ebita) steht, zumindest auch auf den einen oder anderen Stützpfeiler der Wachstumsstory übergreifen könnten.Dies ist ein wichtiger Grund für den Konzern, den Marktanteil im Reiseveranstaltergeschäft zu verteidigen, auch wenn die Folgen ohne Zweifel schmerzhaft sind. Denn ein stabiles bereinigtes Ebita von 1,18 Mrd. Euro statt einer zehnprozentigen Steigerung impliziert, dass die Division “Markets & Airlines” einen Einbruch von rund 30 % vor Augen hat. Im ersten Quartal waren es auf Basis konstanter Wechselkurse 26 %. Es könnte also noch schlimmer kommen.Das Reiseveranstaltergeschäft ist schon länger unter Margendruck. Die Rendite ist von 4,5 % im Geschäftsjahr 2016 auf zuletzt 2,1 % gefallen. Für die kostspielige Verteidigung des eigenen Marktanteils spricht indes gerade bei der Tui die nach wie vor hohe Bedeutung der Pauschalreise für das Konzerngeschäft, bei der der deutsche Heimatmarkt in Europa eine Spitzenstellung einnimmt und die hierzulande noch immer häufig über das lokale Reisebüro gebucht wird. Die Ankündigung der Tui, hier Kosten “herauszunehmen” und mehr “digitale Plattformen” zu nutzen, zeigt, dass es hier zu strukturellen Änderungen kommen wird, allerdings mehr im Vertrieb, weniger beim Produkt.Die schon vor zehn Jahren totgesagte Pauschalreise zeigt sich nicht nur in Deutschland widerstandsfähig, sondern hält europaweit einen Marktanteil von rund 40 %, wie die Analysten von Morgan Stanley schätzen. Umfragen zufolge ist die Fan-Gemeinde stabil: Rund 85 % der Reisenden, die eine Pauschalreise gebucht haben, wollen dies wieder tun. Allerdings zeigen Umfragen auch: Die Individualreise gewinnt immer mehr an Attraktivität.Dies verdankt sich dem Aufstieg von komplett internetbasierten Plattformen wie Booking.com oder auch Airbnb, die bisher nicht unbedingt eine direkte Konkurrenz für die Reiseveranstalter waren. Und auch nicht für das wichtigere Geschäft der Tui, also Kreuzfahrten, Hotels und Urlaubserlebnisse. Dies könnte sich jedoch ändern. Denn gerade die großen Internet-Player haben angefangen, ihr Geschäftsmodell zu erweitern. So hat Airbnb – sehr naheliegend – begonnen, persönliche Urlaubserlebnisse “von privat” anzubieten. Auch Booking.com ist in diese Art von “After-Sales-Geschäft” eingestiegen, weil es beim Vertrieb von Hotelzimmern in Städten besonders auf der Hand liegt. Wichtiger VorteilDie Tui sieht sich damit in ihrer Strategie bestätigt, das Geschäft sei wachstums- und margenstark. Allerdings zeichnet sich gerade deshalb auch hier ein neuer Kriegsschauplatz ab, auf dem die Tui in den Kampf ziehen muss. Denn die Betreuung der Kunden mit einem Gesamtkonzept ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil, den das Management aus gutem Grund nicht aus der Hand geben will. Wenn die Urlaubserlebnisse der Konkurrenz besser sind, könnten sich die Kunden sonst auch schnell überlegen, dass es eine große Auswahl guter Hotels gibt, die unabhängig buchbar sind – und obendrein auch noch billiger. Denn das Kostengepäck von Internetplattfomen wie Booking.com oder Expedia ist viel leichter.Obendrein ist auch ihre Kapitalbindung geringer, was zwar die Rendite, aber eben auch das Geschäftsrisiko senkt. Damit sind die Internetanbieter für einen Preiskampf gerüstet. Wenn er kommt, könnten auch andere Geschäftsfelder der Tui plötzlich weit weniger “robust” sein.